Essen. Ein Essener Influencer mit 1,2 Millionen Followern soll im großen Stil Spendengelder abgezockt haben. Tausende Nutzer sind geschädigt.

Die Polizei ermittelt gegen einen 23-jährigen Influencer aus Essen, der in den beliebten Internet-Portalen Tiktok und Instagram zusammen rund 1,2 Millionen Follower hat. Der Influencer, der einer arabischen Großfamilie angehört, soll seit dem Sommer 2023 regelmäßig einen Obdachlosen (24) aus Essen gefilmt und Spendengelder eingeworben haben. Die Spenden, deren Höhe die Polizei derzeit auf einen „mittleren fünfstelligen Betrag“ schätzt, soll sich der 23-Jährige jedoch großteils in die eigene Tasche gesteckt haben.

Die Videos mit dem Obdachlosen, der in den Filmen sein Leid beklagt, hatten das Mitgefühl vieler tausend Nutzerinnen und Nutzer erregt. Von den großzügigen Spenden soll der Obdachlose selbst jedoch maximal wenige hundert Euro erhalten haben, berichtet die Polizei. Auch er, der Obdachlose, gilt als einer der Geschädigten.

2500 Spender wurden von der Polizei Essen informiert

Mittlerweile hat die Polizei rund 2500 E-Mails verschickt an alle ihr bekannten Nutzerinnen und Nutzer, die Spenden geleistet haben und die Spender darauf hingewiesen, dass sie mutmaßlich einem Betrug zum Opfer gefallen sind. Die Geschädigten können und sollen sich zum Vorfall äußern.

Durch einen Zufall kam die Sache heraus: Polizisten, die gemeinsam mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes auf Streife in der Innenstadt unterwegs waren, wurden im Sommer auf den Obdachlosen aufmerksam. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes erkannte den Obdachlosen wieder. „Der Beamte wunderte sich, dass sich trotz des hohen Spendenaufkommens die Lebenssituation für den 24-Jährigen nicht verbessert hatte“, berichtet die Polizei am Freitag.

Essener Influencer soll den Obdachlosen nach dem ersten Aufruf unter Druck gesetzt haben

Der Obdachlose vertraute sich den Beamten an: Er sei nach dem ersten Spendenaufruf von dem Influencer unter Druck gesetzt worden, weitere, vermeintliche Spendenaufrufe zu drehen und zu veröffentlichen.

Auf seinem Instagram-Account sieht man den Influencer, der sich zwischendurch auch als Sänger versucht, auf Fotos und in Videos wie in einem Jet-Set-Leben: Am Flughafen von Dubai und anderen Reise-Destinationen, in oder vor teuren Sportwagen, im Kreise von Freunden oder Bekannten in edlen Clubs und Bars. Zwischendurch Essener Alltag: „Trick: So kannst Du immer kostenlos im Limbecker Platz parken“ und andere Banalitäten aus Innenstädten des Ruhrgebiets.

Video verleitet zu Straftat, Influencer kommentiert: „Nicht nachmachen!“

Der „Trick“, wie man kostenlos parken kann, geht übrigens gründlich schief: Der Influencer versucht, sich mit seinem Fahrzeug direkt hinter einem Auto, das vor ihm die Schranke zum Parkhaus passiert, durchzuschleichen, doch dann hört man einen dumpfen Knall, die Schranke senkt sich während der Durchfahrt. Immerhin hat der Influencer seinen Film mit einem Kommentar versehen: „Nicht nachmachen, ich habe eine Anzeige erhalten!“

Gern gelesen in Essen

Clan-Experten der Polizei ermitteln jetzt weiter, es geht unter anderem wegen des Verdachts des Betruges, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung.

Das Video des Obdachlosen war in Windeseile im Netz verbreitet worden. In Essen hatte auch die populäre Instagram-Seite „Essendiese“ den Film geteilt. Die Macher der Seite sind vor wenigen Tagen aufgeklärt worden, dass auch sie offenbar einem Betrug zum Opfer fielen und klärten die Nutzer mit einem entsprechenden Hinweis auf. Man wolle künftig, kündigten die Macher von „Essen diese“ an, stärker prüfen, was man über das eigene Portal weiterverbreite.

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