Essen. Nach unserem Aufruf haben uns Texte und Bilder erreicht, die zeigen, wie das Partyleben in der Stadt aussah. Das haben die Essener erlebt.
- San Francisco, Club David, Model Traumwelt: Viele Essener erinnern sich an die Disco-Zeit.
- Uns haben viele Texte und Fotos von Leserinnen und Lesern erreicht.
- Sehen und gesehen werden war oft das Motto.
Model Traumwelt, Club David, Capri Bar: Die Essener erinnern sich gern an die Disco-Zeit. Nachdem uns Wolfgang Krämer (73) aus Essen-Haarzopf seine Erinnerungen an die Essener Disco-, Club- und Kneipenszene geschildert hatte, haben uns etliche Mails und Bilder zum Thema erreicht. Viele blicken gern auf diese Jahre zurück, berichten von Konzerten, Tanzabenden und persönlichen Begegnungen, die ihr Leben prägten.
Der gebürtige Niederländer Jos Banning (79) aus Stoppenberg zum Beispiel ging ab 1963 regelmäßig mit seiner Frau in Essen zum Tanzen aus. Damals sei man in den Tanzpalast Arkadia an der I. Dellbrügge 5 gegangen. Dort sei Live-Musik mit einer internationalen Tanz- und Schaukapelle angesagt gewesen. Meistens waren es sechs Musiker und eine Sängerin, berichtet er. „Jeden Monat spielte eine neue Kapelle und so gegen 24 Uhr gab es oft eine Showtime. Zu sehen waren unter anderem das Jochen Brauer Sextett, Hazy Osterwald Sextett, Joe Lord Sextett mit Angelina Monti und andere.“
Den Tanzpalast Arkadia habe es von 1958 bis 1967 gegeben, aber auch danach sei dort weiter getanzt worden. 1968 habe nach dem Umbau an gleicher Stelle das Dancing San Francisco eröffnet. Wieder habe es Live-Musik gegeben, jeden Monat, später alle 14 Tage mit einer anderen Band. „Alle Bands, die damals in Europa bekannt waren, sind hier aufgetreten. Am bekanntesten waren The Tielman Brothers aus Holland/Indonesien“, schreibt Jos Banning.
Leserinnen und Leser schreiben ihre Erinnerungen an die Essener Disco-Zeit auf
Das sei so bis 1981 gegangen, dann sei es dort vorbei gewesen mit Live-Musik. „Das Lokal wurde umgebaut und die Musik kam nun von der Schallplatte, es wurde eine Diskothek. Dieses war nicht meine Welt“, so Banning, der die Namen aller Bands, die dort vorher aufgetreten waren, notiert hat. Das Jochen Brauer Sextett sei die letzte Showband gewesen, die dort 1981 gespielt habe.
Wenn den Bannings eine Band nicht zusagte, gingen sie in andere Lokale wie die Weinstuben in Essen oder fuhren in umliegende Städte zum Tanzen, zum Beispiel in den Okay Tanzpalast in Mülheim, den Lido Tanzpalast oder das Corso Dancing in Duisburg.
Der heute 79-jährige Banning hatte seit 1965 als Drucker gearbeitet, zuerst an der Sachsenstraße in Essen bei AS, ab 1973 dann in der Offsett-Druckerei in Kettwig. Inzwischen ist er seit vielen Jahren Rentner.
Auch Norbert Schlage erinnert sich angesichts der von Wolfgang Krämer mitgeteilten Erlebnisse an jene Zeiten. „Ich habe mich in die Zeit zurückversetzt gefühlt, weil ich genau das Gleiche durchlebt habe. Es war eine ziemlich unbeschwerte Discozeit zwischen Viehofer Platz, Steele, Rüttenscheid und Frohnhausen. Und das Ganze in der Anfangszeit ohne Auto. Für die heutige Jugend wahrscheinlich unvorstellbar.“
Ähnlich geht es Oliver Nitz: „Mann, was war das eine coole Zeit. Ich bin zwar ,erst’ 51, aber gerne erinnere ich mich daran, wie wir im Hemingway, der Kultkneipe schlechthin, mit dem quietschenden Holzboden am Ende der Rü fast jeden Freitag und Samstag abgefeiert haben. Leider wich sie dem Neubau, in dem sich unter anderem Rewe befindet.“
Erinnerungen an die erste Liebe, die manchmal ein Leben lang hält
Man habe sich damals durch die völlig überfüllte Kneipe gequält und gequetscht, irgendwann zu später Stunde in der Rundecke einen Sitzplatz ergattert und die Abende genossen. „Ich erinnere mich auch deswegen sehr gerne an diese Zeit zurück, weil ich dort meine Frau kennen und lieben gelernt habe.“ Sie sei immer noch an seiner Seite und das solle auch noch sehr lange so bleiben. „Mittlerweile sind wir seit 26 Jahren verheiratet und kennen uns über 30 Jahre.“
„Während ich das hier tippe, muss ich immer wieder schmunzeln, meine Frau ist weiterhin der Meinung, dass ich damals eine Jeanslatzhose getragen haben soll, ich habe aber nie eine besessen“, so Nitz, der ein Fachgeschäft für Fenster-, Tür- und Sicherheitstechnik betreibt.
