Essen. Es sind vor allem die Hilfsorganisationen, die die „Solidaritäts-Partnerschaft“ mit Riwne am Leben erhalten: „Wir brauchen Geduld!“

Wenn die Frau in ihrer knallroten Jacke eingemummelt am Blumen-Stand steht, draußen vor der Stadt, an der Enerhetykiv Straße, dann macht sie dort wohl das Geschäft ihres betagten Lebens, nur leider: Es ist ein Geschäft mit dem Tod. Denn auf der anderen Straßenseite liegt der „neue Friedhof“ von Riwne. Hunderte blau-gelber Flaggen flattern hier im Wind und signalisieren, dass das große Sterben auf den Schlachtfeldern weit im Osten auch bis in den sonst weitestgehend sicheren Westen der Ukraine reicht.

Laptops sind prima, aber ob sie in Riwne auch gebrauchte Leichenwagen als Spende bekommen könnten?

An die 1000 gefallene Soldaten dürften sie in Essens „Solidaritäts-Partnerstadt“ schon jetzt beklagen. Genaue Zahlen werden offiziell nicht preisgegeben, vielleicht, weil das die ohnehin schon miese Stimmung dieser Tage noch weiter drücken würde. Nur so viel: Mit den Abschieden auf dem Maidan in der Innenstadt kommen sie kaum nach. Eben erst haben sie den 47-jährigen Victor und den gerade mal 20-jährigen Vjatscheslav verabschiedet, acht Opfer liegen im Kühlhaus, täglich kommen weitere hinzu.

Bei Konzerten wie hier im kleinen Saal der Kulturhalle von Riwne werden Spenden für Drohnen gesammelt. Und die Menschen geben, was sie können. 
Bei Konzerten wie hier im kleinen Saal der Kulturhalle von Riwne werden Spenden für Drohnen gesammelt. Und die Menschen geben, was sie können.  © NRZ | woki

Kein Wunder, dass man den immer noch aktiven Essener Hilfsorganisationen neuerdings diese Bitte mit auf den Weg gibt: Ob sie neben allerlei Sanitäts- und Hygiene-Artikeln, medizinischen Gerätschaften und Schul-Laptops - vielen Dank dafür - vielleicht auch mal Ausschau nach gebrauchten Leichenwagen halten könnten? Sie würden ihre Toten in Riwne gerne „würdig transportieren“, erläutert der Vertreter der Stadt - nicht in diesen klapprigen PAZ-Minibussen aus russischer Produktion, die immer wieder in einer stinkenden Abgaswolke auf den örtlichen Maidan tuckern.

Stadt zeigt Solidarität mit der Ukraine

Zwei Jahre nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine rufen die ukrainisch-deutschen Vereine in Essen zu einer Kundgebung in der Innenstadt auf: An diesem Samstag, 24. Februar, um 12 Uhr (nicht wie ursprünglich geplant um 13 Uhr) wollen sie an der Marktkirche in der Innenstadt zusammenkommen.

Organisiert wird die Veranstaltung von den verschiedenen ukrainisch-deutschen Vereinen in Essen. Stadtdirektor Peter Renzel nimmt in Vertretung von Oberbürgermeister Thomas Kufen an der Kundgebung teil. Der OB trifft sich am Jahrestag mit in Essen lebenden Ukrainern, Ehrenamtlichen sowie Vertretern von Politik und Wohlfahrtsverbänden im Kardinal-Hengsbach-Haus. Auch die ukrainische Generalkonsulin Iryna Shum wird dorthin kommen.

Essens Sozialdezernent Peter Renzel, dem man diese Nachricht überbracht hat, will sich umhören. Er ist überzeugt, dass es auch nach knapp zwei Jahren „die unterschiedlichen Hilfsorganisationen sind, die unsere gemeinsame Partnerschaft lebendig halten“, die Hilfe und die bislang noch eher spärlichen Besuche. Für den Sommer peilt Oberbürgermeister Thomas Kufen seinen ersten Besuch in Riwne an, zuvor stattet eine Delegation der ukrainischen Großstadt Essen einen Besuch ab. Fest eingeplant ist dann ein Freundschaftsspiel des ukrainischen Erstligisten NK Veres Riwne gegen Rot-Weiss Essen am 23. März an der Hafenstraße. Die jungen Männer bekommen für die Ausreise eigens eine ministerielle Ausnahmegenehmigung.

Besuch an der Hafenstraße: Riwnes OB Oleksandr Tretyak (Mitte) kam schon 2023 mit dem in der Ukraine geborenen Ex-RWE-Spieler Igor Denysiuk und RWE-Vorstandschef Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig zusammen. Jetzt ist ein Freundschaftsspiel geplant.
Besuch an der Hafenstraße: Riwnes OB Oleksandr Tretyak (Mitte) kam schon 2023 mit dem in der Ukraine geborenen Ex-RWE-Spieler Igor Denysiuk und RWE-Vorstandschef Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig zusammen. Jetzt ist ein Freundschaftsspiel geplant. © RWE

Es sind dabei nicht nur die Hilfsgüter und solche Treffen, die den Ukrainern das Herz wärmen, es ist das Interesse an sich. „Die emotionale Unterstützung ist sehr wichtig für uns“, heißt es stets, „wir sind so dankbar, dass Ihr uns nicht vergesst“. Denn sie wissen, dass der Angriffskrieg der Russen längst von anderen Schlagzeilen verdrängt wurde. Gaza, die US-Wahl, ja, selbst die AfD-Debatte hierzulande - auch 1800 Kilometer weiter östlich spüren sie, dass das ihre Anliegen nach hinten drängt.

Zu dem unseligen Krieg kommt eine Debatte um Korruption, die zum Teil wilde Blüten treibt

Dabei kommen noch politische Ränkespiele auch im eigenen Land dazu, eingepackt in die Debatte um Korruption, die mitunter wilde Blüten treibt. Selbst der Riwner OB Oleksandr Tretyak ist noch bis Juli von einem Gericht für ein Jahr vom Amt suspendiert, weil er jemandem aus seinem Wahlkampfteam einen Job verschafft habe. Dass dies nicht zu beanstanden sei, habe er schriftlich, sagt Tretyak. Kaltgestellt ist er dennoch. Und plant die Rückkehr ins Amt, früher oder später.

Auch eine beeindruckende Kirche, die Riwne da auf seinem Partnerstadts-Kalender verewigte, aber nicht aus Essen, sondern aus Hildesheim. Halb so wild.
Auch eine beeindruckende Kirche, die Riwne da auf seinem Partnerstadts-Kalender verewigte, aber nicht aus Essen, sondern aus Hildesheim. Halb so wild. © woki

Im Rathaus pflegen sie derweil die Kontakte zu den Partnerstädte so gut es geht. Für 2024 haben sie einen Drei-Monats-Kalender entworfen, mit Bildern aller Kommunen, mit denen Riwne freundschaftliuche Kontakte pflegt. Für Essen ist der Juli reserviert, das Foto zeigt die Basilika in Werden. Oder halt: Es ist der Dom zu Hildesheim, sieht so ähnlich aus, hängt auch mit dem heiligen Altfrid zusammen, ein Versehen.

Kein Problem, unter Freunden.