Essen. Zum Welttag des Buches wird auf Essens Akazienallee gefeiert. Beim Literaturviertelfest haben sich namhafte Autoren und Schreibtalente angesagt.

Schlechtes Wetter ist normalerweise ja gut für gemütliche Lesestunden. Es sei denn, Bücher und Autoren warten Open Air auf die Leserschaft. 2019 erlebte das erste große Literaturviertelfest auf der Akazienallee in Essen so manchen klimatischen Dämpfer mit Regen, Wind und Kälte. Dann kam Corona und der Zwang, den Bücherbummel gar nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden zu lassen. In diesem Jahr wollen die Essener Organisatoren zum Welttag des Buches aber wieder für besondere Aufmerksamkeit sorgen.

Am Samstag, 22. April, verwandelt sich die Akazienallee zwischen 13 und 21 Uhr in eine große Lese-Bühne. Und die gute Nachricht für alle wetterfühligen Literaturfreunde: In dem neu eröffneten Leseraum an der Akazienallee sitzen Autoren und Zuhörer diesmal garantiert warm und trocken.

Schmökern auf der Straße – die Bücherbäume tragen literarische Last

Auf und rund um die Akazienallee ist aber auch einiges los. Natürlich bieten die Bücherbäume am Straßenrand wieder verlockende Lesefrüchte zum Selbstabpflücken. Marc Gettmann macht die Straße nicht nur zur Lese-, sondern auch zur Zaubermeile. Und neben der wohl kleines Lesebühne des Landes – der Ape von Kultur.West – präsentieren sich auch die Anlieger von der Buchhandlung Proust, über das Recherche-Büro Correctiv bis zur Kunsthandlung Schlag als Anlaufstelle: mit Büchern natürlich, aber auch mit Kaffee, Kuchen und einem Dach, falls das Literaturviertelfest dann doch mal einen Schauer abbekommt.

Die Akazienallee wird zur Büchermeile. Am Straßenrand finden sich reichlich Leseangebote.
Die Akazienallee wird zur Büchermeile. Am Straßenrand finden sich reichlich Leseangebote. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Langfristvorhersagen sind allerdings so vielversprechend wie der Ausblick aufs abwechslungsreiche Programm. Das hat Autorinnen und Autoren im Angebot, deren Werke teils eng mit der Stadt Essen verbunden sind. Lisa Roy etwa schreibt mit ihrem Debütroman „Keine gute Geschichte“ gegen den Mythos von einer klassenlosen Gesellschaft an. Ihre Heldin Arielle stammt aus prekären Katernberger Verhältnissen und wird als Social-Media-Managerin in Düsseldorf wohlhabend. Bis ein Anruf aus Katernberg sie zurück in ihre Kindheit katapultiert.

Buch über Arzneimittelversuche an Heimkindern des Franz Sales Hauses

Beim Literaturviertelfest wird Lisa Roy aus ihrem für den Debütpreis der Lit.Cologne 2023 nominierten Roman lesen. Ebenso wie Sylvia Wagner, die in „Heimgesperrt“ über die jahrzehntelang durchgeführten Medikamententests an Heimkindern schreibt. Die bahnbrechende Studie der Pharmaziehistorikerin hat in den vergangenen Jahren für Aufsehen gesorgt und unter anderem auch Arzneimittelversuche an Heimkindern des Essener Franz Sales Hauses aufgedeckt. Sabine Gelsing hingegen beschäftigt sich in „Entzwei“ mit den grausamen Erziehungsmethode von Kinderheimen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren unter dem Deckmantel der katholischen Kirche.

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Dass sich Autor und Wahl-Berliner Ingo Schulze im Ruhrgebiet mittlerweile bestens auskennt, liegt an der Tatsache, dass der Erfolgsautor im Herbst 2022 Metropolenschreiber der Brost-Stiftung geworden ist. In Essen spricht er mit „Schreibheft“-Herausgeber Norbert Wehr auch über seinen neuen Essay-Band und die Entdeckung von Wolfgang Welt.

Auch die VHS macht mit – Kurzgeschichten aus der Schreibwerkstatt

Ein bisschen Westfalen, ein bisschen Anatolien: Der Dortmunder Autor, Kabarettist, Moderator und Illustrator Murat Kayi beherrscht den kulturellen Spagat und kündigt für das Literaturviertelfest sogar eine „Ganzkörperlesung“ mit Musik, Bild und Literatur an.

Vielstimmig geht es zu, wenn die jungen Schreibenden der „Essener Jugendanthologie“ ihre Texte vorlesen oder Autorinnen und Autoren eines VHS-Schreibwettbewerbs ihre Kurzgeschichten vorstellen. Die Bildungsstätte am Burgplatz macht in diesem Jahr ebenfalls mit, Fabian Fechner und Barbara Schneider reden dort unter anderem über„Nordrhein-Westfalen und der Imperialismus“.

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Kunstbuch-Verleger Kurzgeschichten-Autoren, Poetry Slammer und Satire-Magazin-Redakteure – beim Literaturviertelfest kommen die Teilnehmer aus verschiedenen Bereichen und haben doch ein gemeinsames Ziel. Die Akazienallee mit einer besonderen Anlaufstelle – der vielfach ausgezeichneten Buchhandlung Proust, die seit einigen Monaten offensiv nach einem Nachfolger sucht. Anfragen, so Proust-Chefin Beate Scherzer, habe es mittlerweile schon einige gegeben. „Wir sind in Gesprächen und bringen eventuell Leute zusammen“, sagt Scherzer. Und vielleicht läuft man sich sogar beim Literaturviertelfest über den Weg.

Mehr Infos und Programm: www.buchhandlung-proust.de