Essen. Selen Kara und Christina Zintl stellen Spielplan für das Schauspiel Essen vor. Die Doppelspitze bietet Überraschungen für die Saison 2023/ 24.

Nicht nur das Leben ist eine Baustelle, auch das Schauspiel Essen. Ein „Neues Deutsches Theater - under Construction“ haben die neuen und ersten regulären Intendantinnen des Schauspiel Essen, Selen Kara und Christina Zintl, ausgerufen. Was heißen soll: Das gibt es noch nicht. Es ist im Bau befindlich. Aber ein Anfang ist gemacht. Mit der Idee, Menschen ins Theater holen zu wollen, die bisher nicht bedacht wurden, soll ein „Theater für alle“ entstehen - wohl wissend, dass das ein Prozess ist. Welche Bausteine dafür angedacht sind, zeigt der Spielplan für die Saison 2023/ 2024, der insgesamt vierzehn Produktionen umfasst.

Auf den ersten Blick bleibt kein Stein auf dem anderen. Die freie Regisseurin und die Dramaturgin, die zuletzt am Staatstheater Darmstadt arbeitete, starten zwar mit klassischen Stoffen und doch anders als gedacht. „Wir interessieren uns auch für die Suche nach Neuem im Bekannten“, betont Selen Kara, die für „Doktormutter Faust“, eine feministische Überschreibung von Goethes Meisterwerk, die preisgekrönte Autorin Fatma Aydemir („Dschinns“) gewinnen konnte.

Klassiker und zeitgenössische Dramatik gehören zur Spannbreite

Es folgt eine große Spannbreite an Themen und Erzählformen, die von jener Klassikerbearbeitung, den reinen Klassiker, über zeitgenössische Dramatik und teilhabender Stückentwicklung bis zum Liebesdrama für Roboter reicht. So bleibt „Der gute Mensch von Sezuan - die Ware Liebe“ nah dran an Brechts Vorgaben in der Inszenierung der israelischen Regisseurin Sapir Heller. Der renommierte Armin Petras hat die Theateradaption von Thomas Vinterbergs Film „Rausch“ übernommen. Beide arbeiten erstmals am hiesigen Schauspiel. Ebenso wie Caner Akendiz, der in „(Making) Woyzeck“ Büchners Tragödie auf den Bezug zu unserer heutigen Gesellschaft untersucht und damit die in Ada (nach der Computerprogramm-Pionierin Ada Lovelace) umbenannte Heldenbar zur Wirkungsstätte für kleinere Formate und Experimente einweiht.

Zu den neuen Werken zählen „Jeeps“ und mit non-existent“ ein Stück der Stunde. Rafael Sanchez, der bei Anselm Weber im Grillo-Theater mit „Tartuffe“ punktete, bringt die Turbo-Komödie „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud auf die Bühne. Sie war bei den Mülheimer Stücken im vergangenen Jahr dabei. Andreas Merz-Raykov widmet sich dem Auftragswerk „non-existent“, mit dem sich die ukrainische Dramatikerin Natalja Vorozhbyt in Essen vorstellt. Sie verhandelt das Leben und die Liebe von drei Frauen verschiedener Generationen in Zeiten des Krieges.

Neun vertraute Schauspieler bleiben, neun neue kommen dazu

Aber nicht alles ist nagelneu, manches noch vertraut. So wurde ein 18-köpfiges Ensemble vorgestellt, zu dem neun Schauspieler aus dem bisherigen Team (von Jan Pröhl über Sabine Osthoff bis Ines Krug) gehören und neun neu engagierte, darunter Bettina Engelhardt, die auch in der Weber-Intendanz dabei war. „Showtime“, ein Monolog über den Theaterbetrieb von Felix Krakau, war bereits in Darmstadt zu sehen. Auch das Format des Familienstücks bleibt neben Kinderstücken bestehen. Selen Karas Inszenierung von „Die rote Zora und ihre Bande“ hatte 2019 am Theater Bremen Premiere und wird mit dem Essener Ensemble für das Grillo-Theater adaptiert. „Nessun Dorma“, ein musikalischer Abend für zwei Roboter, wurde schon beim Festival Kontakte in Berlin aufgeführt.

Diese Produktion verbindet gleich zwei Schwerpunkte dieser Spielzeit: die Digitalisierung und die Musik. Für den musikalischen Leiter Torsten Kindermann kommt sie besonders beim Anspruch „Theater für alle“ zum Tragen. Denn die Töne heben sich über Sprachbarrieren hinweg, wie bei dem mobilen Projekt „Stadtmusikanten“, das Grundschulen und Altersheime angeboten wird, und dem Jugendprojekt „Star - Crossed Lovers“. Als erster Artist in Residence des Schauspiels entwickelt der erfolgreiche Autor und gebürtige Essener, Akın Emanuel Şipal, mit Jugendlichen aus dem Essener Norden ein Stück über Romeo und Julia in Katernberg basierend auf Shakespeares Drama.

Wer neues Publikum zu gewinnen, Vielfalt auf der Bühne und im Zuschauerraum ermöglichen will, muss den Stadtraum Essen sehr genau erkunden und auf die Menschen zugehen. Mitmachen bei diversen Projekten wie „Mein Blutbuch“ mit dem Stadt-Ensemble Plus ist ein Baustein, der den Weg in das Theater von Selen Kara und Christina Zintl ebnen soll. Ein anderer ist en passant Zusehen, wenn das Trio ACE bei der Performance „Einkaufsstadt, 4300“ Essenerinnen und Essener zu einer Zeitreise in den Glanz ihrer vergangenen Jahrzehnte einlädt.

Die Premieren der kommenden Saison

Grillo-Theater

Doktormutter Faust (UA)

Von Fatma Aydemir

Regie: Selen Kara

Premiere: 9.09.2023

Der gute Mensch von

Sezuan - Die Ware Liebe

Regie: Sapir Heller

Premiere: 16.09.2023

Rausch (DE)

Regie: Armin Petras

Premiere: 23.09.2023

Die rote Zora und ihre

Bande

Familienstück

Regie: Selen Kara

Premiere: 12.11.2023

Jeeps

Regie: Rafael Sanchez

Premiere: 21.01.2024

Star-Crossed Lovers (UA)

Regie: Frank Abt

Premiere: 13.04.2024

Casa

Showtime

Regie: Felix Krakau

Premiere: 30.09.2023

Die große Wörterfabrik

Regie: Sanja Frühwald

Premiere: 21.10.2023

non-existent (UA)

Von Natalja Vorozhbyt

Regie Andreas Merz-Raykov

Premiere: 24.02.2024

Mein Blutbuch

Vom Stadt-Ensemble Plus

Regie: Aline Bosselmann

Premiere: Juni 2024

Ada

(Making) Woyzeck

Regie: Caner Akdeniz

Premiere: 04.11.2023

Nessun Dorma

Von Elsa-Sophie Jach, Thea Hoffmann-Axthelm, Markus Schubert, Sebastian Arnd,

Premiere: 25.11.2023

Stadtraum

Einkaufsstadt, 4300

Performance von Trio Ace

Regie: Alia Luque

Premiere: 08.03.2024

Stadtmusikanten

Mobile Produktion

Regie: Brigitte Dethier

Premiere: 24.05.2024

Der Kartenvorverkauf für den September startet am 10. Juni unter 0201/ 8122 200 oder online auf www.theater-essen.de

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