Essen-Haarzopf. Vor 20 Jahren hat sich der Bürgerbusverein in Essen-Haarzopf gegründet. Warum die Fahrgastzahlen in den letzten Monaten deutlich gestiegen sind.

  • Vor 20 Jahren wurde der Bürgerbusverein Haarzopf gegründet.
  • Das Angebot wird bis heute gut genutzt.
  • Die Fahrgastzahlen sind in den letzten Monaten sogar gestiegen.

Der Bürgerbusverein Essen-Haarzopf-Margarethenhöhe-Rüttenscheid (HMR) besteht seit 20 Jahren. Gefeiert wird allerdings erst in zwei Jahren – wenn sich die erste Fahrt zum 20. Mal jährt. Wie sich das 49-Euro-Ticket auf die Arbeit des Vereins auswirkt und warum die Ehrenamtlichen die Ruhrbahn loben.

Seit der ersten Fahrt des Bürgerbusses im August 2005 haben gut 326.000 Fahrgäste das Angebot genutzt, erklärt Adelheid Harms-Prions, seit anderthalb Jahren Vorsitzende des Bürgerbusvereins. Seit zwölf Jahren arbeitet sie im Vorstand mit. Ihr jetziges Amt hat sie vom langjährigen Vorsitzenden Hans Zilles übernommen, der das Projekt damals ins Leben gerufen hatte. Unterstützt wird sie von Geschäftsführer Rüdiger Goebel.

Der Essener Bürgerbusverein sucht dringend weitere Fahrer und Fahrerinnen

Derzeit hat der Verein 33 Fahrer, weitere werden gesucht. „Es wäre schön, wenn sich auch Frauen melden würden, aktuell haben wir keine einzige im Team. Fast alle Fahrer sind Rentner, einige haben sich in der letzten Zeit zurückgezogen“, berichtet Adelheid Harms-Prions. Es hätten sich zuletzt durchaus neue Fahrer gemeldet – von denen zwei aber wieder abgesprungen seien, weil sie für die Erteilung der Fahrerlaubnis beim Straßenverkehrsamt innerhalb von vier Monaten keinen Termin bekommen hätten.

Matthias Benn ist einer von 33 ehrenamtlichen Fahrern des Bürgerbusses Essen-Haarzopf. Weitere Fahrer und Fahrerinnen werden gesucht.
Matthias Benn ist einer von 33 ehrenamtlichen Fahrern des Bürgerbusses Essen-Haarzopf. Weitere Fahrer und Fahrerinnen werden gesucht. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Auch die Beratung dort sei nicht immer einfach: „Dass jemand eine Fahrerlaubnis für den Bürgerbus braucht, kommt ja nur selten vor“, hat Rüdiger Goebel in gewisser Weise Verständnis für die Probleme. „Für uns ist es aber natürlich sehr ärgerlich, wenn sich Interessierte dann für ein anderes Ehrenamt entscheiden.“

Durch das 49-Euro-Ticket habe sich einiges verändert. „35 Prozent unserer Fahrgäste fahren mit diesem Ticket, seit Juni haben wir dadurch rund 550 Gäste monatlich mehr“, so der Geschäftsführer. Derzeit verzeichne man rund 1400 Fahrgäste im Monat. Das sei der positive Aspekt des Tickets. Allerdings würden dem Verein dadurch natürlich Einnahmen fehlen. Das Angebot des Bürgerbusses finanziere sich zu je einem Drittel über Werbung auf dem Bus, den Fahrkartenverkauf sowie Fördermittel, zum Beispiel vom Land.

Ruhrbahn Essen ersetzt die fehlenden Einnahmen aufgrund des 49-Euro-Tickets

„Die Gespräche mit der Ruhrbahn zu diesem Thema sind aber sehr positiv verlaufen“, lobt Goebel. Der Verein gehöre zu den wenigen der 148 Bürgerbusvereine in NRW, die sich bis zum Jahresende keine Gedanken über die Finanzierung machen müssten, da die Ruhrbahn nicht nur die Ausfälle für die vergangenen Monate erstattet habe, sondern auch schon für den Rest des Jahres in Vorleistung gegangen sei.

