Essen-Huttrop. Viele Jahre erduldete Katharina die Wutausbrüche ihres Mannes. Dann schaffte sie den Absprung. Jetzt gründet sie eine Selbsthilfegruppe.

Wenn die Ehe zur Hölle wird: Nicht nur körperliche, sondern auch seelische Gewalt kann Menschen brechen. Diese Erfahrung hat Katharina über Jahre gemacht. Nun will die Essenerin anderen Betroffenen eine Anlaufstelle bieten. Sie initiiert eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die in toxischen (giftigen) Beziehungen, meist mit narzisstischen Partnern, leben oder lebten und sich mit anderen austauschen wollen.

Katharina möchte über ihre Erfahrungen sprechen, aber ihren richtigen Namen nicht im Artikel lesen, um sich selbst und ihre Kinder zu schützen. Die 44-Jährige hat jahrelang in einer Beziehung gelebt, die ihr nicht guttat. Sie litt unter den extremen Wutausbrüchen ihres Partners, der immer häufiger aus nichtigem Anlass ausrastete.

Sie brauchte lange Zeit, um das zu begreifen und viele Anläufe, um sich aus eigener Kraft daraus zu befreien. Inzwischen lebt die Essenerin allein und sagt: „Ich bin noch längst nicht geheilt, aber auf einem guten Weg.“

Essenerin brauchte lange für den Absprung aus der giftigen Beziehung

Das Alleinsein bekomme ihr gut, für einen neuen Partner sei sie noch nicht bereit. Den Kontakt zu ihrem Ex-Partner vermeide sie. Zu groß seien die seelischen Verletzungen gewesen, die ihr Partner ihr zugefügt habe.

Über 20 Jahre habe sie in dieser „ungesunden“ Ehe verbracht, drei Kinder großgezogen. Ob ihr Ex-Partner tatsächlich ein Narzisst sei, der nur sich selbst liebe, könne sie nur vermuten. „Diagnostiziert wurde das nicht. Er hat ja keinen Leidensdruck, sucht also auch keinen Arzt auf, der eine solche Diagnose stellen könnte“, sagt die Krankenschwester.

Anfangs gab es Aufmerksamkeiten und Geschenke

Zum Anfang ihrer Beziehung sei alles toll gewesen, ihr Partner habe sie mit Aufmerksamkeit und Geschenken überhäuft. „Ein Mann, um den einen die anderen beneiden“, sagt Katharina. In Gesellschaft gab er sich eloquent und charmant, so dass niemand im Bekanntenkreis auf die Idee kam, dass da etwas nicht stimmt.

Zunächst habe sie gar nicht bemerkt, dass da etwas in die falsche Richtung lief. Sie habe wenig Zeit zum Nachdenken gehabt – viel Stress mit Job, Kindern, Haushalt. „Manchmal hatte er Aussetzer, reagierte äußerst aggressiv. Ich habe immer die Schuld bei mir oder in den Umständen gesucht, in traumatischen Erlebnissen in seiner Kinderheit, Ärger im Job, gesundheitlichen Problemen. Ich habe immer plausible Entschuldigungen gefunden.“

Sie habe versucht, ihr eigenes Verhalten zu verändern, wenn ihr Partner mal wieder ohne ersichtlichen Grund ausrastete und ihr suggerierte, die Schuld liege bei ihr. Immer wieder habe er sich nach solchen Szenen für sein Verhalten entschuldigt. „Er hat mir quasi ein paar Bröckchen hingeworfen, hat mich angefüttert, so dass ich glauben konnte, dass alles wieder so toll wie am Anfang wird“, blickt Katharina zurück. Dass ihr Mann ihr jegliche Energie raubte, habe sie erst spät erkannt.

Die Wutausbrüche des Partners raubten ihr die Energie

Ihr Partner sei nicht gewalttätig im engeren Sinne gewesen, sondern unberechenbar und manipulativ. Sie und die Kinder hätten sich irgendwann nicht mehr sicher gefühlt. „Man wusste nie, wie man sich verhalten sollte. Mal hat das eine Verhalten einen Wutausbruch ausgelöst, mal das andere. Das führt natürlich dazu, dass man total verunsichert ist“, beschreibt Katharina ihre Situation über viele Jahre.

