Essen. Viele Essener sind laut Umfragen ungern in ihrer Innenstadt. Ein neues Forum will Wege finden aus der Image-Krise. So lief der Auftakt.

Es war ein Ergebnis, das ernüchtert. Fast 10.000 Menschen haben der Essener Innenstadt in einer großen Befragung unserer Redaktion ein ziemlich schlechtes Zeugnis ausgestellt: 4,3 lautete die durchschnittliche Schulnote, gerade mal ausreichend also, mit Tendenz zu mangelhaft. Die Essenerinnen und Essener sind ungern in ihrer City, vor allem die Aufenthaltsqualität wird bemängelt. Gleichwohl lässt die hohe Zahl der Teilnehmer darauf schließen, dass ihnen der Stadtkern am Herzen liegt.

Auch bei der Stadt Essen hat man den Missmut der Bürger vernommen. „Uns hat die Resonanz überrascht“, sagte am Donnerstag (19.1.) Oberbürgermeister Thomas Kufen. Rund 200 Menschen hörten seine Worte zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „#ZukunftEssenInnenstadt – Gestalte deine City“. Zu dieser hatte die FUNKE Medien NRW, die Stadtverwaltung und die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) gemeinsam ins FUNKE Media Office an den Jakob-Funke-Platz geladen. Den Abend eröffnete Christoph Rüth, Geschäftsführer der FUNKE Mediengruppe.

Innenstadt Essen: Wie kann sie attraktiver werden?

Neben der Umfrage unserer Lokalredaktion gab eine Studie des Marktforschungsinstituts Rheingold Stoff für die folgende Podiumsdiskussion. Die noch vor der Corona-Zeit erhobene Untersuchung zeigte, dass die Bürgerinnen und Bürger die City nur als eindimensionalen Ort wahrnehmen, der primär zum Einkaufen genutzt wird. „Sie suchen gezielt Geschäfte auf, arbeiten die Einkaufsliste ab und verlassen die City dann wieder“, hieß es dazu bereits nach der Auswertung Anfang 2019.

An der folgenden Podiumsdiskussion nahmen am Donnerstagabend neben OB Thomas Kufen auch Helmut Schiffer (Vorstandsvorsitzender Sparkasse Essen), Svenja Krämer (Citymanagerin der EMG), Martin Harter (Planungs- und Baudezernent), Birgit Langebartels (Rheingold) sowie Frank Stenglein (Leiter WAZ-Lokalredaktion) teil. Moderiert wurde der Abend von den Radio Essen-Redakteuren Christian Pflug (Chefredakteur) und Anna Bartl.

Rund 200 Gäste kamen zu der Veranstaltung im FUNKE Media Office an den Jakob-Funke-Platz.
Rund 200 Gäste kamen zu der Veranstaltung im FUNKE Media Office an den Jakob-Funke-Platz. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Doch was tun, um der Innenstadt neues Leben einzuhauchen, damit die Menschen wieder wirklich gerne in ihre City kommen – und nicht nur schnell etwas erledigen und dann froh sind, das Zentrum wieder zu verlassen? Sehr konkret wurde es noch nicht, was man zum Auftakt einer solchen Veranstaltungsreihe mit weiteren Abenden zu Spezialthemen wohl auch nicht erwarten darf. Zunächst ging es darum, sich den Zustand der Innenstadt zu vergegenwärtigen. Und da kam einiges auf den Tisch.

Das Publikum konnte sich per Smartphone an der Diskussion beteiligen – und Fragen sowie Antworten geben.
Das Publikum konnte sich per Smartphone an der Diskussion beteiligen – und Fragen sowie Antworten geben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Fragen aus dem Publikum, die vor Ort per Smartphone gestellt werden konnten, drehten sich beispielsweise um aggressive Bettler und wohnungslose Menschen. Zu letzterem Punkt sagte OB Kufen: „Niemand muss in Deutschland wohnungslos sein.“ Zur Problematik des aggressiven Bettelns hieß es: „Wir haben eine Satzung: Aggressives Betteln ist verboten.“ Trotzdem werden Passanten und Gastro-Besucher damit konfrontiert, das weiß auch Kufen. Würde eine höhere Besucherfrequenz dieses Problem und manche anderen wenigstens mildern?

Planungsdezernent Harter warf ein, als problematisch empfundene Gruppen würden nicht mehr so dominierend wirken, gäbe es mehr „Normalos“ in der Innenstadt. Aber genau die machen sich eben zunehmend rar, die Abstimmung mit den Füßen ist da ziemlich eindeutig. Gibt es zu wenig Sicherheitspersonal, das die Innenstadt kontrolliert und zu wenig Kameraüberwachung? Diese These stellte Frank Stenglein in den Raum und ergänzte, dass die Innenstadt als dreckig wahrgenommen werde, vor allem von denen, die etwas genauer hinschauten.

Eine Innenstadt könne nie so klinisch rein sein „wie eine Chipfabrik“ spitzte Martin Harter die Gegenposition zu. Auch der OB war bemüht, den Blick auf das Positive zu wenden. Ja, es gebe Probleme, aber die City ist seiner Ansicht nach besser als es die schlechten Noten der Bürger suggerierten.

