Essen. Freestyle-Kicken und Fallrückzieher: Extraschicht auf Essens Zeche Zollverein lockt nicht nur Fußballfans. Auch neue Sportarten sind zu entdecken
Ein bisschen Kondition kann ja nie schaden, wenn die „Extraschicht“ wieder zur langen Nacht der Industriekultur lockt. 44 Spielorte in 22 Städten an einem Abend – das schaffen vermutlich auch die fittesten Teilnehmer nicht. Wer sich am Samstagabend aber auf den Besuch der Essener Zeche Zollverein konzentriert, der hat das Sportprogramm gleich mitgebucht.
Rund um die aktuelle Ruhr-Museum-Ausstellung „Mythos und Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ haben die Macher ein Programm gestaltet, das schon als Aufwärmübung für die Fußball-Europameisterschaft 2024 anmutet. Motto des Abends: „Das Runde und das Eckige“. Auf dem gesamten Welterbe wird gekickt und gekickert, auf Torwände geschossen und beim Fußball-Quiz gepunktet. Der Ehrenhof vor dem Doppelbock verwandelt sich sogar in eine Glückauf-Kampfbahn. Und selbst die Musiker des Klavier-Festivals Ruhr sind im Salzlager der Kokerei im Marathon-Fieber.
Nicht nur die vielen Trikot-Träger erleben die lange Nacht der vielen Kulturerlebnisse dabei in kurzen Hosen. So sommerlich hat sich die Extraschicht lange nicht angefühlt. Viele Besucher genießen die Abendsonne auf dem Dach der Kohlenwäsche, feiern eine entspannte Pool-Party mit DJ-Begleitung am Werkschwimmbad der Kokerei Zollverein oder treffen sich zwischen den reich verteilten Gastroständen zu Currywurst und Cocktails.
Nur dem Hallensport kommt das sommerliche Ambiente nicht zugute. Was schade ist für die Sign-Spinning-Truppe in Halle 5, die ihre Europameisterschaft im Werbeschilder-Wirbeln eigens nach Essen verlegt hat. Das Sign Spinning komme aus den USA, wo ein paar „lebende Litfaßsäulen“ in den USA irgendwann mal mit dem akrobatischen Übungen angefangen haben, weil ihnen das Schilderhochhalten zur Geschäftsneueröffnung einfach zu langweilig war, berichtet der Magdeburger Johannes Bartelt. Mittlerweile ist das Schleudern und Schwenken der Schilderartisten ein richtiger Vereinssport. Und der in Essen frisch gekürte Europameister heißt Alex Kleißle.
Auf der grünen Wiese vorm Red Dot Design Museum gleich gegenüber werden die Besucher auf eine Sportart neugierig, die aus China kommt. Hierzulande noch relativ neu, „aber schon 3000 Jahr alt“, sagt Peter von Rüden. Der Hagener hat den Federfußball in den 1980ern auf einer China-Reise entdeckt und mit nach Europa gebraucht. Seit Jahren wirbt hat der mittlerweile 76-Jährige für die Sportart bei Unis, Schulen und Vereinen. Von Rüden war sogar mal Deutscher Meister, „da war die Konkurrenz aber noch nicht so groß“, lächelt der begeisterte Federfußballer, der an diesem Abend viele neue Talente wirbt.
Beim Frauenfußball war Nina Windmüller schon ziemlich meisterlich. Als Fußball-Freestylerin feiert die Sportlerin nun weitere Erfolge. Noch sei der Sport eine Männerdomäne, „es gibt fast keine Frauen“, bedauert die 35-Jährige und beweist auf der grünen Wiese vorm Doppelbock am Samstagabend ihr ganz besonderes Ballgefühl – im Stehen, Sitzen und Liegen. Die akrobatischen Nummern für ihr Freestyle-Programm, verrät die Schwester des früheren Rot-Weiss-Essen-Spielers Gino Windmüller, habe sie sich über Youtube-Videos antrainiert. „Dreiminutenfünfzehn mit Tricks zu füllen, das ist schon eine Herausforderung.“
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Wer will, kann sich am Samstagabend sogar ein paar Bewegungen abgucken. „Manche Tricks dauern Monate, anderen kann ich sofort jedem beibringen“, versichert Nina Windmüller, die mittlerweile in den Halbzeitpausen der großen Fußballarenen oder auf Firmenevents für Begeisterung sorgt. Ziemlich gut möglich, dass es bei der EM 2024 ein Wiedersehen mit der Sportlerin gibt.