Essen. An der Rüttenscheider Straße gärt es, seit Pläne zur Sperrung publik wurden. Einzelhändler wollen mobil machen – im Internet und auf der Straße.

Die Ankündigung der Stadt, den Verkehrsverlauf auf der Rüttenscheider Straße an vier Stellen teils drastisch zu verändern, hat zahlreiche Einzelhändler in Rüttenscheid alarmiert und empört. Neben einer Petition im Netzwerk Facebook – Titel: „Finger weg von unserer Rü!“ –, planen die Kaufleute am Samstag, 28. Oktober eine Demonstration auf der Rüttenscheider Straße. Die Details sind noch offen, die genaue Route wird derzeit mit der Polizei abgestimmt.

Es geht um mehr als nur darum, ein Zeichen zu setzen: „Unser Ziel ist ganz klar, die Pläne zu stoppen“, sagt Ralph Cremer, geschäftsführender Gesellschafter des Modegeschäfts Edelguth, der als Veranstalter auftritt. „Die Rüttenscheider Straße funktioniert so, wie sie ist, ich sehe keinen Handlungsbedarf für so drastische Maßnahmen.“ Wie berichtet, will die Stadt im zentralen Bereich der Rü eine Einbahnstraßenregelung einführen, und zwar von der Kreuzung Martinstraße/Franziskastraße in Fahrtrichtung „Rüttenscheider Stern“ (Zweigertstraße/Klarastraße).

Die geplanten Maßnahmen der Stadtverwaltung auf einen Blick: Abbiegezwänge im Norden (links) und im Süden der Rü, eine Einbahnstraße im zentralen Bereich zwischen Martinstraße und „Stern“ sowie eine zeitlich begrenzte Sperrung der Straße zwischen Zweigertstraße und Bertoldstraße sollen 2024 umgesetzt werden.
Die geplanten Maßnahmen der Stadtverwaltung auf einen Blick: Abbiegezwänge im Norden (links) und im Süden der Rü, eine Einbahnstraße im zentralen Bereich zwischen Martinstraße und „Stern“ sowie eine zeitlich begrenzte Sperrung der Straße zwischen Zweigertstraße und Bertoldstraße sollen 2024 umgesetzt werden. © funkegrafik nrw | Anna Stais

Ferner sind Einfahrverbote bzw. Abbiegezwänge von der Huyssenallee auf die Rü im Norden und in Höhe Manfredstraße im Süden vorgesehen. Freitags und samstags und am Tag vor Feiertagen soll es zwischen „Stern“ und Bertoldstraße außerdem eine komplette Durchfahrtssperre für Autos zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens geben.

Mobilisierung der Einzelhändler auf der Rüttenscheider Straße läuft

Ralph Cremer hat die Boutique Edelguth erst im Frühsommer an der oberen Rü in Höhe Joseph-Lenne-Straße eröffnet. Das aufwendig sanierte Ladenlokal in einem Altbau-Eckhaus stand jahrelang leer, nachdem ein Sonnenstudio aufgegeben hatte. Nach eigenen Angaben hat Cremer rund ein Dutzend weitere Einzelhändler und Dienstleister in seiner Umgebung gefragt, was sie von den geplanten Maßnahmen der Stadt halten. „Alle waren einhellig der Meinung, dass das schlecht für ihre Erreichbarkeit ist und dass hier etwas grundsätzlich falsch läuft.“ Und alle hätten spontan zugesagt, bei Protesten dabei zu sein. Die Anfragen zur Mobilisierung wolle er weiter fortsetzen.

Mit Abneigung gegenüber Fahrradfahrern habe dies nichts zu tun. Aber die Maßstäbe dürften nicht verrutschen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass auf der Rü alles drunter und drüber geht.“ Sicher gebe es Staus, aber nach Angaben der Polizei sei die Rü absolut kein Unfallschwerpunkt. „Ich habe bei unserem Polizisten vor Ort nachgefragt, es gab in den letzten Jahren keine Unfälle, bei denen Fahrradfahrer verletzt worden wären“, sagt Ralph Cremer. Die Fahrradstraße Rü könne man sicherlich punktuell verbessern, aber nicht so rabiat zulasten der viel größeren Gruppe der Autofahrer. Zudem könne niemand voraussehen, ob die jetzt von der Stadt vorgestellten Maßnahmen nicht erst der Anfang seien, und weitere Verkehrsberuhigungen folgten, die dann noch mehr Schaden anrichten würden.

