Essen-Altenessen. Die Tage der Bauruine am Bahnhof Altenessen sind gezählt. Ein Investor wirft der Stadt jetzt vor, eine Aufwertung zu verhindern und zeigt Pläne.
- Die leerstehende Immobilie am Bahnhof Altenessen steht seit Jahren leer, gilt als Bauruine und soll in wenigen Wochen abgerissen werden.
- Ein Projektentwickler hat für den Standort jedoch eine Kita, Studentenwohnungen und Demenz-WGs geplant, ein möglicher Investor ist auch schon gefunden.
- Die Stadt Essen lehnt die Pläne für das neue Projekt ab, der Investor wirft den Verantwortlichen vor, eine Aufwertung des Stadtteils zu verhindern.
Die Bauruine am Altenessener Bahnhof gilt als Schandfleck. Das Oberverwaltungsgericht hatte zuletzt eine Abrissverfügung der Stadt Essen bestätigt. Auf Anfrage erklärt die Stadt, dass im Juni die Bagger anrollen und Ende des Jahres dieses Kapitel beendet sein soll. Bevor es soweit ist, hat sich jetzt ein zukünftiger Investor mit Plänen für Studentenwohnungen und eine Kita gemeldet. Der Stadt wirft er vor, eine Aufwertung des Stadtteils an der Stelle zu verhindern.
Bauruine Altenessen: Generalunternehmer mit Finanzproblemen
Rückblick: Errichtet wurde das Gebäude mit einer Nettogeschossfläche von rund 4400 Quadratmetern im Jahr 2005 mit dem Ziel, dort Einzelhandel, Wohnungen und eine Fahrradstation zu errichten. Ein Jahr später geriet der Generalunternehmer in finanzielle Schwierigkeiten und verfolgte das Projekt nicht weiter. Als Folge sei die Immobilie über eine Grundschuld gesichert gewesen, gehörte also der Bank. Die Freigabe des Insolvenzverwalters habe dann Jahre gedauert, erklärt der damalige Haupt-Eigentümer im Gespräch mit der Redaktion.
Der Eigentümer selbst habe nicht die nötigen finanziellen Mittel gehabt, sagt Uwe Kutzner, das Gebäude sei von vorneherein auf Pump gebaut worden. Der Altenessener ist CDU-Mitglied im Planungsausschuss der Stadt und hat den Prozess von Anfang an miterlebt. „Das Projekt wurde immer wieder auf die lange Bank geschoben und verzögert.“ Der Haupt-Eigentümer habe dann eine Gesellschaft gegründet und es sei unübersichtlich geworden. „Wir hatten keinen konkreten Ansprechpartner mehr.“
Kita, Studenten- und Seniorenwohnungen an Altenessener Bahnhof geplant
In den folgenden Jahren verfiel die Immobilie zunehmend, wurde zum Hort kriminellen Geschehens, vor allem im Drogenmilieu. Auch ein Bauzaun änderte nichts Grundlegendes. Dealer und ihre Kunden, aber auch Obdachlose fanden und finden dort, direkt am Bahnhof Altenessen, noch immer Schlupflöcher. Das Außenbild ist ungepflegt und voller Müll. Kutzner: „Wir hatten Angst, dass es zur ewigen Ruine wird.“ Versprechungen seitens der Eigentümer-Gesellschaft seien nie eingehalten worden.
Während das Gebäude zunehmend unansehnlicher wurde, saß ein Projektentwickler (Name der Redaktion bekannt), jedoch an seinem Schreibtisch und tat seine Arbeit: Er entwickelte ein soziales Projekt für die Immobilie. Zuletzt hatte er schon verschiedene Projekte in Essen realisiert und plante jetzt für Altenessen.
Im Staffelgeschoss sollten demnach Studentenwohnungen entstehen, im zweiten Obergeschoss Angebote für betreutes Wohnen, darunter Demenz-WGs und im Erdgeschoss eine sechsgruppige Kindertagesstätte. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hatte die Betriebsaussicht für vier U3-Gruppen und zwei Ü3-Gruppen im vergangenen Jahr bereits in Aussicht gestellt – insgesamt 120 Kita-Plätze. Eine entsprechende E-Mail liegt der Redaktion vor.
