Essen. Die Biker der „Blue Knights“ veranstalteten eine große Ausfahrt: Warum ihnen die Solidarität mit den Explosionsopfern in Ratingen wichtig ist.
„So eine Art Gedenktour“, sagt Jochen Happel, sei die Sternfahrt von Essen nach Ratingen. Mit gemischten Gefühlen versammeln sich am Samstagmittag (22. Juli) die Mitglieder der Motorradvereinigung „Blue Knights“ an der Polizeihauptwache Süd zu einem ganz besonderen Konvoi unter dem Motto „NRW steht zusammen.“ Gemeinsam fahren die 25 Biker zu einer Solidaritätsaktion nach Ratingen.
Am rheinischen Zielort sind am 11. Mai 2023 neun Einsatzkräfte bei einer gewaltigen Explosion verletzt worden. „Das war ein schrecklicher Einsatz, mit dessen Ausgang keiner rechnen konnte“, erklärt Rainer Wittka (63), Vize-Präsident der „Blue Knights“ und pensionierter Polizist. Gut 15 Jahre war er auf Streife mit BMW-Dienstmotorrädern auf Essens Straßen unterwegs. „Immer gern, denn auf einem Bike oder zu Fuß ist man näher am Bürger.“ Im Ruhestand genießt Wittka den Fahrtwind beim Cruisen mit der amerikanischen Honda Valkyrie Interstate.
Geld der Aktion fließt in den großen Spendentopf
Nach und nach parken Biker aus Essen, Bochum und sogar aus dem Westerwald ihre Maschinen an der Theodor-Althoff-Straße. Zehn Euro Startgebühr kostet die Sternfahrt. Das Geld der Charity-Aktion fließt wie alle Tageseinnahmen in den großen Spendentopf. Der geht später an die Anschlagsopfer und deren Familien.
Nicht als Polizist auf einer Wache wie die meisten dieser Biker, sondern als Justizvollzugsbeamter im Gefängnis Castrop-Rauxel arbeitet Jochen Happel. Der 45-jährige Essener ist „Secretary“, also Geschäftsführer der „blauen Ritter“, so die Übersetzung des Clubnamens. Vor ihm auf dem Tisch liegen die Abzeichen des Chapters Rhein-Ruhr. Die Aktions-Patches für die Lederkutten sind begehrt. Und Schlüsselanhänger bietet der Club an. Deren Form ist originell: Handschellen, das Paar für vier Euro.
Blaulicht-Biker kommen aus der Region Rhein-Ruhr
Mit echten Handschellen kennt sich auch Gabriel Wais beruflich aus. Der 45-jährige Essener ist Oberstaatsanwalt in Hamm. Und seit Jahren leidenschaftlicher Motorradfahrer. 2019, vor Corona, sei er zu den „Blue Knights Germany Rhein-Ruhr“ gekommen. Eine Gemeinsamkeit der Blauritter und ihrer Freunde: Sie besitzen Strafverfolgungs- und besondere Festnahmebefugnisse. In dem aus Amerika stammenden Motorrad-Club gehen bis auf wenige Ehrenmitglieder neben Polizisten, Bundeswehr-Feldjäger, Justizangestellte oder Zollbeamte dem Zweirad-Hobby nach. Nach Dienstschluss natürlich ohne echte Handschellen.
„Drei Zimmer, Küche, Diele, Bad“, scherzt ein Biker und meint die wuchtige Maschine von Biker Helmut Neumann. Der dreht gerade seine 350 Kilo schwere Honda Gold Wing fürs Gruppenbild in Startposition. Bevor sie auf ihren polierten Stahlrössern durchstarten, winkt eine Stärkung in der Polizeiinspektion Süd. Hinter der Theke im Mitgliederraum der „International Police Association“, einer weltweiten Vereinigung für Polizisten, feiert die Kaffeemaschine eine Extra-Schicht. Brötchen, Frikadellen, Cola und Wasser sind ebenfalls beliebt.
Route führt über Haarzopf und Kettwig nach Ratingen
Gänsehaut und Dankbarkeit verspürt Jochen Happel beim Gedanken an die Charity-Tour. „Wir sind offen für Menschen, die Hilfe brauchen“, betont er. Biker Peter Kopinek steigt aus Solidarität auf seine BMW R 1150 GS und hat die Route schon genau studiert. Gegen 15 Uhr startet der Konvoi nach Ratingen. Landschaftlich schön und kurvenreich von Haarzopf nach Kettwig, weiter an der Ruhr entlang mit Pause beim Wasserschloss Linnep. Um die nahe A 52 drehen die Biker einen Bogen.
Gegen 17 Uhr trafen sich gut 350 „Blue Knights“ aus verschiedenen Chaptern an der Ratinger Kirche St. Peter und Paul, wo sie „beeindruckende Reden“ hörten, so Vize-Präsident Wittka nach der Fahrt. So einen Anschlag wie am 11. Mai in dem Hochhaus, bei der ein 57-Jähriger vorsätzlich eine Explosion herbeigeführt haben soll, hat keiner der Motorrad fahrenden Freunde und Helfer bisher erlebt. „Zum Glück!“, meint Wittka.
Als die Einsatzkräfte die Wohnungstür öffneten, gab es kein Entkommen. Drei Personen legten die Ärzte wegen schwerster Verbrennungen ins künstliche Koma. „Gut acht Wochen ist das jetzt her“, sagt Gabriel Wais. „Aber die Opfer und ihre Familien leiden nach wie vor unter den Folgen. Das Ereignis verdeutlicht, welchen Gefahren Einsatzkräfte tagtäglich ausgesetzt sind.“
>>> INFO: Toten Hosen spendeten Einnahmen aus Versteigerung
- Die Toten Hosen haben für 15.200 Euro eine Feuerwehrjacke zugunsten der Opfer der mörderischen Explosion von Ratingen versteigert und verdoppelten den Betrag. Somit gingen 30.400 Euro an das Aktionskonto, das die Ratinger Feuerwehr eingerichtet hat.
- Sänger Campino (61) hatte die Jacke im vergangenen Jahr von der Düsseldorfer Feuerwehr zum Bandjubiläum – 40 Jahre Tote Hosen – geschenkt bekommen, die er dann beim Lied „112“ immer wieder auf der Bühne angezogen hatte. (dpa)
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