Für die geplante Demo sind 200 Teilnehmer angemeldet

Radfahrer, Autofahrer und ein Segwayfahrer auf der Rüttenscheider Straße, die als „Fahrradstraße“ ausgewiesen ist. So vergleichsweise harmonisch geht es indes nicht immer zu.
Radfahrer, Autofahrer und ein Segwayfahrer auf der Rüttenscheider Straße, die als „Fahrradstraße“ ausgewiesen ist. So vergleichsweise harmonisch geht es indes nicht immer zu. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Für seine Demo, die er strikt überparteilich halten will, hat Cremer 200 Teilnehmer angemeldet. „Das ist nur geschätzt, ich habe keine Ahnung, wie viele Menschen sich angesprochen fühlen.“ Nach seiner Vorstellung soll sich der Demonstrationszug vor der Grugahalle versammeln und dann die komplette Rü entlang laufen, die von der Polizei dann abschnittsweise gesperrt werden müsste. Auch den Start eines Bürgerbegehrens hält Cremer für denkbar, hier müsse aber noch die rechtliche Möglichkeit geprüft werden.

Erste Boykottdrohung hat der Rü-Geschäftsmann auch bereits erhalten

Für Geschäftsleute ist politisches Engagement dieser Art nicht ohne Risiko, das spürt auch Ralph Cremer bereits: Er veröffentlichte selbst im Netzwerk Facebook die Boykottdrohung eines Rüttenscheider Bürgers, der ankündigte, seine Frau und deren Schwester würden nicht mehr bei Edelguth kaufen, weil man die Meinung und Aktivität des Geschäftsführers zur Rü strikt ablehne. Cremer ist nicht der erste Rüttenscheider Einzelhändler oder Gastronom, der von solchen Einschüchterungsversuchen berichtet. „Ich werde mich dadurch aber nicht beirren lassen.“ Mut mache ihm neben der Unterstützung von Kollegen auch, dass seine Petition bereits von mehreren Hundert Bürgern gezeichnet worden sei.

Unterstützung hat auch der Immobilieninvestor und Gewerbemakler Eckhard Brockhoff zugesagt, dem unter anderem mehrere große Objekte an der Rüttenscheider Straße gehören – etwa am „Stern“ die großen Gebäudekomplexe RÜ 62 und RÜ Karree. „Ich bin erschrocken, mit welcher Naivität die Politiker und Planer, die sich mit dem Konzept der (teilweisen) Verkehrsberuhigung beschäftigen, an die Sache rangehen“, so Brockhoff. „Die vorgelegten Pläne sind unausgegoren und werden die Rü genauso verkümmern lassen wie die Innenstadt.“

Investor Eckhard Brockhoff fürchtet ein „Ausbluten“ der Rüttenscheider Straße

Was manchen zu stören scheine, sei tatsächlich das „Lebenselixier“ der Straße: „Gerade das belebte und wuselige Treiben, die Kombination aus Fußgänger, Fahrrad und Auto, bilden das Erfolgsrezept der Rü“, betont Brockhoff. Unterbinde man dies, drohe ein „Ausbluten“ bei den Ladenlokalen, der Gastronomie, aber auch den Büros. Letzteres verdiene mehr Beachtung: „Die Rü ist der beliebteste Bürostandort in der ganzen Stadt, und die Büros müssen für Arbeitnehmer und Geschäftskunden erreichbar bleiben.“ Er wundere sich auch, warum die Bewohner in den Nebenstraßen nicht stärker protestieren. Sie werden es laut Brockhof ausbaden, wenn die Rü nur noch über Umwege erreichbar sei.

  • Zwei gegensätzliche Meinungen aus der Redaktion zu den geplanten Maßnahmen auf der Rü: Katrin Böcker findet, dass die Pläne sinnvoll sind, Frank Stenglein warnt vor den möglichen Folgen.