Essen. Nach den Ausschreitungen in der vergangenen Silvesternacht wurden die Rufe nach feuerwerkfreien Orten in der Stadt laut. Das ist das Ergebnis.
Der Rauch der vergangenen Silvesternacht mit Randale und Angriffen auf Einsatzkräfte hatte sich noch nicht ganz verzogen, da stand die Forderung der Essener Sozialdemokraten für den nächsten Jahreswechsel schon im Raum: Böller-Verbotszonen dürften nicht länger ein Tabu in Essen sein, hieß es nicht zum ersten Mal aus den ordnungspolitischen Reihen der SPD-Ratsfraktion. Die Verwaltung sollte dies mit Blick auf die Feuerwerk-Hotspots in der Stadt prüfen.
Nun ist klar und wenig überraschend: Ein punktuelles Veto für das Abbrennen von Pyrotechnik wird es auch zur nächsten Jahreswende nicht geben. Dies bestätigte Ordnungsdezernent Christian Kromberg (CDU) am Montag auf Anfrage dieser Zeitung.
Es war erwartbar: Schon in der Vergangenheit hatte der städtische Beigeordnete die Überzeugung vertreten, dass Verbotszonen das Problem nur an andere Orte verdrängen. Die Überwachung der Sperrgebiete sei zudem personalintensiv. Man setze gemeinsam mit der Polizei lieber auf Präsenz in der Fläche, als bestimmte Plätze zu sperren und zu kontrollieren. Im Gegensatz zu anderen Städten gebe es in Essen nicht den einen oder anderen zentralen Ort, an denen sich die Menschen zum Jahreswechsel tummeln könnten, sondern gleich mehrere davon.
Behörden arbeiten an einem gemeinsamen Konzept
Die FDP-Fraktion ergänzte: „98 Prozent der Bevölkerung verhält sich gesetzeskonform und feiert friedlich den Jahresbeginn. Wir sind ganz klar dagegen, dass die Allgemeinheit für das Verhalten einiger weniger Chaoten und Randalierer bestraft wird“, hieß es als Reaktion auf den SPD-Vorstoß.
Um denkbare Vergehen an Silvester besser dokumentieren und konsequenter ahnden, aber auch die Einsatzkräfte besser schützen zu können, arbeiten Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt aktuell an einem gemeinsamen Konzept, bei dem neben den Sicherheitsaspekten und der Strafverfolgung auch Prävention eine große Rolle spielen soll. Einzelheiten dazu werden erst bekanntgegeben, wenn die Beratungen beendet sind.
Nach dem schlagzeilenträchtigen Jahreswechsel 2022/2023 gehen die Behörden davon aus, dass es das Ziel der Randalierer sei, herauszufinden, welche Jugendgang in welchem Quartier am heftigsten über die Stränge schlagen und die schockierendsten Filme davon aufnehmen kann, um sie im Internet zu verbreiten. „Diese Challenge über soziale Medien, die ist neu“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen, nachdem erste Erkenntnisse und Ermittlungsergebnisse nach den Ausschreitungen insbesondere in Huttrop, in Kray und im Bergmannsfeld auf dem Tisch lagen.
Die sozialen Kanäle genauer im Blick haben
Deshalb bereite man sich nun gemeinsam darauf vor, die sozialen Kanäle genauer zu beobachten, und schon im Verdachtsfall gezielt auf Familien und Jugendgruppen zuzugehen, um nicht gewollte Verabredungen an bestimmten Orten innerhalb des Stadtgebiets zu verhindern. Erkenntnisse sollen möglichst ohne Zeitverzug allen relevanten Institutionen zur Verfügung gestellt werden. Das müsse besser funktionieren als beim vergangenen Mal.
Kufen hofft zudem auf eine abschreckende Wirkung direkter Ansprachen: Man müsse denjenigen, die provozieren wollen, „zeigen, dass wir sie kennen und ihnen deutlich machen, dass sie zu einer Party eingeladen haben, die wir nicht wollen“, sagte der OB.
Eine Bestandsaufnahme der Krawalle spielte zuletzt in einem Prozess gegen Mohammed E. eine Rolle, der der versuchten gefährlichen Körperverletzung angeklagt war, nachdem er in Kray einen Feuerwerkskörper in Richtung eines Polizisten geworfen hatte. Beamte berichteten vor Gericht, Knallkörper wurden extra unter Autos gezündet, an zwei Bahnhöfen Ticket-Automaten in die Luft gesprengt, im Hörsterfeld und im Südostviertel bewarfen sich Bürger gegenseitig mit Böllern, Verkehrsschilder wurden in die Luft gesprengt. Polizisten sagten aus, wie ihnen und ihren Kollegen und Kolleginnen ständig die Böller um die Ohren geflogen seien.
Video über ein Hinweisportal der Polizei hochgeladen
Erstmals hatte die Polizei Essen nach einem Jahreswechsel ein Hinweisportal eingerichtet, über das Zeugen anonym Handyvideos hochladen konnten. So erreichten die Behörde auch die Aufnahmen, die Mohammed E. beim Knallerwurf zeigten. Der 24-Jährige bekam neun Monate auf Bewährung, außerdem muss er nach dem Willen der Justiz 100 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.