Essen-Haarzopf. Viel Lob erntet das 9-Euro-Ticket: Für den Bürgerbusverein Essen-Haarzopf hat es aber auch Nachteile, die dem neuen Vorstand Sorgen bereiten.

  • Seit 2005 fährt der Bürgerbus zwischen Haarzopf und Rüttenscheid.
  • Derzeit stellt das 9-Euro-Ticket den Verein vor Probleme.
  • Die Verlängerung der Linie liegt auf Eis.

Der Bürgerbusverein Essen-Haarzopf-Margarethenhöhe-Rüttenscheid hat sich personell neu aufgestellt. Der neue Vorstand unter der Führung der Vorsitzenden Adelheid Harms-Prions (72) und Geschäftsführer Rüdiger Goebel (67) tritt in einer für den Verein sehr schwierigen Zeit an. Das 9-Euro-Ticket sorgt für massive Umsatzverluste, die angedachte Verlängerung der Bürgerbuslinie nach Schuir liegt erstmal auf Eis.

Seit 2005 ist der Bürgerbus zwischen Haarzopf und dem Rüttenscheider Alfried-Krupp-Krankenhaus unterwegs und ergänzt damit das Angebot der Ruhrbahn. Der Verein nähert sich inzwischen der Fahrgastzahl von 350.000. Initiiert und gegründet wurde der Bürgerbusverein 2003 von Hans Zilles. Der Haarzopfer Rechtsanwalt hatte bisher den Vorsitz inne und kandidierte jetzt nicht mehr für das Amt. Er wird dem Verein aber weiter beratend zur Verfügung stehen.

Das 9-Euro-Ticket stellt den Essener Bürgerbusverein vor Probleme

Der neue Vorstand tritt in große Fußstapfen und hat mit der aktuellen Lage zu kämpfen. „Jetzt zu starten, ist eine echte Herausforderung, die wir aber meistern werden“, gibt sich Rüdiger Goebel dennoch optimistisch. Ende Mai hat er sich entschlossen, nicht nur ehrenamtlich den Bürgerbus zu steuern, sondern auch im Vorstand mitzuarbeiten – wenige Tage, bevor sich durch die Einführung des 9-Euro-Tickets für den Verein vieles änderte.

„Seitdem hat sich die Zahl der Fahrgäste mehr als verdoppelt, aber die Einnahmen gehen gen null – und das bei massiv steigenden Dieselpreisen“, so der Geschäftsführer. „Natürlich freuen wir uns dennoch über mehr Nutzer, zumal wir den Eindruck haben, dass das Angebot sehr gern angenommen wird und gerade für ältere Menschen wichtig ist.“

Das Ticket für den Bürgerbus kostet je nach Fahrstrecke zwischen 1,50 und 2,50 Euro. „Ohne die Sponsoren, die Werbung auf dem Bus buchen, hätten wir den Betrieb vielleicht schon vorübergehend einstellen müssen.“ Jetzt warte man gespannt, ob es eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket geben werde.

Hans Zilles, Initiator und Gründer des Haarzopfer Bürgerbusses, hatte sich nicht mehr für das Amt des Vereinsvorsitzenden zur Verfügung gestellt.
Hans Zilles, Initiator und Gründer des Haarzopfer Bürgerbusses, hatte sich nicht mehr für das Amt des Vereinsvorsitzenden zur Verfügung gestellt. © FUNKE Foto Services | Ulrich von Born

Da der Bürgerbus ein Angebot des öffentlichen Nahverkehrs sei, könne er mit dem Ticket genutzt werden. „Im Juni und Juli hatten wir je 35 Euro an Einnahmen, im August bisher fünf Euro“, berichtet Goebel. Über die Ruhrbahn gebe es vom Land zwar eine Ausgleichszahlung für die entgangenen Einnahmen, aber es könne dauern, bis das Geld eintreffe. Der Haarzopfer Bürgerbus sei besonders betroffen: „Wir sind quasi der einzige von 144 Bürgerbussen in NRW, der mitten durch die Großstadt fährt. Deshalb haben hier viele das 9-Euro-Ticket, in ländlichen Gebieten fahren mehr Leute mit dem Auto“, so die Vorsitzende.

