Essen. Die Stadt Essen treibt die Wärmeplanung voran, oft dürfte Fernwärme die Zukunftslösung sein. Was das für den Austausch alter Heizungen bedeutet.
Die Stadt Essen will bis Ende des Jahres erste Details zu ihrer kommunalen Wärmeplanung vorlegen. Dies kündigte Umweltdezernentin Simone Raskob im Gespräch mit der Redaktion an. Die Stadtverwaltung will Hausbesitzern damit eine Orientierungshilfe für künftige Investitionen geben, so Raskob – allen voran was den Einbau einer neuen Heizung angeht. Denn: „Die Verunsicherung ist groß“, weiß die Dezernentin.
Die Wellen schlagen hoch, seit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Entwurf für ein neues „Heizungsgesetz“ vorgelegt hat mit dem Ziel, den Anteil klimaschädliche Energieträger wie Gas und Öl schrittweise auf null zu reduzieren. Bis zu Jahr 2045 will die Bundesrepublik Deutschland klimaneutral sein.
Die kommunale Wärmeplanung steht damit in unmittelbarem Zusammenhang. Bis spätestens zum 30. Juni 2026 müssen Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern darlegen, wie sie ihre Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umstellen wollen, so also auch die Stadt Essen. Dies sieht ein weiterer Gesetzentwurf vor, der dem Bundestag zur Beratung vorliegt.
80 Prozent der Essener Gebäude werden mit Gas oder Öl beheizt
Die Herausforderung für die Stadt Essen ist groß, wie ein Blick auf die aktuelle Statistik verdeutlicht. 60 Prozent des Essener Gebäudebestandes werden demnach mit Gas beheizt, weitere 20 Prozent mit Heizöl – fossile Energieträger, die mit Blick auf den Klimaschutz nicht mehr erwünscht sind. Zehn Prozent der Gebäude werden mit Heizstrom versorgt, weitere sieben Prozent mit Fernwärme und nur 1,4 Prozent mit Wärme, die aus erneubaren Energien gewonnen wird.
Mit der kommunalen Wärmeplanung will die Stadt insbesondere den Fernwärmeanteil erhöhen. Hintergrund: Der Gesetzgeber verlangt, dass Fernwärme spätestens ab 2045 aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Auch Wasserstoff soll künftig stärker für die Wärmeversorgung genutzt werden.
Die Stadt wird deshalb im Stadtgebiet sogenannte „Wärmenetzgebiete“ ausweisen, die an die entsprechenden Leitungsnetze angeschlossen werden könnten. Wichtig zu wissen ist: Die kommunale Wärmeplanung beinhaltet keine gesetzliche Verpflichtung, diese auch umzusetzen, wie Simone Raskob betont. Vielmehr ist die Stadt darauf angewiesen, dass die Versorgungsunternehmen die Planung aus eigenem wirtschaftlichen Interesse aufgreifen und dazu nutzen, um die Netze weiter ausbauen.
Ab 30. Juni 2026 dürfte das neue Heizungsgesetz greifen, in Essen vielleicht früher
Auch ihnen will die Stadt Orientierung und Planungssicherheit für Investitionen bieten. Schon damit möglichst viele Haushalte von den Leitungen profitieren können, ist es naheliegend, dicht besiedelte Quartiere ans Fernwärmenetz anzuschließen, ein frei stehendes Einfamilienhaus in Byfang oder Heidhausen dagegen nicht.
Was bedeutet die kommunale Wärmeplanung nun für Hausbesitzer? Kommt es so, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, dann gilt grundsätzlich Folgendes: Spätestens ab dem 30. Juni 2026 müssen neue Heizungen die Wärme zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen. Für Neubauten soll diese Pflicht bereits ab dem nächsten Jahr greifen. Wobei man sich aufseiten der Stadt durchaus vorstellen kann, dass die kommunale Wärmeplanung in Essen auch schon früher in Kraft tritt.
Ob eine Immobilie in einem „Wärmenetzgebiet“ steht oder nicht, macht einen Unterschied. In einem „Wärmenetzgebiet“ können Hausbesitzer ihre Immobilie perspektivisch ans Fernwärmenetz anschließen lassen, sie müssen es aber nicht. „Ein Anschluss- und Benutzungszwang ist für Essen nicht vorgesehen“, erläutert Kai Lipsius von der Grünen Hauptstadt-Agentur, die an der Wärmeplanung beteiligt ist.
Ein Anschlusszwang ans Fernwärmenetz ist in Essen nicht vorgesehen
Aufseiten des Eigentümervereins „Haus & Grund“ begrüßt man dies. „Ein Anschlusszwang wäre kontraproduktiv“, betont Geschäftsführer Andreas Noje. Schließlich kann es Jahre dauern, bis eine neue Fernwärmeleitung verlegt ist. Möglicherweise wollen Hausbesitzer mit dem Austausch ihrer Heizung so lange nicht warten.
Geht eine Heizung kaputt, gelten für „Wärmenetzgebiete“ längere Übergangsfristen. Hauseigentümer können ihre alte Heizung in diesem Fall sehr wohl zunächst mit einer Gas- oder Ölheizung ersetzen, wenn sie sich innerhalb von zehn Jahren an die Fernwärme anschließen.
Außerhalb von „Wärmenetzgebieten“ gelten kürzere Fristen. Auch dort darf eine defekte Gas- oder Ölheizung gegen ein entsprechendes Modell ausgetauscht werden, spätestens nach fünf Jahren muss die Wärmeversorgung aber zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden. In der Regel dürfte es in diesen Fällen auf eine Wärmepumpe hinauslaufen, schätzt Kai Lipsius.
Eigentümerverein „Haus & Grund“ begrüßt Atempause
Wo „Wärmenetzgebiete“ ausgewiesen werden sollen, dürfte sich Ende des Jahres abzeichnen, wenn die Stadtverwaltung ihre Überlegungen dazu vorstellt.
Andreas Noje von „Haus & Grund“ begrüßt, dass die Stadt eine Wärmeplanung erstellt. Auch wenn sich der Eigentümerverein wünschen würde, dass die Vorgaben zum Heizungsgesetz erst greifen, wenn die Planung auch umgesetzt ist. Danach sieht es nicht aus. Dennoch: „Wir haben einen Aufschub, das beruhigt“, sagt Noje mit Blick auf die Fristen. Es sei ein Fehler der Berliner Politik gewesen, die Bürgerinnen und Bürger bei ihren Überlegungen nicht von Anfang an mitzunehmen. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Ob sich die Aufregung wieder legt, wird sich zeigen.