Essen. Fast 30 Jahre lang hat Adam Dziekanowski auf Baustellen gearbeitet, Bagger bewegt. Warum er dann in Essen die Ausbildung zum Altenpfleger machte.
Von der Baustelle ins Altenheim: Das ist kein alltäglicher Arbeitsplatzwechsel, schon gar nicht, wenn man Kran und Bagger fast 30 Jahre lang bedient hat. Adam Dziekanowski bewegt nun nicht mehr große Maschinen, sondern die Herzen der Menschen.
„Unsere Bewohner lieben ihn“, sagt seine Chefin Margarethe Madzielewski, die das GSE-Pflegeheim im Essener Deilbachtal leitet.
Heimleiterin riet ihm, Altenpfleger zu werden statt Hausmeister
Als junger Mann hat Dziekanowski Zimmermann gelernt, bevor er sein Heimatland Polen 1989 Richtung Deutschland verließ. Hier habe er genommen, was sich ergab: „Zum Überleben.“ War beim Krankentransport in einer Klinik in Velbert, wechselte zum Bau, wo besser bezahlt wurde: „Ich war jung und brauchte Geld.“
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig & Werden + Borbeck & West | Alle Artikel aus Essen]
Er blieb für Jahrzehnte im Tief- und Hochbau, war am Ende Vorarbeiter. „Dann ging meine Firma in Insolvenz.“ Eine Bekannte, die im Pflegeheim im Deilbachtal arbeitet, riet ihm, sich dort vorzustellen, als Hausmeister oder Betreuer. Margarethe Madzielewski brauchte keinen Hausmeister: „Und ich habe ihm gesagt, dass man als Betreuungsassistent nicht so viel verdient. Er solle lieber zur Schule gehen und die Ausbildung zum Altenpfleger machen. Der Verdienst bei uns ist gut.“
Das war im Jahr 2019, Dziekanowski war 47 Jahre alt, sein letzter Schulbesuch lag eine Weile zurück. Doch er ließ sich auf das Abenteuer ein, setzte sich noch mal in einen Klassenraum. „Die Jüngste da war 16.“ Es habe aber auch andere Spätberufene gegeben, eine Auszubildende war sogar zwei Jahre älter als er. „Die Jungen haben immer Krach gemacht, die Älteren wollten zuhören.“ Verstanden haben sie sich trotzdem, mit einigen hat er bis heute Kontakt.
Mit dem Schreiben längerer Berichte tat er sich anfangs schwer, vor dem Computer hatte er Respekt. In den ersten drei Praxis-Monaten traf er auf dementiell veränderte Menschen, die ihm manches abverlangten: „Da war ich fertig! Aber dann habe ich die Krankheit kennengelernt.“ Als er später im Krankenhaus Praktikum machte, wurde er schon mal auf andere Stationen gerufen, wenn es Probleme mit Demenzpatienten gab: „Die lernen da oft nicht, wie man mit diesen Menschen umgeht.“ Herausforderndes Verhalten heißt der Fachbegriff – es begegnet ihm auch an seinem jetzigen Arbeitsplatz.
Mit 50 hat Dziekanowski die dreijährige Ausbildung abgeschlossen, ist nun examinierter Altenpfleger. „Er hat das mit Bravour geschafft“, sagt Margarethe Madzielewski. Seit Dezember 2022 hat er einen Festvertrag in dem von ihr geleiteten Heim im Deilbachtal. 64 Bewohner leben hier, die meisten leiden am Korsakow-Syndrom, das vor allem durch starken Alkoholkonsum ausgelöst wird. Die alte Villa beherbergt kein klassisches Altenheim, sondern eine Pflegeeinrichtung mit psychiatrischen Einschlag.
Viele Bewohner bekommen keinen Besuch
Viele der Bewohner sind vergleichsweise jung, das Durchschnittsalter liege bei 60. Manche haben ein Leben auf der Straße hinter sich, den Kontakt zu Verwandten verloren, Besuch kommt selten. Besonders schmerzlich sei das zu Weihnachten. „Wir sind ihre Familie“, sagt die Madzielewski, die seit 25 Jahren hier arbeitet.
Hohe Pflegegrade und entsprechender Unterstützungsbedarf seien selten. „Aber es gibt bei vielen Bewohnern eine leichte Aggression.“ Ebenso wie ein anhaltendes Verlangen nach Alkohol: Der ist erlaubt, im Flur hängt ein Schild: „Promilleweg“. Begrenzt werde der Konsum durchs Geld, viele hier sind arm.
Man müsse sich an die Menschen gewöhnen, sagt Adam Dziekanowski, sich auch selbst ändern, um mit ihnen umzugehen, „ihre Macken kennenlernen“. Und ihre Geschichten: „Manche haben nur irgendwann den Anschluss verpasst, andere hatten einen schlimmen Unfall oder haben ein Kind verloren“, sagt die Heimleiterin. Das Leben habe sie zu Alkoholikern gemacht. Sie haben fast alles verloren, sich aber mitunter Interessen bewahrt: Darum organisiert das Heim Philharmonie-Besuche ebenso wie Feiern oder Ausflüge zum Silbersee.
Die früheren Kollegen vom Bau reagierten skeptisch auf den Jobwechsel
„Die Arbeit mit den Menschen gefällt mir am besten“, sagt Dziekanowski. Pflegerisches sei so eine Sache, aber er ekle sich vor nichts, sei froh, wenn er Menschen helfen könne. Als er den Kollegen vom Bau damals von seinem Berufswechsel erzählte, „waren die ein bisschen perplex“. In der Nachbarschaft an seinem Wohnort in Velbert-Neviges habe er viel positive Resonanz erlebt.
„Auf dem Bau verdient man besser, aber die Arbeit ist auch körperlich anstrengender.“ Mit dem Verdienst in der Pflege komme er klar, sagt der Vater einer achtjährigen Tochter. Seine Frau hat den Jobwechsel von Anfang an unterstützt: Sie hat vor sechs Jahren selbst umgeschult – auf Altenpflegerin.