Adelheid Harms-Prions und Rüdiger Goebel leiten gemeinsam den Bürgerbusverein HMR in Essen.
Adelheid Harms-Prions und Rüdiger Goebel leiten gemeinsam den Bürgerbusverein HMR in Essen. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Der Bürgerbus HMR war entstanden, nachdem 1997 die Wienenbuschbrücke zwischen Frohnhausen und Fulerum abgerissen und dann neu gebaut worden war. Weil die wichtige Verbindung so über Jahre fehlte, hatte die Essener Verkehrs AG (heute Ruhrbahn) eine Buslinie installiert, die bis zur Wittekindstraße in Rüttenscheid und damit in die Nähe des Alfried-Krupp-Krankenhauses fuhr, berichtet Rüdiger Goebel. Als die neue Brücke 1999 eingeweiht wurde, sah die Evag keine Notwendigkeit mehr, die Linie aufrecht zu erhalten.

Gründungsväter des Bürgerbusses mussten viele Verhandlungen führen

Hans Zilles und seine damaligen Mitstreiter Michael Gara und der inzwischen verstorbene Dieter Pfaff beschlossen damals, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die Fahrstrecke zu erhalten. Viele Haarzopfer nutzen die Verbindung für Kontrolluntersuchungen und Therapien im Krupp-Krankenhaus oder Behandlungen im Alfredusbad, weiß Goebel. Die Bewohner der Margarethenhöhe fahren zudem gern mit dem Bus gern zum Einkaufen in die Neue Mitte Haarzopf. „Immer ein Taxi zu nehmen, ist für viele zu teuer“, so Rüdiger Goebel. Die Fahrt mit dem Bürgerbus koste hingegen nur 1,50 Euro für die Kurz- und 2,50 Euro für die Langstrecke. Viele nutzten auch ein 10-Euro-Ticket, mit dem man für 14 Euro fahren könne.

Für ihr Projekt hätten die drei Gründungsväter den Bürgerbus Kettwig zum Vorbild genommen, den es damals bereits gab. Der Bürgerbus HMR fährt 365 Tage im Jahr, an Feiertagen wie Weihnachten und Neujahr allerdings verkürzte Schichten. Für seine Fahrt braucht der Bürgerbus rund eine Stunde, es gibt 20 Haltepunkte pro Strecke. „Vormittags ist er meist pünktlich, nachmittags steht er auf der Hatzper Straße oft im Stau, da kann es schon mal zu zehn Minuten Verspätung kommen“, so Adelheid Harm-Prions. Eine Schicht dauert vier Stunden, wie viele Einsätze ein Ehrenamtlicher fährt, entscheidet er oder sie selbst.

Die Haltestellen des Bürgerbusses in Essen sind gut erkennbar. Es gibt 20 davon.
Die Haltestellen des Bürgerbusses in Essen sind gut erkennbar. Es gibt 20 davon. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Derzeit hat der Bürgerbusverein ein reguläres Fahrzeug, das acht Fahrgäste mitnehmen kann, dazu ein Ersatzauto und ein weiteres für private Einsätze wie Kirchen-, Schüler-, Behinderten- oder Seniorenfahrten. Der Umsatz liegt laut Goebel bei 60.000 Euro im Jahr. Der Verein müsse Reparaturen, Versicherungen, Sprit, Winterreifen, Steuerberater und vieles mehr bezahlen, finanziere zudem die Fahrerlaubnis für die Ehrenamtlichen sowie die jährliche ärztliche Untersuchung, bei der vor allem Hör- und Sehvermögen getestet würden.

Verein will die Digitalisierung vorantreiben

Fahrdienstleiter Rainer Stock koordiniert die Fahrten, überzeugt sich bei Wintereinbrüchen von der Befahrbarkeit der Strecke, teilt die Fahrer ein und bringt ihnen bei Bedarf Nachschub an Fahrkarten. „Wenn um 5 Uhr morgens jemand krankheitsbedingt absagt, springt er notfalls selbst ein“, berichtet die Vorsitzende. Bisher laufe in Sachen Organisation vieles per Telefon oder Mail ab. Für die Zukunft will sich der Verein aber bei Dienstplan und Fahrkartenverkauf digital aufstellen. „Das würde vor allem den Fahrdienstleister entlasten“, so Goebel.

Und es gibt eine weitere Vision: Der Verein will mit dem Unternehmen RWE über die Anschaffung eines E-Busses sprechen. Ein solches Fahrzeug wäre wünschenswert, es gebe aber noch Fragen zu klären. „In ländlichen Gegenden mit einer Strecke von 80 Kilometern am Tag ist das kein Problem, aber hier beträgt die Tagesstrecke 240 Kilometer, da wird es schon schwierig“, so der Geschäftsführer. Auch die größere Breite eines Elektrofahrzeugs könne zu Problemen in den engen Straßen der alten Margarethenhöhe führen.

Kontakt: Rüdiger Goebel, oder www.buergerbus-essen-hmr.de oder 0172 2702623.

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