Essen. Sauberkeit, Verkehr, Milieu-Abschottung – der Weg zu mehr Akzeptanz der Innenstadt ist komplex, wie ein Bilanzgespräch zu den City-Foren zeigte.

Laut Umfragen sehen die Essener ihre eigene Innenstadt kritischer als City-Besucher, die von außerhalb anreisen – ein Befund, der eindrucksvoll zeige, wie dringend in Essen eine Beschäftigung mit dem Thema Innenstadt ist, betont Richard Röhrhoff, Geschäftsführer der Essen Marketing GmbH (EMG). Oberbürgermeister Thomas Kufen, die EMG und die FUNKE Mediengruppe als Veranstalter zogen am Mittwoch eine Bilanz der vier öffentlichen City-Foren, die als konstruktiv empfunden wurden, wenn auch konkret vieles unklar ist.

Treffen der Projektpartner der Innenstadt-Foren in der FUNKE-Zentrale. Mit dabei auch Oberbürgermeister Thomas Kufen (hinten rechts).
Treffen der Projektpartner der Innenstadt-Foren in der FUNKE-Zentrale. Mit dabei auch Oberbürgermeister Thomas Kufen (hinten rechts). © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ein Punkt immerhin führte zu einer kurzfristig organisierten Sonderaktion: Als bei einer der City-Debatten harsche Kritik an der Sauberkeit laut wurde, nahm der OB dies zum Anlass, einen gründlichen Frühjahrsputz unter Beteiligung der EBE, der EMG und anderen Institutionen anzukündigen. Und die Bereitschaft, mehr zu tun als die üblichen Reinigungsfahrten mit Kehrmaschinen, sei erfreulich groß gewesen. „Warum haben wir das nicht schon früher gemacht, war ein Satz, den ich öfter gehört habe“, so der OB.

Der Müll als ein Hindernis für eine bessere Aufenthaltsqualität

„Wohlfühlen fängt mit kleinen Dingen an“, hat Kufen aus der Diskussion mitgenommen. Man sitzt nicht gerne da, wo direkt nebenan beispielsweise ein schmieriger Abfalleimer steht oder ein Blumenbeet vermüllt ist. Auch Svenja Krämer, Innenstadt-Managerin der EMG, hält das Thema Aufenthaltsqualität für absolut zentral, setzte dabei aber einen anderen Schwerpunkt: Mehr Grün, weniger Autos ist ihr Rezept. „Auf dem Kopstadtplatz etwa möchte ich gerne die Mäuerchen und die Autoparkplätze weghaben, aber das wird sicher Diskussionen geben.“

Noch ambitionierter sind Krämers Vorstellungen für die mehrspurige Schützenbahn, jetzt eine wichtige Verkehrsmagistrale, die zur komplett autofreien Grünzone werden soll. Eine Vision, die auch bei Verkehrsdezernentin Simone Raskob und im Amt für Straßen und Verkehr Sympathie genießt, wie dessen Vize-Chef Andreas Demny erkennen ließ. Man möge mehr großflächiges „Aufreißen“ wagen, statt kleine Schritte zu gehen, hatte der Stadtplaner Andreas Kipa in einem der Foren empfohlen – derlei radikale Rhetorik, mit dem Klimawandel als Drohkulisse und Begründungszusammenhang, hat Konjunktur und fällt auch im Rathaus auf fruchtbaren Boden.

Der OB blieb beim Bilanzgespräch indes bei seiner eher ausgleichenden Linie und erteilte etwa der Vorstellung eine Absage, viele der rund 1000 Innenstadt-Parkplätze am Straßenrand doch einfach in grüne Wiese zu verwandeln und die Autofahrer auf die nur mäßig genutzten Parkhäuser zu verweisen: „Der öffentliche Raum gehört auch den Autofahrern“, so Kufen. Abgesehen davon fehle für solche Umbauten das Geld. Dass es beim Thema Verkehr mehr als nur Haarrisse im „Konzern Stadt“ gibt, ist zwar bekannt, wird aber selten derart öffentlich ausgetragen.

Akzeptanzproblem der Innenstadt hängt stark an Milieus und ihren Verhaltensweisen

Verkehr und Grünplanung nahmen bei den Foren viel Raum ein. Das „Akzeptanzproblem“ des Stadtkerns hat nach Beobachtungen von EMG-Chef Richard Röhrhoff aber nicht zuletzt auch etwas mit Milieus und ihren Verhaltensweisen zu tun. Viele Essener meiden erklärtermaßen die Innenstadt, weil sie befürchten, Menschen zu treffen, die ihnen fremd oder gefährlich erscheinen – sei es, weil sie Randgruppen angehören oder erst jüngst eingewandert sind. Die „soziale Segregation“, wie Experten es nennen, ist in Essen wegen des Nord-Süd-Gegensatzes gefühlt besonders groß, die Innenstadt bekommt das zu spüren. Das dürfte ein Hauptgrund für die Abstimmung mit den Füßen sein.

Der OB hat hier eine deutliche Botschaft: „Ich empfehle ein bisschen Gelassenheit.“ Klar sei, dass sich alle an Regeln halten müssen, doch dass in der Innenstadt viele gesellschaftliche Gruppen zusammenkommen, sei für eine weltoffene und tolerante Stadt wichtig. Wenn Menschen verschiedener kultureller und sozialer Herkunft sich treffen, bestehe die Chance, dass die Fremdheit abnimmt, lautet auch Röhrhoffs These. „Das ist der Grund, warum wir ,Essen original’ breiter angelegt haben – weg vom reinen Musikfestival, hin zu einem Stadt- und Familienfest für alle.“

Andere Events in der Innenstadt sollen ebenfalls auf mehr Breite getrimmt werden. Die Gourmetmeile „Essen verwöhnt“ etwa sei angehalten worden, neben Spitzenküche mehr Volkstümliches anzubieten – auf dass sich dann idealerweise alle an den Tischen versammeln. Denn eigentlich, liest EMG-Chef Röhrhoff aus Umfragen heraus, haben die Essener eine heimliche Leidenschaft für ihre Innenstadt. Man müsse ihnen allerdings mehr Gründe geben, dazu zu stehen.