Essen. Das zweite Publikumsforum zur Zukunft der Essener Innenstadt im FUNKE Media Office arbeitet sich an den Themen Einkaufen, Ausgehen und Wohnen ab.
Wie steht es um die Essener Innenstadt? Die Debattenreihe im FUNKE Media Office ging am Montagabend (6. 2.) in die zweite Runde, und erneut zeigte sich ein breites Spektrum an Wahrnehmungen und Meinungen mit allerdings nur wenig neuen Erkenntnissen. Es blieb meist bei Problembeschreibungen. Konsens gab es auch, allerdings auf eher allgemeinem Niveau: Als reine Einkaufsstadt wird die City keine gute Zukunft haben, das ist mittlerweile Allgemeingut. Und: Potenziell habe der Stadtkern eigentlich alles, um zu prosperieren und Menschen anzuziehen, war sich die Runde einig.
Warum es derzeit aber eben nicht so klappt, darüber diskutierten diesmal gleich neun Podiumsteilnehmer aus den verschiedensten Berufsfeldern zum Schwerpunktthema des Tages: „Lebendige City: Arbeiten und einkaufen, leben und ausgehen“ – unter dieses Motto hatte FUNKE Medien NRW, die Stadtverwaltung und die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) als Veranstalter den Abend gestellt.
Immobilienmakler vermisst generell Qualität in der Innenstadt
Immobilienmakler Eckhard Brockhoff versuchte es gleich zu Anfang mit einigen provokanten Thesen. Generell störe, dass man als Konsument zunehmend Qualität vermisse, und zwar sowohl im Einzelhandel als auch in der Gastronomie. „Wenn Sie mal mit einem Geschäftspartner essen gehen wollen, bleibt nur das Steakhouse“, so Brockhoff. Und: „Shisha-Bars haben wir genug, es fehlt eine gute Cocktail-Bar.“ Auch über eine Öffnung der Fußgängerzone für Autos solle nachgedacht werden, denn: „Das Erfolgsgeheimnis der Rüttenscheider Straße ist, dass man mit dem Auto hinfahren kann“, so Brockhoff.
Da hörte man doch ein Raunen im rund 150 Köpfe zählenden Publikum, denn verkehrspolitisch läuft der Trend ja gerade exakt in die andere Richtung, übrigens auch in Rüttenscheid. Mit Deichmann-Manager Kai Szopinski ließ ein anderer Wirtschaftsvertreter dann auch wissen, dass „die Innenstadt weiterhin den Fußgängern gehören“ solle und Deichmann im Übrigen zufrieden sei mit den beiden Filialen in der City. Ob man erwäge, wie andere Schuhhäuser Läden zu schließen, wollte Moderatorin Anna Bartl wissen. Klare Antwort: „Nein“.
Theaterleiter Philipp Stratmann kritisiert „überkritische“ Haltung zur City
Auch Philipp Stratmann, Gastronom und Leiter von Stratmanns Theater im Europahaus, stieß sich an Brockhoffs Aussagen. Es sei reichlich „unsensibel“, in Gegenwart von Gastronomen die City-Gastronomie niederzumachen. Der Kennedyplatz werde als Gastro-Standort von den Innenstadt-Besuchern angenommen, obwohl dort Ketten-Gastronomen das Bild beherrschen. Generell, so Stratmann, werde die Innenstadt „überkritisch“ bewertet, eine These, die auch OB Thomas Kufen im ersten Debatten-Forum am 19. Januar vertrat.
Dass an der Qualitäts-Kritik des Maklers und Immobilien-Investors Brockhoff aber doch etwas dran sein muss, zeigte dann die digitale Zuschauerabstimmung, bei der es darum ging, mit Schlagworten zu verdeutlichen, was in der Innenstadt vermisst wird. „Qualität“ stand dabei als Wunsch ganz oben, auch „Vielfalt“, „Individualität“, „Inhabergeführte Geschäfte“, „Wein-Bars“ und ähnliche öfter genannte Schlagworte zeigten an, was eher fehlt, aber gewünscht wird.
Das Thema Wohnen kommt voran, jedoch kaum im Altbestand
Wer mehr Leben in der Innenstadt will, wird am Wohnen nicht vorbei kommen, seit Jahrzehnten ein schwieriges Thema in Essen. Bis zum Zweiten Weltkrieg war die Innenstadt dicht besiedelt, mit dem Wiederaufbau begann dann die Karriere als „Einkaufsstadt“, die Wohnnutzung ging vor allem in der südlichen City immer stärker zurück, viele Wohnhäuser in der Nord-City veralteten.
Einer, der wieder mehr Wohnen in der Innenstadt möglich machen will, ist Sven van Gelder, Geschäftsführer des Immobilienentwicklers Arsatec. Im Univiertel „Grüne Mitte“ hat Arsatec mit Erfolg investiert, auch wenn ihm „einige in der Branche einen Vogel gezeigt haben“, berichtete der gebürtige Dellwiger beim Innenstadt-Forum. An der Hachestraße unweit des Hauptbahnhofs gelang es ebenfalls, einen neuen Wohnblock gut zu vermarkten, das hat Mut gemacht für mehr.
Skeptisch ist van Gelder allerdings, wenn es darum geht, ehemalige Gewerbebauten und Büros in Wohnraum zu verwandeln. „Wegen der vielen Vorschriften, aber auch aus energetischen Gründen ist das meist nicht möglich.“ Die erzielbare Miete spiele die Umbaukosten schlicht nicht wieder ein. Auch die Koerfer-Gruppe, Eigentümer des Kaufhof-Gebäudes am Willy-Brandt-Platz, habe sich nach einer Prüfung gegen jede Wohnnutzung im neuen „Königshof“ entschieden, so Geschäftsführungsmitglied Daniel Schild.
Ansprechende Wohnumgebung und ein Parkplatz als wichtigste Kriterien
Auch hier war eine digitale Umfrage unter den Veranstaltungsbesuchern interessant, die angeben sollten, was für sie beim möglichen Wohnen in der Innenstadt wichtig wäre. Neben einer ansprechenden Umgebung stand ein Parkplatz fürs Auto ganz oben auf der Wunschliste, noch vor der Qualität der Wohnung selbst. Dies lieferte einen Fingerzeig dafür, weshalb Innenstadtwohnen in Essen vorerst wohl ein Nischenthema bleiben dürfte.
Nicht ohne Grund scheuen auch viele Eigentümer kleinerer Innenstadt-Gebäude weiter davor zurück, die oberen Etagen ihrer Immobilien – wie früher – wieder als Wohnung zu vermieten. Viel Ärger bei wenig Ertrag mag ihre Sorge sein. Angesichts rapide fallender Mieten für die früher extrem lukrativen Ladenlokale im Erdgeschoss, will Eckhard Brockhoff immerhin bei vielen Hausbesitzern ein Umdenken erkannt haben. Folgen konnte ihm auch da aber nicht jeder.
Bleibt ein Ratschlag, den der Rüttenscheider Gastronom Frank Schikfelder allen Innenstadt-Akteuren zum Schluss mit auf den Weg gab: „Nicht so viel auf Gutachten und Studien zur Innenstadt warten, einfach mal machen!“ Er selbst, sagt er, bleibe allerdings lieber in seinem Stadtteil.