Hattingen. Zehn Jahre gibt’s das Amitas-Projekt für suchtkranke Ältere von Café Sprungbrett und Haus Theresia Hattingen dieses Jahr. Ein Teilnehmer erzählt.
An der Tür zu seinem Zimmer hat Rolf Ashauer einen selbstverfassten Spruch geklebt: „Jedes Ende wird oder kann ein neuer Anfang sein“. Worte, dessen Wahrheit der 65-Jährige aus eigener Erfahrung kennt. Denn sein heutiges Zuhause in einer Wohngruppe für suchtkranke ältere Menschen im Haus Theresia war für ihn der Anfang in ein neues, ein weitgehend alkoholfreies Leben.
„Ich bin immer wieder reingefallen in den Suff“
„Ich habe früher ein sch… Leben geführt – alkoholismusmäßig“, gesteht Rolf Ashauer. Viel mehr erzählen mag er nicht über diesen Teil seiner Vergangenheit, erzählt nur, dass er „in einem schlechten System“ gelebt habe. „Ich bin immer wieder reingefallen in den Suff.“ Mit schwerwiegenden Folgen: Stammgast in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Niederwenigern sei er damals gewesen, sagt Rolf Ashauer. Bis er irgendwann durch Mitarbeiter des Café Sprungbrett vom Projekt Amitas erfuhr. Dessen Ziel: alkoholkranken Seniorinnen und Senioren, die in einer betreuten Gemeinschaft zusammenleben, eine Tagesstruktur zu geben. Um so deren Lebensqualität zu steigern, ihren Alkoholkonsum auf ein Minimum zu senken. Bei Bewohnern, die erst im hohen Alter in die Sucht geraten sind, ist das Ziel sogar die Abstinenz.
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Rolf Ashauer sagt, er trinke bis heute „gerne mal ein Bierchen“. Aber anders als in seiner Vor-Amitas-Zeit hat der einstige Ofenbauer für ein Stahlwerk, der in Frührente ging, sein Leben heute besser unter Kontrolle. Er sei froh, dass er sich damals entschieden habe, ein Teilnehmer des Amitas-Projektes zu werden, das das Café Sprungbrett in Kooperation mit dem Haus Theresia im Sommer 2012 realisiert hat. Der gebürtige Wittener stieß kurz danach dazu, heute ist er der dienstälteste der neun Bewohner des Amitas-Projektes.
Einer, der sich um die anderen kümmert. Der mit dem Bus in die Hattinger Innenstadt fährt und für sie Besorgungen macht, ein offenes Ohr hat für ihre Sorgen und Nöte. Der aber, wie er selbst sagt, auch gern und oft Zeit allein verbringt in seinem Zimmer, die Aktivitätsangebote des Hauses wie zum Beispiel Gartenarbeit eher selten nutzt.
Das Projekt Amitas
Das Projekt für suchtkranke Seniorinnen und Senioren Amitas gibt es seit 2012. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt des Vereins Café Sprungbrett und von Haus Theresia. In jener pädagogischen Vollzeiteinrichtung der Behindertenhilfe in Hattingen-Bredenscheid nämlich ist die Amitas-Wohngruppe untergebracht, aktuell leben in dieser sechs Männer und drei Frauen zwischen 50 und 78 Jahren. Ein weiterer Platz soll in Kürze vergeben werden. Bei weiteren Anfragen kann das Projekt kurzfristig um eine weitere Wohngruppe aufgestockt werden.
Der Name Amitas ist dabei entstanden aus der Beschreibung des Projektes als „Ambulante Intensivbetreuung in Kombination mit tagesstrukturierenden Maßnahmen und stationären Wohn- und Beschäftigungsangeboten für chronisch mehrfach beeinträchtigte, abhängigkeitskranke Senioren und krankheitsbedingt gealterte Menschen“.
Dass Rolf Ashauer – „klingt fast wie der frühere Schalke-Manager“ – Fan der Blau-Weißen ist, das ist in seinem privaten Reich dabei nicht zu übersehen. Wimpel und Fotos hängen an der Wand. Und aus dem Schrank holt er ein Trikot des Traditionsfußballklubs aus den Zeiten, als er noch regelmäßig bei den Spielen als Zuschauer im Stadion weilte. Heute, sagt Rolf Ashauer, sehe er sich die Spiele im Fernsehen an. Fernzusehen sei ohnehin ein Hobby von ihm. Und Skatspielen – mit einigen Bewohnern von Bredenscheid, mit denen er über die Jahre Freundschaft geschlossen hat bei seinen regelmäßigen Ausflügen in der Umgebung.
Manche der Amitas-Teilnehmer haben auch psychische und soziale Schwierigkeiten
Denn eingesperrt ist natürlich niemand der Teilnehmer des Amitas-Projektes, jede(r) darf sich auch außerhalb des Hauses Theresia bewegen, soweit er oder sie das eigenständig kann. Exzessives Alkoholtrinken über Jahre nämlich kann zu schweren Folgeschäden führen. Dem alkoholisch bedingten Korsakow-Syndrom etwa, das Ausfälle des Erinnerungsvermögens verursacht. Auch sind manche der Amitas-Teilnehmer nicht nur alkoholkrank, sondern haben auch psychische und soziale Schwierigkeiten. Nicht zuletzt deshalb auch haben alle Teilnehmer am Amitas-Projekt einen gesetzlichen Betreuer, sagt Britta Vahrenholt, die Leiterin des Café Sprungbrett.
Vor allem aber könnten sie alle bei persönlichen Problemen rund um die Uhr im oder über das Haus Theresa einen fachkundigen Ansprechpartner kontaktieren. „Oft hilft einem in einer akuten Krisensituation aber auch schon die Gemeinschaft.“
Rolf Ashauer sagt: Es gebe auch heute noch Momente, in denen es ihm nicht so gut geht. Umso dankbarer sei er, „hier zu sein. Amitas hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Ich fühle mich hier wohl und weiß, was ich für Aufgaben habe“. Auf was er sich besonders freut in nächster Zeit? „Meinen 66. Geburtstag im Mai.“
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Vielleicht hätte er es ohne Amitas bis zu diesem gar nicht geschafft.