Essen-Rellinghausen. Mit 81 Jahren will Klaus-Hartmut Iltgen seine Apotheke in Essen-Rellinghausen verkaufen. Warum die Suche nach einem Nachfolger schwierig ist.
Seit 155 Jahren ist die Reichsadler-Apotheke eine Institution in Essen-Rellinghausen. Klaus-Hartmut Iltgen führt sie als Apotheker in dritter Generation. Den Geburtstag der Apotheke im Sommer will er mit seiner Frau Birgit Dagmar Iltgen, dem gesamten Team und den Kundinnen und Kunden noch feiern.
Doch im Laufe des Jahres möchte sich der 81-Jährige gern aus dem Beruf zurückziehen. Deshalb sucht er derzeit einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, wie er weiß.
Essener Apotheker will bald in den Ruhestand gehen
In der eigenen Familie gebe es niemanden, der das Geschäft übernehmen könnte. Also müsse er sich auf dem freien Markt umsehen. „In der Branche rumpelt es derzeit aber mächtig“, sagt Iltgen. Ein Indiz dafür sei, dass die Apotheker inzwischen auf die Straße gingen und demonstrierten, obwohl sein Berufsstand traditionell nicht zu solchen Protestaktionen neige, so Iltgen.
Für ihn selbst sei der berufliche Weg durch Großvater und Vater quasi vorgegeben gewesen. Dass er den Familienbetrieb übernehmen werde, sei ihm schon früh klar gewesen.
Als das 1993 der Fall war, hatte er schon einige berufliche Stationen hinter sich. „Ich habe nach meinem Studium in einem Dutzend Apotheken gearbeitet, eine Apotheke in Hattingen gegründet und dann nach der Wende für die Treuhand in Chemnitz die Apotheken privatisiert“, blickt Klaus-Hartmut Iltgen auf seine beruflichen Stationen zurück, zu denen auch seine Tätigkeit als Sanitätsoffizier bei der Marine gehört.
Politische Entscheidungen verändern das Berufsbild
Eigentlich sei er Apotheker mit Leib und Seele, aber die aktuellen Umstände machten ihm und seiner Branche schwer zu schaffen. Hauptprobleme seien derzeit der Personalmangel, die „krasse Unterfinanzierung“ und die Versorgungsengpässe mit Medikamenten.
In Bezug auf letztgenannten Punkt sieht Iltgen die Einführung des E-Rezepts kritisch: „Das läuft eigentlich super, engt uns aber in unserem Handlungsspielraum stark ein, weil wir keine Alternativmedikamente mit identischem Wirkstoff herausgeben dürfen. Da hatten wir beim herkömmlichen rosa Rezept mehr Freiheiten. Das finde ich bedenklich im Hinblick auf die Versorgung der Patienten.“
„Wir verschwenden immer mehr Zeit für die Verwaltungsarbeit, die wir besser für die Beratung der Kunden nutzen könnten“, sagt Birgit Dagmar Iltgen, gelernte Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA), die ihren Mann in der Apotheke unterstützt.
Der Nachfolger kann im Haus der Apotheke wohnen
Auch sonst sind die beiden von den aktuellen politischen Entscheidungen wenig begeistert: Dass künftig homöopathische Mittel nicht mehr von den Kassen bezahlt werden sollen, hält das Ehepaar für einen Fehler. Sie seien seit vielen Jahren anthroposophisch unterwegs, würden die ganzheitliche Medizin mit Blick auf Körper, Seele und Geist vertreten. „Das wird am Ende zu höheren Kosten führen“, sind sie überzeugt.
Das alles wolle er sich nicht mehr lange antun, auch wenn er seinen Beruf eigentlich liebe, sagt Klaus-Hartmut Iltgen, der künftig gern mehr Freizeit hätte. Im vergangenen Jahr hätten sie ganze vier Tage Urlaub gehabt... Langeweile werde er im Ruhestand nicht haben, ist der 81-Jährige überzeugt, der schon seit Jahren als Mediator im Gesundheitswesen, aber auch in den Bereichen Familie und Wirtschaft, Konflikte löst und das auch weiterhin machen will.
Der Ehepaar will auf jeden Fall im Haus der Apotheke an der Frankenstraße wohnen bleiben. Dort befindet sich seit 2009 auch ein kleines Apothekenmuseum mit alten Gerätschaften, das Iltgen beim Verkauf der Apotheke als Dauerleihgabe übergeben würde. „Insgesamt wird die Abstandssumme für Einrichtung, Umsatz und Kundenstamm moderat sein“, stellt er in Aussicht.
Apotheke ist wichtige Anlaufstelle im Stadtteil
Der Apotheker hofft, dass sich bald ein geeigneter Bewerber oder eine Bewerberin meldet, der oder die zur Rellinghauser Klientel, aber auch zu seinem Mitarbeiterstamm von derzeit sechs Kräften, davon drei aus dem pharmazeutischen Bereich, passe.
„Eigentlich ist der Beruf ja krisenfest, auch wenn sich das Berufsbild im Gegensatz zu früher stark verändert hat“, so Iltgen. Früher hätten die Apotheker die Medikamente oft selbst hergestellt. Er könne sich noch gut erinnern, dass sein Vater am Sonntagvormittag Pillen gedreht und Zäpfchen geformt habe. Schon damals sei die Neugier auf den Beruf bei ihm geweckt worden.
Seinem potenziellen Nachfolger stehe im Haus eine Drei-Zimmer-Wohnung mit rund 110 Quadratmetern zur Miete zur Verfügung. „Wenn es gewünscht wird, stehe ich erstmal mit Rat und Tat zur Seite und könnte auch Urlaubsvertretungen übernehmen“, sagt Iltgen, der sich vorstellen kann, stundenweise weiterzuarbeiten, wenn die Apotheke verkauft ist. „Das ist aber keine Muss“, betont er.
Wichtig ist Iltgen, dass die Apotheke bestehen bleibt. „Sie ist im Stadtteil vor allem für ältere Menschen, aber auch Schulkinder der nahen Schulen eine wichtige Anlaufstelle“, sagt der 81-Jährige, der die Nachfolgersuche über die Homepage und den Instagram-Kanal der Apotheke im direkten Umfeld von mehreren Ärzten und Seniorenheimen sowie einer Tagespflege gestartet hat.
Ob junger Apotheker oder schon erfahrener Kollege: Die Suche könnte schwierig werden, vemutet Iltgen. „Die guten Leute werden anderswo besser bezahlt, ohne das unternehmerische Risiko eingehen zu müssen.“
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