Essen. Die Stadt arbeitet an einem Wärmeplan. Handwerk und Hauseigentümer-Verband warnen eindringlich davor, diesen früher als nötig scharfzustellen.
Handwerk, Vermieter und Gaswirtschaft warnen die Stadt Essen und die Politik davor, bei der kommunalen Wärmeplanung voreilig zu handeln. „Damit würden die Hauseigentümer früher in Zugzwang geraten als in anderen Kommunen und hätten weniger Zeit, sich vorzubereiten“, sagte der Geschäftsführer von Haus & Grund Essen, Andreas Noje. Kreishandwerksmeister Martin van Beek befürchtet gar, dass der Wärmemarkt zusammenbrechen würde. Beide sind sich einig: Essen dürfe jetzt nicht unnötig vorpreschen.
Grund der Besorgnis ist das neue Gebäudeenergiegesetz, das am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist - in der Öffentlichkeit besser bekannt als Heizungsgesetz. Ziel ist es, Heizungen in Deutschland bis 2045 auf erneuerbare Energien umzustellen. Dafür müssen große Städte wie Essen bis spätestens Ende Juni 2026 eine sogenannte kommunale Wärmeplanung vorlegen. Darin wird aufgezeigt, welche Gebiete künftig an zentrale Heizungsnetze angeschlossen werden könnten - mit Wärmeversorgung etwa von Erdwärme-, Wasserstoff-, Biomassekraftwerken oder durch Abwärme aus der Industrie. Ist das nicht umsetzbar, brauchen Gebäude weiter eine dezentrale Heizung.
Sobald Wärmeplan in Essen vorliegt, gelten verschärfte Pflichten beim Heizungseinbau
Sobald die Stadt Essen diese Wärmegebiete verbindlich ausweist, haben Hausbesitzer zwar Gewissheit aber auch verschärfte Pflichten. Denn nach einer kurzen Übergangsfrist von einem Monat gilt ab dann: Neue Heizungen dürfen nur noch eingebaut werden, wenn sie mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Bis es jedoch einen verbindlichen Wärmeplan gibt, bleibt Hausbesitzern mehr Zeit. Wer sich zum Beispiel jetzt eine neue Gasheizung einbaut, darf diese noch fünf Jahre lang betreiben. Erst ab 2029 muss dann schrittweise eine Umstellung auf erneuerbare Energien erfolgen.
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Das Handwerk dringt deshalb darauf, diese Möglichkeit so lange wie möglich auszuschöpfen. „Essen darf die Wärmeplanung nicht unnötig früh scharfstellen. Es muss für uns eine reelle Chance geben, die Kunden mitzunehmen“, sagte van Beek. Auch Noje warnte: „Hausbesitzer dürfen nicht noch einmal völlig überfahren werden. Sonst haben wir die gleiche Situation wie im vergangenen Jahr.“
Essener Handwerk will an Gasheizungen festhalten
Wann die Stadt Essen ihre Wärmeplanung abschließen wird, ist derzeit nicht bekannt. Eine Anfrage der Redaktion an die Stadt dazu blieb bislang unbeantwortet. Handwerk und Haus & Grund haben jedoch nach Gesprächen den Eindruck, dass die Planungen in Essen schon recht weit gediehen sind. Die Stadt habe die Vorstellung erster Ergebnisse bereits für das Frühjahr angekündigt - auch wenn damit freilich noch nichts verbindlich wäre. Im vergangenen Jahr hatte die grüne Umweltdezernentin Simone Raskob im Gespräch mit der Redaktion allerdings bereits angedeutet, dass sie sich vorstellen kann, dass die Wärmeplanung in Essen schon vor Mitte 2026 in Kraft tritt.
Beim Handwerk schwingt offenbar die Sorge mit, dass Gasheizungen dann künftig kaum noch eine Rolle spielen könnten. Van Beek jedoch plädiert für Technologieoffenheit. „Wir wollen nicht am Ziel der Klimaneutralität rütteln, aber sie muss machbar und bezahlbar sein. Nur mit Fernwärme und Wärmepumpen allein wird das bis 2045 nicht flächendeckend funktionieren“, erklärte er. Aus Sicht des Handwerks wäre schon viel gewonnen, wenn alte Niedertemperaturkessel gegen effizientere Brennwertkessel ersetzt würden. Wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar seien, könnten auch Gasheizungen einst klimaneutral laufen.
Auch das Gas- und Wärmeinstitut Essen schätzt, dass bis zu 40 Prozent der Energieversorgung künftig weiterhin über erneuerbare Gase, wie grünen Wasserstoff, erfolgen kann. Die Stadtwerke Essen arbeiten bereits daran, fossiles Erdgas nach und nach zu ersetzen. Sie werden in diesem Jahr ihrem Erdgas erstmals Biogas aus einer Vergärungsanlage in Kettwig beimischen. Ob dies technisch auch mit grünem Wasserstoff möglich ist, werde geprüft, heißt es.
Heizungsboom in Essen ist einer Heizungsflaute gewichen
Ohnehin werden in Essen in den kommenden Jahren noch viele Gasheizungen am Netz sein. Viele Hauseigentümer hatten sich aus Panik vor „Habecks Heizungshammer“ im vergangenen Jahr noch schnell eine neue Gasheizung einbauen lassen. Im neuen Jahr ist die Nachfrage wie erwartet eingebrochen. „Anfragen gibt es so gut wie keine mehr“, meint der Obermeister der Sanitär- und Heizungsinnung, Thomas Weber. Sein Betrieb arbeitet wie viele andere momentan nur noch Aufträge aus dem alten Jahr ab. Denn: Wurde die Heizung vor dem 19. April 2023 beauftragt, darf der Handwerker sie bis zum 18. Oktober 2024 einbauen. Wer das Bestelldatum kontrolliert, bleibt in der Regelung allerdings offen.
Immerhin: Die Heizungshysterie des vergangenen Jahres ist nicht nur im Handwerk verflogen. Auch bei Haus & Grund sind die Anfragen besorgter Eigentümer deutlich zurückgegangen, berichtet Noje. Wichtig sei jetzt, dass die Hausbesitzer in Ruhe an die Umrüstung ihrer Gebäude herangehen könnten.
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