Der neue Vorstand will vor allem jüngere Mitglieder und Fahrer werben

In den kommenden zwei Jahren möchte der Vorstand neue und besonders jüngere Mitglieder gewinnen – als Fahrerinnen und Fahrer und für die Mitarbeit im Vorstand. „Viele Vereine haben ja wie wir das Problem, dass kaum noch jemand Verantwortung übernehmen will“, sagt der gebürtige Holsterhauser Goebel, der seit zweieinhalb Jahren in Haarzopf wohnt. Adelheid Harms-Prions will als Vorsitzende nur zwei Jahre im Amt bleiben. Die heute 72-Jährige war vorher zehn Jahre Geschäftsführerin. „Zwölf Jahre Vorstandsarbeit müssen reichen“ sagt sie.

Monatliches Fahrertreffen

Einmal im Monat findet ein Fahrertreffen zum gegenseitigen Austausch statt. Jährlich gibt es ein Fahrerfest, bei dem die Ehrenamtlichen und ihre Partner zum Essen eingeladen werden. Beim nächsten Fest im Oktober wird der langjährige Vorsitzende Hans Zilles offiziell verabschiedet.

Wer sich für die Mitarbeit beim Bürgerbusverein interessiert, kann sich an Rüdiger Goebel wenden: 0172 270 26 23, 0201 319 70 66 oder per E-Mail:

Eigentlich wollte sie nach ihrer Pensionierung als Lehrerin an der Förderschule des Franz-Sales-Hauses den Bürgerbus fahren, bestand aber den erforderlichen Sehtest nicht. „Ich wollte mich für den Bürgerbus engagieren, weil meine inzwischen verstorbene Mutter regelmäßig mit dem Bürgerbus gefahren ist, um im Krupp-Krankenhaus das Bewegungsbad der Rheuma-Liga zu nutzen“, blickt die Vorsitzende zurück.

Der Bürgerbus ist zwischen Haarzopf und Rüttenscheid unterwegs.
Der Bürgerbus ist zwischen Haarzopf und Rüttenscheid unterwegs. © HO

Auch Rüdiger Goebel, der Geschäftsstellenleiter bei der AOK war, hatte sich vor zwei Jahren mit Eintritt in den Ruhestand entschlossen, den Bürgerbus zu fahren. Jetzt engagiert er sich zusätzlich im Vorstand gemeinsam mit Adelheid Harms-Prions, dem zweiten Vorsitzenden Claus Einowsky und Schatzmeister Rolf Groeger.

Übernehmen im Vorstand des Bürgerbusvereins Essen-Haarzopf jetzt Verantwortung: Adelheid Harms-Prions als Vorsitzende und Rüdiger Goebel als Geschäftsführer.
Übernehmen im Vorstand des Bürgerbusvereins Essen-Haarzopf jetzt Verantwortung: Adelheid Harms-Prions als Vorsitzende und Rüdiger Goebel als Geschäftsführer. © Elli Schulz

Der Bürgerbusverein hat derzeit 75 Mitglieder und 36 Fahrer. Zwischenzeitlich habe es vier Fahrerinnen geben, jetzt habe sich die letzte von ihnen für eine Radtour um die Welt für längere Zeit verabschiedet. Auch der Altersschnitt sei hoch. „Ich gehöre mit 67 zu den Jüngsten“, sagt Rüdiger Goebel und hofft, dass sich das künftig ändern wird. Niemand muss sich für längere Zeit verpflichten, jeder kann die Termine, an denen er fahren möchte, in einen Plan eintragen. „Wenn kurzfristig jemand krank wird, kümmert sich Fahrdienstleiter Rainer Stock um Ersatz oder fährt notfalls selbst“, so Adelheid Harms-Prions. Derzeit sei der Bedarf an Fahrern groß, da es coronabedingt immer wieder zu Ausfällen komme.

Als Fahrer bekommt man schnell Kontakt zu den Fahrgästen

„Man knüpft viele Kontakte“, weiß Rüdiger Goebel aus Erfahrung. Er höre oft bewegende Geschichten. „Wir haben viele Stammfahrgäste, die zum Beispiel über lange Zeit ins Krupp-Krankenhaus zu Behandlungen fahren.“

Wer Fahrer werden will, muss eine medizinische Untersuchung mit Hör- und Sehtest absolvieren, eine entsprechende Fahrerlaubnis und ein Führungszeugnis beibringen. Die Kosten übernimmt der Bürgerbusverein für die Ehrenamtlichen, die keine besondere Prüfung ablegen müssen. „Wir wollen künftig unser Angebot auch in den sozialen Medien bekannter machen“, erklärt Rüdiger Goebel. Viele junge Leute wüssten gar nicht, dass man mit dem Bürgerbus ganz bequem nach Rüttenscheid fahren könne.