Auch Uwe Möller kann sich noch gut erinnern, wie er mit Fönfrisur, „Dackelkragen“ und Schlaghose 1974 die Disco E1 in Rüttenscheid besucht hat. Vorher sei man in die Kneipe „Oliver Twist“ gegangen, um bei Bier und „Appelkorn“ in die richtige Partystimmung zu kommen.
„Oh, wie schön, was für eine Zeitreise! Genau so war es. Superkurzer Mini oder Schlaghose. Toll geschminkt, die Haare schön gemacht – so ging ich samstags los. 19 Uhr war Einlass, 20 Uhr war Start“, schreibt Gisela Kotlowski geb. Springer (69).
Ihr Revier sei in erster Linie der First Saloon gewesen, aber „wenn man die Jungs schon kannte, auch mal Big Ben, Mississippi oder San Francisco“. Letzteres eher selten – da gab es noch Platte und Kapelle im Wechsel, das sei „nicht so ihr Ding“ gewesen. „Hatte sich mit einem netten Jungen eine Verabredung für den nächsten Samstag ergeben und er besaß schon ein Auto, ging es gerne auch mal ins Safari an der Meisenburgstraße. Sonntags war man im Sound an der Zweigertstraße. Aber alles nur bis 22 Uhr, das Jugendschutzgesetz ...
Einige Tanzlokale hatten eine Start-Musik, die den Partybeginn signalisierte
„Rückblickend war es eine schöne, freie, leichte und unbeschwerte Zeit. Noch heute höre ich die Musik aus den 60ern und 70ern. Das war meine Zeit. Es entsteht in mir ein glückliches Gefühl, aber auch etwas Wehmut. Es ist vorbei, es war einmal. Vielleicht erinnert sich noch jemand, welche Start-Musik die einzelnen Tanzlokale hatten. Es gab immer ein bestimmtes Musikstück und man wusste, jetzt geht es los“, so Gisela Kotlowski.
An ganz andere Läden erinnert sich Uta Hackmann-Kamp. „Meine Disco-Jahre führten mich von der Tanzschule Thielemann über das East Side ins Pink Palace, die legendäre riesige Disco am Rand der Essener Innenstadt.“ Da sie in Heisingen gewohnt habe, und es damals, Mitte der 1980er Jahre, noch keinen Nachtexpress gegeben habe, habe sie die Wahl zwischen dem letzten Bus nach Hause um 0 Uhr oder dem ersten um 4 Uhr morgens gehabt.
In den 1980er Jahren gab es noch keinen Nachtexpress
Zur „Freude“ der Eltern sei es meist der um 4 Uhr gewesen. „Montags hatte ich dann in der nullten Stunde Sport, das war hart und ich war immer todmüde. Ich war fast jeden Samstag im ,Pink’. Es war ganz bestimmt nicht Schicki-Micki, aber mir hat es gefallen. Dass meine Lieblingsdisco dann irgendwann abgerissen wurde, fand ich sehr schade.“
„Bei mir kamen sofort Erinnerungen an diese Zeit hoch – gute Erinnerungen. Da ich zu der Zeit noch nicht viel Geld hatte, bin ich samstags in die Disco in der Tanzschule Thielemann in der Goethestraße gegangen. Dort wurde die Musik von Lord Norbert aufgelegt“, schreibt Michael Faltin. Und sonntags sei man zum Tanztee bei Thielemann gegangen und zwischendurch, so gegen 17 Uhr, für etwa eine Stunde zur Tanzschule Lenz zum Headbanging. Da wurde Rock und teilweise Hardrock gespielt. Danach ging’s zurück zu Thielemann, zu den Standardtänzen. „Man wollte tanzen und gesehen werden. Und wenn das Geld reichte – ab in die Disco.“
Für Carsten Kroll (57) waren die Discos damals nicht nur Ort des Feierns, sondern auch Arbeitsstätte. Er legte von Mitte bis Ende der 1980er Jahre im East Side im Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum auf. „Das war sozusagen das P1 des Ruhrgebiets. Dort verkehrten damals durchaus Prominente, unter anderem bekannte Tennisspieler.“ Später habe er dann im Tarm-Center, der bekannten Großraumdisco in Bochum, aufgelegt und auch Gastspiele im Model Traumwelt und später im Mudia Art gegeben.
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