Essen. Es gibt kaum ein Theater, das sein Publikum nicht vermehren und verjüngen will. In Essen-Steele treten dafür Felix Sommer und Frank Fuchs an.

Obwohl demnächst drei Versionen von Goethes „Faust“ in Essen am Start sind, fühlt sich Mephisto für die Verjüngung und Vermehrung des Theaterpublikums nicht zuständig. Da müssen die Menschen schon selbst Hand anlegen. Felix Sommer, neuer künstlerischer Leiter des Theater Freudenhaus und Nachfolger von Rainer Besel, entwickelt mit Geschäftsführer Frank Fuchs Ideen, um Zuschauerinnen und Zuschauern den Weg ins Theater zu ebnen.

Goethes Urfaust trifft Ruhrpott: Szene aus dem „Ruhrfaust“ von Gordon Strahl mit Angelo Enghausen-Micaela, Raphael Batzik, Aless Wiesemann und Gina Brand (v.li.).
Goethes Urfaust trifft Ruhrpott: Szene aus dem „Ruhrfaust“ von Gordon Strahl mit Angelo Enghausen-Micaela, Raphael Batzik, Aless Wiesemann und Gina Brand (v.li.). © Theater Freudenhaus

Keine Premieren, kein Umbau, kein ausgetauschtes Ensemble. Im Theater Freudenhaus geht ein Leitungswechsel etwas bescheidener vonstatten als im Stadttheater. Hier möchte man zunächst mit dem Vorhandenen Aufmerksamkeit erregen. „Wir haben tolle Stücke im Programm wie „Stillstand“, „Ab durch die Mitte“, „Ruhrfaust“ oder „Seriengeflüster“. Die Leute müssen es nur erfahren“, sagt Frank Fuchs. Er und Felix Sommer stellen das Ensemble, ihre Pläne und sich selbst bei einem „startup“ am 17. September auf der Bühne vor.

Felix Sommer treibt die Transformation des Theaters voran

Felix Sommer, geboren in Freiburg, hat seine Leidenschaft für das Theater an der Freilichtbühne Lilienthal bei Bremen entdeckt. „Ich habe dort meine komplette Freizeit verbracht. Spielen war mein Lebensinhalt“, erzählt der 45-Jährige. Er wollte Schauspieler werden. Als es auf Anhieb nicht klappte, begann er Geschichte und Philosophie zu studieren und absolvierte seine Ausbildung dann doch noch in Berlin-Charlottenburg.

Ab 2004 war er als freier Schauspieler in ganz Deutschland unterwegs und „gar nicht unglücklich dabei“, bevor ihn der Wunsch nach größerer Erfüllung ab 2011 ins Regiefach trieb. Er inszenierte am Landestheater Castrop-Rauxel, am Theater Aachen und an seiner geliebten Freilichtbühne Lilienthal Stücke wie „Was ihr wollt“, „Natürlich blond“ oder „Nationalstraße“. Sicher wird er auch am Theater Freudenhaus inszenieren - „aber nicht alles“, sagt er.

Um den Transformationsprozess im Haus voranzutreiben, wurde er ausgewählt. Schließlich sollen seit einigen Jahren neben der Ruhrgebietskomödie gesellschaftlich relevante Themen angesiedelt werden. Und mit Zukunftsvisionen, Strukturwandel, Reaktion auf den Rechtsruck und einem Stück Stadtgeschichte ist das auch schon geschehen. „Er ist jemand, der im Dialog steht, sehr bodenständig und voller Energie ist, politisch denkt und gut mit Menschen umgeht. Genau das, was wir brauchen“, so Frank Fuchs, der seit Herbst vergangenen Jahres die Geschäfte im Freudenhaus führt.

Frank Fuchs kümmert sich um die wirtschaftlichen Faktoren

Die Initialzündung für die Laufbahn des gebürtigen Esseners war ein Schülerpraktikum in der Beleuchtungsabteilung des Aalto-Musiktheaters. Mit der auf Musik, Technik und Mediengestaltung ausgerichteten Ausbildung am Robert Schumann Konservatorium und der Fachhochschule Düsseldorf landete er in der Werbebranche und war als Postproduction Supervisor, Event- und Werbefilmregisseur sowie als Producer tätig.