„Dazu kommt, dass man zunehmend in die Isolation gerät, wohl auch, weil der Partner möglichst keine Zeugen haben will, die womöglich sein Verhalten entlarven. „Er hat auch meine Freundinnen durch sein Verhalten sehr gekränkt, wohl auch, um mich noch mehr zu isolieren.“

Das Ganze sei ein schleichender Prozess. „Wenn man einen Frosch in kochendes Wasser wirft, ist er sofort tot. Erhöht man aber über einen langen Zeitraum die Wassertemperatur immer wieder um ein weiteres Grad, gewöhnt er sich an die steigende Temperatur und merkt zunächst gar nicht, dass man ihm schadet“, erklärt Katharina die Situation an einem Beispiel.

Lange Zeit blieb die Hoffnung auf eine positive Wendung

Wenn sie über ihre rund 14-jährige Leidenszeit spricht, erntet sie oft ungläubige Blicke. „Warum bist du nicht einfach gegangen?“ werde sie häufig gefragt. Der langsame Gewöhnungseffekt, die Hoffnung, das Schöne der Anfangszeit zurückzubekommen, aber auch eine gewisse Loyalität und Pflichtbewusstsein hätten sie ausharren lassen. „Meine Intuition hat mich irgendwann verlassen. Man muss ja erst einmal für sich selbst klarbekommen, was da genau abläuft, dass man psychisch und emotional missbraucht wird“, sagt sie.

Heute sei es eine Befreiung, über die Zeit zu sprechen. Um diese Möglichkeit auch anderen Betroffenen zu geben, habe sie sich entschlossen, die Selbsthilfegruppe zu gründen. „Eine solche habe ich selbst vergeblich gesucht“, sagt Katharina, die sich psychologische Hilfe geholt hat, um den endgültigen Absprung zu schaffen. Sie sei „Überlebende, nicht Opfer“, habe ihr Psychologe gesagt.

Auf die schwierige Phase der Trennung folgte die Befreiung

Vor drei Jahren sei ihr der Schritt in die Freiheit gelungen, sie habe ihrem Partner gesagt, dass sie ihn verlassen würde. „Erstaunlicherweise hat mein Mann ganz cool reagiert. Wahrscheinlich hat er gedacht, dass ich in ein paar Wochen sowieso wieder da bin“, erinnert sich Katharina an diese schwierige und sehr emotionale Phase in ihrem Leben, in der ihr die Kinder Halt gegeben hätten.

Nach diesen Erfahrungen will sie nun anderen in ähnlichen Situationen helfen. Wer diese Art von Missbrauch erlebe, sei einer schleichenden Vergiftung ausgesetzt, das Selbstwertgefühl sinke und eigene Grenzen würden überschritten. „Um Selbstzweifel, Selbstentwertung, Schuld, Scham und dauernden emotionalen Stress zu lindern, möchten wir uns in einer Selbsthilfegruppe austauschen und uns gegenseitig stärken“, gibt Katharina das Ziel vor.

Selbsthilfegruppe gründet sich in Essen

Die Selbsthilfegruppe wird sich am Donnerstag, 25. Januar, gründen. Ort und Zeit erfahren Interessierte bei der Anmeldung. Das Angebot beinhaltet keine fachliche Beratung, es geht um gegenseitige Unterstützung, Erfahrungsaustausch und die Erkenntnis, dass man mit dem Problem nicht allein ist. Die Gründung wird von der Selbsthilfeberatung Wiese unterstützt und begleitet. Wenn die Plätze belegt sind, wird es eine Warteliste geben.

Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich. Betroffene können sich bei der Selbsthilfeberatungsstelle Wiese anmelden unter 0201-207676 oder per Mail an selbsthilfe@wiesenetz.de .

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]