Essen-Karnap. Im Essener Norden, kurz vor Gelsenkirchen steht ein Jugendhaus seit Jahren leer. Was es mit dem Karl-Matull-Heim auf sich hat.

Tief im Norden von Essen, wenige Meter vor der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen-Horst sprechen die Bewohner von „Karnap drei“. Was das bedeutet? Marode Straßenbahnschienen, langsames Internet und erst seit Kurzem mehr als drei Fernsehprogramm, so schildern es jene, die sich vor Jahrzehnten im dortigen Jugendzentrum, dem Karl-Matull-Heim, kennen und lieben gelernt haben.

Das mit den drei Fernsehprogrammen ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber die Straße „In der Mark“, an der das Karl-Matull-Heim jetzt zunehmend verwittert, ist tatsächlich abgelegen. Abgelegen von der Karnaper Ortsmitte mit Rewe, Action, Grundschule und Apotheke – „Karnap eins“ – und auch abgelegen von Burger King, Aldi und Lidl ein paar Hundert Meter weiter – „Karnap zwei“.

Lost-Place: Karl-Matull-Heim nach Arbeitsdirektor der Matthias-Stinnes AG benannt

Aus dem Geschäftsbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geht hervor, dass das Jugendheim am 29. Juni 1959 eröffnet wurde. Den Namen erhielt es durch den bereits damals verstorbenen Arbeitsdirektor der Matthias-Stinnes AG, Karl Matull. „Kalle“ steht auch noch immer in bunten Schreibschrift-Buchstaben an dem eisernen Eingangstor. Der Weg dorthin ist jedoch mit altem Laub übersät. Auch die Fenster des Hauses sind zum Teil kaputt, vergittert oder mit Holzplatten versperrt.

Das Eingangstor des Karl-Matull-Heims in Essen-Karnap ist weitestgehend unversehrt. Dahinter wird es jedoch ungemütlich.
Das Eingangstor des Karl-Matull-Heims in Essen-Karnap ist weitestgehend unversehrt. Dahinter wird es jedoch ungemütlich. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Vor einem Jahr ist das Gelände gerodet worden, jetzt wachsen wieder Brombeeren vor den Außenmauern, Äste und Laub verteilen sich auf dem Gelände. Die Tischtennisplatte auf dem Außengelände wurde jahrelang nicht bespielt, der auf die Fassade gemalte Bart Simpson sieht auch nicht mehr frisch aus. Das Karl-Matull-Heim ist zu einem Lost Place geworden. Einem verlassenen, aber in den Erinnerungen vieler noch nicht vergessener Ort.

Karl-Matull-Heim bot einst Angebote für Kinder und Jugendliche in Essen

DGB-Regionsgeschäftsführer Dieter Hillebrand erklärt: „Nach der Eröffnung wurde dort gewerkschaftliche Jugendarbeit, Bildungsveranstaltungen und offene Angebote für Kinder und Jugendlich in Karnap durchgeführt.“ Auch eine Bibliothek habe es gegeben. Jene, die dabei waren, schwärmen von der freitäglichen Jugenddisco, dem Basketballfeld und den Zeiten, als eine Flasche Stauder 1 DM kostete.

Vor einem Jahr wurde das Außengelände des Essener Karl-Matull-Heims gerodet, sonst ist dort seit Jahren nichts passiert.
Vor einem Jahr wurde das Außengelände des Essener Karl-Matull-Heims gerodet, sonst ist dort seit Jahren nichts passiert. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Wann das Freizeitheim genau geschlossen wurde, ist unklar. Hillebrand: „Im Geschäftsbericht 1965/66/67 konnte ich von Schwierigkeiten beim Unterhalten des Jugendheimes etwas lesen. Hintergrund waren bereits damals die steigenden Gesamtkosten und Reparaturen.“ In Geschäftsberichten der 70er Jahre habe er keine Eintragungen mehr gefunden, die Spur verliert sich.

Jugendhilfe Essen hat Karl-Matull-Heim zuletzt genutzt

Stadtsprecherin Maike Papenfuß erklärt, dass sich das Jugendheim nicht auf einer städtischen Fläche befinde, sondern in Privatbesitz sei: „Die Stadt Essen hat das Gebäude im Jahr 1998 angemietet, zuletzt übernahm die Jugendhilfe Essen (JHE) von 2009 bis 2012 den Betrieb des ehemaligen Kinderspielhauses. Weitere Informationen liegen nicht vor.“ Danach wurde in Altenessen-Süd das Jugendzentrum „Palme 7“ gegründet. Laut Hillebrand ist die Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes noch immer Eigentümerin. Anfragen unserer Redaktion blieben dort bisher unbeantwortet.

Bis auf die Rodung vor einem Jahr ist im Karl-Matull-Heim jedoch schon sehr lange gar nichts mehr passiert – zum Bedauern jener, die in „Karnap drei“ wohnen oder sich an die guten alten Zeiten dort erinnern: „Wenn das Kalle wieder öffnen würde, wäre das toll für die Kids“, schreibt eine Nutzerin auf Facebook.

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