Essen. Nach dem Gutachten zur Vergabe des Bundesfotoinstituts, das die Position Essens stärkt, müsse das „willkürliche“ Bundestagsvotum revidiert werden
Nach der Veröffentlichung des Gutachtens des Staatsrechtlers Prof. Helmut Siekmann, das Essens Position im Ringen um das Bundesfotoinstitut stärkte, fordert die Bürgerinitiative Deutsches Fotoinstitut eine grundlegende Änderung des Bundestagsbeschlusses, auf dessen Basis das Institut nach Düsseldorf vergeben wurde. Angesichts zweier unabhängiger Fachgutachten, die Essen favorisiert hatten, verstoße das Bundestagsvotum gegen das Willkürverbot und den Gleichbehandlungsgrundsatz, hatte Siekmann gefolgert. „Ein willkürlicher Beschluss, der das Rechtsstaatsprinzip verletzt, ist schlicht und einfach nichtig“, meint dazu auf Anfrage Initiativensprecher Axel Wiesener. Das Vergabeergebnis, das Essen grob benachteilige, könne daher keinen Bestand haben.
Nach Ansicht der Bürgerinitiative wäre es falsch, nur einen Kompromiss anzustreben
Wiesener zufolge wäre es falsch, wenn Essen nun lediglich einen Kompromiss anstrebt, etwa indem beide Städte formal zu Standorten des Instituts erklärt werden und das Nähere dann untereinander aushandeln müssten. Vielmehr wäre aus Sicht der Initiative die Fehlentscheidung am einfachsten zu heilen, indem im bereits beschlossenen Bundeshaushalt Düsseldorf durch Essen als Standort des Forschungsinstituts ersetzt würde.
Falls dies nicht machbar sei, müsse das Verfahren neu aufgerollt werden. Mit der Standortfrage verbunden sind Bundesmittel in Höhe von rund 40 Millionen Euro. Essen hatte bereits früh ein freies Grundstück auf dem Zollverein-Gelände angeboten, in Düsseldorf ist noch keine geeignete Fläche bekannt, nachdem sich ein zunächst avisiertes Grundstück am Hofgarten als ungeeignet erwiesen hatte.
OB Kufen schreibt Brief an die Bundestagspräsidentin: Verfahren soll „überprüft“ werden
Was die Essener Stadtverwaltung konkret aus dem Gutachten folgert, das vom Oberbürgermeister in Auftrag gegeben wurde, ist derzeit im Detail noch nicht absehbar. Als ersten Schritt hat OB Thomas Kufen einen Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gesendet, der dieser Redaktion vorliegt. Mit den gewonnenen Erkenntnissen durch die juristische Einschätzung und der erneuten Darstellung des Sachverhalts aus Essener Sicht bitte ich Sie, das gesamte Verfahren Ihrerseits überprüfen zu lassen“, fordert Kufen darin.
Essen werde nun erneut auf alle entscheidenden Akteure auf Bundes- und Landesebene zugehen mit dem Ziel „einen einvernehmlichen Standort bzw. einvernehmliche Standorte für das Deutsche Fotoinstitut zu finden“, so Kufen. Damit deutet der OB an, dass er trotz des Gutachtens kompromissbereit und nicht auf Konfrontation aus ist. Bereits früh hatte der OB sich auf eine eher defensive Linie festgelegt.
Allerdings schreibt Kufen auch, dass das Ignorieren der eindeutigen Ergebnisse der Konzeptstudie wie auch der Machbarkeitsstudie sowie „insgesamt das Fehlen eines transparenten Verfahrens“ Folgen haben müssten: „Als Präsidentin des Deutschen Bundestags obliegt es Ihnen, regelkonforme Beschlüsse des Deutschen Bundestags zu gewährleisten“, schreibt Kufen an Bärbel Bas. „Auch schon der Anschein, hier ständen verfassungsrechtliche Verstöße im Raum, schadet dem gemeinsamen Anliegen.“
Auch Essener SPD-Landespolitiker fordern vom Bund, die Vergabe neu aufzurollen
Die Essener SPD-Landtagsabgeordneten Julia Kahle-Hausmann, Thomas Kutschaty und Frank Müller begrüßten in einer Stellungnahme die Ergebnisse des Gutachtens, verknüpften dies aber mit Kritik am OB: Ungeachtet der Tatsache, dass Kufen das Gutachten nach öffentlichem Druck in Auftrag gab, habe sich „die Stadtspitze in dieser für Essen wichtigen Thematik zu lange zurückgehalten“, so Müller. „Ich gehe davon aus, dass der Bundestag sich der Thematik nun neu widmen wird.“
Dreh- und Angelpunkt vieler Gespräche der letzten Monate seien immer die sehr eindeutig für Essen ausgefallenen Gutachten in der Standortfrage gewesen, „die aber nie den Eingang in die bundespolitischen Diskussionen und Beschlussfassungen zu dieser Thematik gefunden haben – und das, obwohl der Bund diese Gutachten mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand selbst in Auftrag gegeben hat“, erklärte SPD-Landtagsabgeordneter Thomas Kutschaty. „Für uns ein absolut unverständliches Vorgehen, das viele Fragezeichen hinterlassen hat.“
Es gelte nun, mit einem transparenten Verfahren die Standortfrage ergebnisoffen neu aufzurollen. So könne man verloren gegangenes Vertrauen in die Politik zurückgewinnen. Die SPD dankt in ihrer Stellungnahme der Bürgerinitiative Deutsches Fotoinstitut „deren unermüdlichen Einsatz es zu verdanken ist, dass wir nunmehr dieses Ergebnis haben“.