Essen-Südviertel. In den 1980er Jahren waren Frauen am Plattenteller in Diskotheken noch rar. Wie Dagmar Assauer in Sigi‘s Kalei in Essen eine neue Ära einleitete.
Wer in den 1970er und 1980er Jahren in Essen eine Diskothek besuchte, sah in der Regel Männer an Plattenspielern oder Reglern stehen. Eine absolute Ausnahme war zu der Zeit Dagmar Assauer, die viele nur „Daggi“ nennen. Sie war eine der ersten DJanes der Stadt, vlelleicht sogar die erste.
In den Clubs gaben damals fast ausschließlich Männer den Ton an. Nicht so am Donnerstagabend in Sigi‘s Kalei. Die Lokalität an der Steeler Straße, ganz in der Nähe des inzwischen abgerissenen Hauptbades und der Alten Synagoge, war ebenso legendär wie in bestimmten Kreisen verrufen.
Die Essener Disco Sigi‘s Kalei war in der Szene legendär
So sollen damals Schülerinnen einer stadtbekannten Klosterschule mit dem Hinweis auf vor dem Eingang patrouillierende Lehrer vom Besuch der Disco abgehalten worden sein. Ob man fürchtete, die Schülerinnen würden sich dort die Nacht um die Ohren schlagen und dann morgens im Unterricht einschlafen oder ob andere Gründe dahinter steckten, konnte nie genau geklärt werden. Jedenfalls ist die Kultdisco, wie viele andere Läden jener Zeit, längst Geschichte. In den Räumlichkeiten gibt es jetzt im Club Hotel Shanghai elektronische Klänge auf die Ohren.
Für Dagmar Assauer jedenfalls war Sigi‘s Kalei eine Art zweites Zuhause, aber auch Arbeitsplatz. Sie legte von 1983 an zehn Jahre dort auf. 1981 hatte sie als Bedienung in der Disco angefangen. „Für mich war das damals ein Studentenjob“, sagt die heute 65-Jährige, die im Essener Südviertel lebt.
Der Donnerstag entwickelte sich dank der Essener DJane zum Ausgehtag
Damals habe sie sich schon manchmal über die Musik beschwert. Je nach Wochentag gab es im Kalei Rock, Reggae, Oldies oder auch „bunte Tüte“, also alles querbeet, was der Plattenschrank hergab. Sie selbst sei damals musikmäßig eher in Richtung New Wave unterwegs gewesen, erinnert sich Assauer. An den Plattentellern hätten sich damals drei Kollegen abgewechselt. Irgendwann sei einer weggewesen und Disco-Besitzer Sigi Wassereck sei auf sie zugekommen: Statt ständig über die Musik zu meckern, solle sie es doch selbst machen. „Ein bisschen mulmig war mir dann schon, schließlich hatte ich das ja noch nie gemacht“, blickt „Daggi“ Assauer zurück.
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Ihren ersten Einsatz hatte sie dann an einem Donnerstagabend, „da war eh nicht viel los“. Ein Kollege habe ihr den Plattenbestand gezeigt und sie in die Bedienung der Musikanlage eingewiesen.. „Als es dann losging, habe ich doch ganz schön gezittert – auch wenn am ersten Abend nur rund 40 Leute den Club besuchten. Das sollte sich schnell ändern, denn schon bald hatte DJane „Daggi“ Assauer ihre Fangemeinde und legte auch schon mal vor 600 Leuten auf.
Was folgte, waren „zehn wilde, herrliche Jahre, in denen sich der Donnerstag zum bestbesuchten Abend der Woche entwickelt habe, wie sich Dagmar Assauer erinnert. Eigentlich sei man ja traditionell am Freitag und Samstag, oder auch am Mittwochabend ausgegangen, um in der Wochenmitte „Bergfest“ zu feiern.
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Mit ihrem speziellen Musikmix „bunte Tüte“ von Wave bis Punk, von Madonna bis Prince, habe sie den Donnerstag im Kalei geprägt – und ihr Publikum mitgerissen. „Ich habe schon eher ausgesuchte Sachen gespielt, keinen Mainstream, aber immer Tanzbares“, so Assauer. Losgegangen sei es in der Woche schon um 20 Uhr, denn viele hätten ja am nächsten Tag zur Arbeit gemusst.
In den 1980er Jahren gab es ganz unterschiedliche musikalische Strömungen
„Es gab in den 1980ern ja verschiedene musikalische Strömungen. Aber Neue Deutsche Welle kam mir nicht auf den Plattenteller, das war mir zu albern. Aber ich habe Ramones-Nummern mit nur knapp zwei Minuten aufgelegt, aber auch Gloria Gaynor in voller Länge“, erzählt Assauer. Schluss war meist gegen 1 Uhr. „Nach fünf, sechs Stunden hatte ich dann Feierabend.“
Die legendäre Ära des Kalei lässt übrigens Stefan Wassereck, Sohn des damaligen Besitzers, heute gelegentlich mit Kalei-Revival-Abenden in der Frohnhauser Kneipe Anyway (Berliner Straße 82) aufleben. Nächster Termin ist Samstag, 23. Dezember.
Neben ihrem Job als DJane studierte Dagmar Assauer, Nichte von Schalke-Legende Rudi Assauer, Architektur, arbeitete später bei der FUNKE-Mediengruppe in den Lokalredaktionen Essen und Gelsenkirchen als Sekretärin.
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An die Kalei-Zeit denkt die Essenerin gern zurück. Ende der 1980er Jahre sei es dann allerdings musikmäßig langsam Richtung Techno gegangen, CDs hätten die Vinyl-Scheiben abgelöst. 1993 zog sich Dagmar Assauer endgültig aus dem Geschäft zurück.. „Auf beides hatte ich keine Lust. Das war nicht mehr meine Welt.“
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