Zeitgleich ließ ihn die Essener Kulturszene nicht los. Ehrenamtlich engagierte er sich an der Essener Volksbühne und für Aktionen der Freien Szene Essen, wie zum Beispiel die „Theaterhäppchen“ oder „Back2live“. Er kennt sich also aus mit fristgerechter Organisation, kreativer Umsetzung und wirtschaftlichen Faktoren.

Proben „Seriengeflüster“ von Regisseur und Autor Stefan Keim (von links): die Schauspieler Thorsten Strunk, Sascha von Zambelly und Mia Geese.
Proben „Seriengeflüster“ von Regisseur und Autor Stefan Keim (von links): die Schauspieler Thorsten Strunk, Sascha von Zambelly und Mia Geese. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Nach der Corona-Krise gilt es für die Leitung des Theaters nicht nur, das alte Publikum zurückzuholen, sondern auch neues zu gewinnen. „Wir arbeiten nicht kostendeckend. Wir sind stark abhängig von öffentlicher Förderung“, weiß Frank Fuchs. Darum kümmert er sich ebenso wie um die Werbung für die Stücke. „Wir haben spannende Themen. Die wollen wir auf den Social-Media-Kanälen mehr spiegeln“, sagt er.

Freudenhaus will das Erlebnis Theater für alle zugänglich machen

Barrierefreiheit schaffen, ist eine der langfristig angepeilten Aufgaben. Eine Führung durch die Webseite und das Erfühlen der Bühne für Blinde, eine Beschilderung für Rollstuhlfahrende im Haus, Übersetzung des Textes per Handy und Kopfhörer für Fremdsprachler und der mehrsprachige Internetauftritt sind die Herausforderungen, die bewältigt werden sollen. „Ich möchte das Erlebnis Theater für alle zugänglich machen“, betont der 43-Jährige.

Saisonstart im Freudenhaus

Am Sonntag, 17. September, um 17 Uhr eröffnet das Theater Freudenhaus im Grend die neue Spielzeit. Unter dem Titel „startup“ präsentieren Mitglieder des Ensembles einen Mix aus Theater, Comedy und Gesang. Und Felix Sommer, neuer künstlerischer Leiter der Bühne im Grend, wird sich erstmalig dem Publikum vorstellen. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Und so geht es weiter: Am 22. und 23. September ist der Freudenhaus-Klassiker „Freunde der italienischen Oper“ zu sehen, am 24. September die politische Zombie-Komödie „Ab durch die Mitte“, am 30. September „Fortuna“ und am 1. Oktober trifft Goethe auf den Ruhrpott in „Der Ruhrfaust“.

Karten: Montags, mittwochs, freitags und jetzt auch samstags (jeweils von 10 bis 12 Uhr) öffnet das Vorverkaufsbüro. Weitere Infos telefonisch unter 0201 85 132 30 oder auf www.theater-freudenhaus.de

Dazu gehört auch, „andere Themen, andere Autoren, andere Formate anzugehen, zum Beispiel im öffentlichen Raum“, sagt Felix Sommer. Daher kommt eine Fortsetzung von „Freunde der italienischen Oper“ nicht infrage. „Aber wir werden auch immer etwas in diese Richtung machen“, betont er. 30 bis 40 Stücke hat er auf dem Zettel für die erste Premiere der bevorstehenden Spielzeit, die wegen des Leitungswechsels erst im Frühjahr 2024 stattfindet.

Auf jeden Fall will er neue Räume für das Freudenhaus erschließen. „Warum nicht in der Kneipe spielen, wenn es passt? Oder Stationentheater machen? Das sind Möglichkeiten, die wir gerade andenken“, sagt er. Das inzwischen weit verbreitete Credo des Schlosstheater Moers nimmt er sich zum Vorbild und zitiert frei: „Das Theater geht in die Stadt, damit die Stadt ins Theater kommt.“

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