Essen-Altenessen. Eine Essener Gemeinde hat zwei Tiny-Houses angeschafft, um Wohnungslosen eine Bleibe zu bieten. Statt Miete wird Einsatz erwartet.

Nicht mehr als 3,2 Quadratmeter nennt René jetzt sein Zuhause. Genau so groß ist das Tiny-House, das im Schatten der Altenessener Kirche St. Johann Baptist aufgestellt wurde und in das der wohnungslose 53-Jährige Anfang April eingezogen ist. Es ist gelb-schwarz und sein erstes Zuhause seit vielen Jahren.

Ein schmales selbst gebautes Hochbett, daneben ein einfaches Regal für die wenigen persönlichen Habseligkeiten, ein kleiner Gaskocher, darüber ein Fenster, ein Dach über dem Kopf und eine verschließbare Tür – viel mehr braucht es nicht, um René ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Ein Gefühl, das er lange nicht mehr verspürt hat. 30 Jahre hat er mit kurzen Unterbrechungen auf der Straße gelebt und geschlafen, ein einsames Leben, das ihn geprägt und gezeichnet hat. Nun soll er in dem winzigen grün-gelb gestrichenen Holzhaus auf Rädern, das der Verein „Little Home“ gespendet hat, zur Ruhe kommen.

Tiny-Häuser in Essen: Aktion von Gabenzaun und Contilia

„Diese Wohnboxen sollen ein erster Schritt auf dem Weg zurück in die Gesellschaft sein“, formuliert Ingo Mattauch, katholischer Pfarrer der Gemeinde Heilige Cosmas und Damian, das Ziel dieser Aktion, die vom ökumenischen Gabenzaun Altenessen und dem Gesundheitskonzern Contilia unterstützt wird.

Zwei dieser Miniaturhäuser stehen nun auf der grünen Wiese zwischen der Kirche und dem ehemaligen Marienhospital. Links findet René Unterschlupf, rechts der 34-jährige Benedikt. Das Grundstück gehört Contilia, die sich auch um die Hygiene der Bewohner kümmert: „Sie dürfen eine Toilette im Gesundheitspark Altenessen benutzen, dort gibt es auch warmes Wasser“, sagt Unternehmenssprecherin Christa Herlinger. Nach einer Möglichkeit zu duschen werde noch gesucht, erklärt sie weiter. „Aber auch da werden wir in absehbarer Zeit eine Lösung finden.“

Es gibt in den Essener Tiny-Häusern zwar kein Badezimmer, aber einen kleinen Gasherd.
Es gibt in den Essener Tiny-Häusern zwar kein Badezimmer, aber einen kleinen Gasherd. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Während sich René häuslich eingerichtet hat und stolz seine mit Kräutern bepflanzten Blumenkästen zeigt, sieht sein Nachbar Benedikt die Unterkunft eher kritisch: „Es zieht und ist feucht“, sagt er, „aber das ist immer noch besser als in den Notschlafstellen. Es ist auch nur eine Übergangslösung.“ Erst seit Anfang des Jahres ist er ohne Obdach, „durch Drogen und die Isolation während der Pandemie bin ich in einen Strudel geraten, habe Ängste entwickelt und war unfähig, mich um meine Belange zu kümmern“, erzählt er offen.

Bis dann der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand und er alles verlor. Nun möchte Benedikt neu anfangen, am liebsten in einer anderen Stadt. Das Tiny-House ist da ein erster Schritt in die richtige Richtung, denn die beiden Bewohner werden auch in die sozialen Projekte in St. Johann einbezogen, lernen so Struktur und übernehmen Verantwortung.

Tiny-Haus-Bewohner helfen bei Altenessener Gabenzaun

Beide helfen zum Beispiel beim ökumenischen Gabenzaun am Karlsplatz, packen mit an und verteilen Lebensmittel an die Wartenden in der Schlange, die Samstag für Samstag länger wird. Nebenan, im Begegnungscafé, gibt es nicht nur Tee und Kaffee, sondern vor allen Dingen ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen. „Wir beraten niederschwellig und geben Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Gabenzaun-Initiator Uli Hütte.

Blick auf das Bett in einem der Tiny-Häuser der Essener Gemeinde Heilige Cosmas und Damian.
Blick auf das Bett in einem der Tiny-Häuser der Essener Gemeinde Heilige Cosmas und Damian. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

So hat Benedikt nun das Bürgergeld beantragt, „und ich hoffe, bald in einer Wohngruppe in Düsseldorf aufgenommen zu werden“. René möchte erst einmal ausprobieren, wie und ob ihm das mit dem Dach über dem Kopf und der abschließbaren Tür langfristig gefällt. „Ich war mehr als mein halbes Leben auf der Straße und habe mich an die Freiheit gewöhnt. Jetzt muss ich lernen, sesshaft zu werden.“

Aus Hoyerswerda ganz im Osten Deutschlands ist er vor der Wende mit einem Reise-Visum in den Westen gekommen und geblieben, hat stets von Gelegenheitsjobs gelebt. Sesshaft wurde er nie richtig, „das lag auch daran, dass ich immer nur von den Menschen enttäuscht worden bin“. Wieder Vertrauen fassen, auch das muss René jetzt erstmal lernen.

Ralph Kindel liest für Altenessener Gabenzaun

Der gemeinnützige Verein „Little Home“ verschenkt die mobilen Wohnboxen an obdachlose Menschen. Das Projekt wird ausschließlich über Spenden finanziert. Mittlerweile wurden deutschlandweit 248 Wohnboxen gebaut. Am Karlsplatz sollen fünf Wohnboxen aufgestellt werden. Mehr Infos unter www.little-home.eu

Der ökumenische Gabenzaun Altenessen sucht weitere ehrenamtliche Helfer und benötigt weiterhin Spenden. Mehr Infos unter https://www.cosmas-damian.de/start/wir-ueber-uns/projekte/gabenzaun/

So unterstützt der Essener Ralph Kindel das Projekt mit Lesungen aus seinem Wanderführer „Heimat erwandern: Der Zollvereinsteig“: Donnerstag, 11. Mai, 19.30 Uhr in St. Johann Baptist, Johanniskirchstraße 3 und Freitag, 12. Mai, 19.30 Uhr in St. Joseph, Distelbeckhof 166, Katernberg.

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