Essen. In der Casa hatte eine Bühnenfassung nach dem Kinderbuch „Die große Wörterfabrik“ Premiere. Warum in erster Linie Erwachsene applaudierten.

Es gibt schöne Wörter und Schimpfwörter, belanglose und bedeutungsschwangere Wörter, gehobene und abgrundtiefe Wörter, starke und schwache Wörter. Wir lernen sie meistens als Kind und benutzen sie ganz selbstverständlich bis zum Ende unseres Lebens. Nicht so in dem mehrfach ausgezeichneten Bilderbuch „Die große Wörterfabrik“ von Agnès de Lestrade. Nach seiner Vorlage haben Sanja Frühwald (Regie) und Till Frühwald (Konzept) von VRUM - Performing Arts Collective eine Bühnenfassung entwickelt, die jetzt in der Casa des Schauspiel Essen Premiere hatte.

Von Kindern aufgenommene Wörter ertönen im Stück

Schlüpfen in die unterschiedlichsten Rollen: Silvia Weiskopf, Philipp Noack sowie Pablo Alvarado (hinten) in „Die große Wörterfabrik
Schlüpfen in die unterschiedlichsten Rollen: Silvia Weiskopf, Philipp Noack sowie Pablo Alvarado (hinten) in „Die große Wörterfabrik" nach Agnès de Lestrade. © birgit hupfeld

Im Foyer der Casa ist der Geräuschpegel so hoch wie selten. Für Menschen ab vier Jahren, die mit Eltern, Elternteilen oder Großeltern den Raum füllen, beginnt das Spiel bereits hier. In der Bastelecke können Wörter auf Papierschnipseln zusammengeklebt, an einem Rohr mit Mikrofon Wörter aufgenommen werden. Die ertönen dann später im Stück aus einem Lautsprecher: „Lasagne“, „Pferd“, „Freunde“, „Schweinekröte“, „Gold“. Mitmachen und sich wiederfinden gehört zum Konzept von VRUM.

In dem Land der Wörterfabrik, die sie auf die Bühne bringen, stellen Roboter in dunkler Kleidung mit leuchtenden Schuhen und ebensolchen Brillen (Kostüme, Bühne: Claudia Kalinski) Wörter aus Schaum her. In die mit Eingangs- und Ausgangslöchern bestückte graue Fabrikwand tauchen sie ein und kommen als Seifenblasen heraus. Zwischendrin leuchtet Schrift auf: „Fremdwörter im Sale“ oder „Schimpfwörter im Outlet“.

Weit weniger als im Buch existiert hier eine Sprache, die erzählt oder erklärt. Dass sich in diesem Land nur vermögende Leute Sprache leisten können, weil die passenden Worte gekauft werden müssen, und Mittellose auf der Straße danach suchen, wird für junge Zuschauende nur schwerlich klar. Und damit, was arm und reich bedeutet, welchen Wert Sprache für unsere Kommunikation hat und dass der mit Geld nicht zu bezahlen ist.

Manche Botschaft geht im Bewegungstheater unter

Mit detailverliebten Choreographien in einem witzigen bis berührenden Bewegungstheater und den ausdrucksstarken Schauspielern Philipp Noack, Silvia Weiskopf und Pablo Alvarado, Absolvent der Folkwang Universität, in den verschiedensten Rollen kann Sanja Frühwald die Kinder in ihren Bann ziehen. Es ist erstaunlich still im Zuschauerraum, bis auf die Lacher, die immer wieder zu hören sind. Sie amüsieren sich prächtig.

Auch wenn die eine oder andere Botschaft in der abstrakten Körpersprache die Zielgruppe nicht erreicht, die Liebe zwischen Marie und Paul kommt an. Da kann der Oskar, Sohn wohlhabender Eltern, noch so lange Sätze bilden und noch so viele Geschenke aus Schaum anschleppen, Spaß und Spiel und echte Zuneigung hat er nicht zu bieten. Marie weiß genau, für wen sie sich entscheidet. Sie drückt Paul einen dicken Kuss auf die Wange und das versteht dann jeder.

„Die große Wörterfabrik“ als Buch und Theaterstück

Das poetische Bilderbuch „Die große Wörterfabrik“ von Autorin Agnès de Lestrade und Künstlerin Valeria Docampo kam 2012 heraus, wurde mit zahlreichen Preisen bedacht und in mehr als 30 Sprachen übersetzt.

Als Lesealter wird vier bis sieben Jahre empfohlen, mixtvision Mediengesellschaft mbH, 40 Seiten, 9,95 €.

Das Kinderstück „Die große Wörterfabrik“ in der Casa des Schauspiel Essen ist ebenfalls für Menschen ab vier Jahre gedacht und dauert 50 Minuten ohne Pause. Weitere Termine: 29. Oktober, 12., 26. November.

Karten unter 0201 8122 200 oder auf www.theater-essen.de.

Wer mehr vermitteln möchte, sollte das Buch vorher mit den Kindern lesen. Der Hinweis zum Stück „Language no problem“ ist nicht allgemeingültig, die Inszenierung nicht selbsterklärend. Die Erwachsenen applaudierten am Schluss kräftig. Die Kinder konnten das Verbeugungsritual gar nicht abwarten und stürzten sich auf die Schaumreste am Boden. Sie luden zum Spielen ein. Die anschließende Kinderdisco, eigentlich als Premierenfeier gedacht, ging weitgehend leer aus.

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