Kontroverse um Architektur-Ideen für den Willy-Brandt-Platz

Helmut Schiffer sprach mit den Eigentümerstrukturen in der Innenstadt ein weiteres Problemfeld an. Zur Wahrheit gehöre, dass die Stadt nicht viele Immobilien selbst besitzt und entsprechend wenig gestalten könne. Gemeinsam mit der Sparkasse gehört ihr zum Beispiel die Theaterpassage. Im jetzigen Zustand ein Problemfall, für die Planungsdezernent Harter für das laufende Jahr aber Neuigkeiten in Aussicht stellte. Klar ist: Die Zentralbibliothek wird dort nicht einziehen, für sie soll es mit Außengastronomie und Dachterasse ab 2025 im Gebäude Markt 5 direkt an der Marktkirche einen Neuanfang geben.

Durch solche Projekte will die Stadt eine für viele Menschen attraktivere Innenstadt kreieren – so jedenfalls die Hoffnung. Helmut Schiffer sieht die Großbaustelle Willy-Brandt-Platz mit dem neu entstehenden Königshof als Chance. „Die geplante Markthalle“, sagt er, „ist ein gutes Beispiel“.

Den Wandel des Willy-Brandt-Platzes hat Dezernent Martin Harter im Blick und verspricht sich einiges von drei Architektur-Installationen, die verschiedenen Grundideen folgen, aber alle zum Aufenthalt auf dem Platz einladen wollen. In einem so genannten Reallabor im Sommer/Herbst 2023 will die Stadt diese Ideen testen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Nutzungsideen zu Aufenthaltsqualität und Gestaltung fließen ein in das eigentliche Planungs- und Bauverfahren, das danach folgen soll.

WAZ-Lokalchef Frank Stenglein hält die Ideen der Planerbüros für den Willy-Brandt-Platz allerdings für modische „Mätzchen“. Er empfahl einen Rückgriff auf klassische Platzgestaltungen, die den Wünschen der meisten Bürgern eher entsprächen und forderte mehr guten Geschmack und „Liebe zum Detail“ bei der Architektursprache sowie bei Möblierung und Bepflanzung des öffentlichen Raums in Essen.

#ZukunftEssenInnenstadt: Nächstes Forum am 6. Februar

Martin Harter, Planungsdezernent Stadt Essen, zur generellen Innenstadt-Debatte: „Die Emotionalität hat mich doch überrascht.“
Martin Harter, Planungsdezernent Stadt Essen, zur generellen Innenstadt-Debatte: „Die Emotionalität hat mich doch überrascht.“ © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ein Vorwurf, den Martin Harter zurückwies. Generell sagte er zu den Bürgerumfragen: „Die Emotionalität hat mich doch überrascht“, er wünsche sich „mehr Gelassenheit“. Dazu sagte Helmut Schiffer: „Wer kritisiert, zeigt Interesse.“ Das war der Konsens, auf den sich das Podium wohl noch am ehesten einigen konnte. Das nächste Publikumsforum zur Innenstadt findet am Montag, 6. Februar, statt. Dann wird das Thema „Arbeiten und einkaufen, leben und ausgehen“ kritisch diskutiert und hoffentlich mit Leben gefüllt.

Diskutierten, präsentierten und führten durch den Abend: Johannes Pusch (stellv. Leiter WAZ-Lokalredaktion Essen), Martin Harter (Planungsdezernent, Christian Pflug (Chefredakteur Radio Essen), Svenja Krämer (Essen Marketing), Oberbürgermeister Thomas Kufen, Helmut Schiffer (Vorstandsvorsitzender Sparkasse Essen), Frank Stenglein (Leiter WAZ-Lokalredaktion Essen) Anna Bartl (Radio Essen), Christoph Rüth (Geschäftsführer FUNKE Mediengruppe) und Birgit Langebartels (Marktforschungsinstitut Rheingold).
Diskutierten, präsentierten und führten durch den Abend: Johannes Pusch (stellv. Leiter WAZ-Lokalredaktion Essen), Martin Harter (Planungsdezernent, Christian Pflug (Chefredakteur Radio Essen), Svenja Krämer (Essen Marketing), Oberbürgermeister Thomas Kufen, Helmut Schiffer (Vorstandsvorsitzender Sparkasse Essen), Frank Stenglein (Leiter WAZ-Lokalredaktion Essen) Anna Bartl (Radio Essen), Christoph Rüth (Geschäftsführer FUNKE Mediengruppe) und Birgit Langebartels (Marktforschungsinstitut Rheingold). © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

>>> INFO: Die nächsten Termine

  • Lebendige City: Arbeiten und einkaufen, leben und ausgehen, Montag, 6. Februar, Einlass ab 17.15 Uhr, Beginn 18 Uhr, FUNKE Medien Office, Jakob-Funke-Platz 1.
  • Nachhaltige City: Sitzen, Feiern, Bummeln – die Stadtplätze der Zukunft, Montag, 6. März, Einlass ab 17.15 Uhr, Beginn 18 Uhr, FUNKE Medien Office, Jakob-Funke-Platz 1.
  • Mobile City: Gut unterwegs zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem ÖPNV oder im Auto, Donnerstag, 16. März, Einlass ab 17.15 Uhr, Beginn 18 Uhr, FUNKE Medien Office, Jakob-Funke-Platz 1.

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