Neuer Besitzer für Bauruine in Altenessen
Den Abriss des Gebäudes sieht der Projektentwickler in seinen Plänen nicht vor, da ein Neubau nur innerhalb der gleichen Hülle entstehen könnte und es in Zeiten von Nachhaltigkeit mehr Sinn mache, den Rohbau zu nutzen, der in der Zwischenzeit vom Insolvenzverwalter freigegeben worden war. Seine Pläne stellte der Projektentwickler Anfang des Jahres 2022 der Stadt vor. Doch die Stadt habe abgewunken, sagt der Projektentwickler. In der Zwischenzeit waren schließlich 16 Jahre Stillstand vergangen. Das Vertrauen in die Eigentumsgesellschaft stand nicht zum Besten.
Jetzt, wieder ein Jahr später, taucht Khodr Darwiche auf. Der Holsterhauser Zahnarzt will ebenjenes Vertrauen wieder herstellen und ist bereit, in die Immobilie zu investieren. Er will offizieller Haupt-Eigentümer werden, sobald die Stadt signalisiert, das Projekt mit Kita und Studentenwohnungen umzusetzen. Gegenüber der Redaktion betont er ebenfalls den Nachhaltigkeitsgedanken: „Die Statik ist noch immer gut.“ Im Inneren gebe es durchaus offene Geländer und eingestürzte Trockenwände. Wenn man den Rohbau wieder herstelle, könne man die Substanz aber nutzen. Er habe Kontakt zu einem Gutachter, der jedes Element des Gebäudes daraufhin prüfen könne.
Im Februar dieses Jahres bat Darwiche um ein Gespräch mit der Stadt. Wohlgemerkt: Zu diesem Zeitpunkt hatte das Gericht sein Urteil längst gefällt, auch die Frist für den Eigentümer, das Gebäude selbst abzureißen, war verstrichen. Darwiche hingegen will für seine und die Pläne des Projektentwicklers werben und verspricht bei positivem Verlauf, die Baustelle zu sichern, das Erscheinungsbild zu verbessern, zügig einen Bauantrag zu stellen und ein Gutachten in Auftrag zu geben, das bestätigen soll, dass der Rohbau statisch und bauphysikalisch geeignet sei. Das wolle er jedoch nur tun, wenn es Aussichten auf Erfolg für das Projekt gebe.
Stadt will Abriss der Bauruine in Altenessen durchsetzen
Diese Idee komme zu spät, sagt Baudezernent Martin Harter. Er habe jedes Vertrauen in die Eigentümer verloren und das Gerichtsurteil werde jetzt umgesetzt. „Die Bauruine ist nicht ertüchtigbar, das Gericht hat das geprüft und wir ziehen den Abriss jetzt durch.“ Ein Bauantrag für den Umbau oder eine Nutzungsändern des bestehenden Gebäudes würde nicht geprüft werden, heißt es auch in einer E-Mail vom Stadtplanungsamt der Stadt an Khodr Darwiche, die der Redaktion vorliegt.
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Im Fachjargon heißt das „mangelndes Sachbescheidungsinteresse“, einfach übersetzt: Die Genehmigung wäre aussichtslos. Die Begründung liefert das Planungsamt der Stadt gleich mit und liefert das gleiche Argument, wie das Gericht: „Nach Einschätzung der Bauaufsichtsbehörde ist die vorhandene Bausubstanz in Gänze nicht geeignet, um im Rahmen eines neuen Bauvorhabens weiter verwendet zu werden.“ Ein Antrag zur Neuplanung, also ein Neubau nach Abriss, würde hingegen geprüft werden.
Essener hatten schon Ideen für Fläche am Altenessener Bahnhof geäußert
Darwiche wirft der Stadt vor, die Aufwertung des Stadtteils mit dem Abriss zu verhindern, Kindergartenplätze würden schließlich dringend gebraucht. Der Wunsch nach Studentenwohnungen kam auch schon von den Altenessenern selbst, die Anbindung sei an der Stelle top. „Der Abriss hilft keinem weiter“, so Darwiche. Ein unbebautes Grundstück würde den Ort nicht attraktiver machen, es würde eine Brachfläche entstehen, auf der Leute womöglich illegal Müll entsorgen.
In der Vergangenheit wurden schon verschiedene Ideen für die Entwicklung des Grundstücks geäußert; ein Platz der Partnerstädte, das neue Domizil für die Altenessener Polizeiwache oder Studentenwohnungen.
Uwe Kutzner wünscht sich eine Bürgerbefragung zur Entwicklung des Grundstücks, die Altenessener sollten in die Neugestaltung mit eingebunden werden. Bei allen Ideen sollten die Beteiligten jedoch im Hinterkopf haben, was die Stadt bestätigt: Durch den Abriss der Bauruine geht nicht automatisch ein Eigentumswechsel einher.