Essen-Altenessen. Über das Image des Essener Nordens wurde bei der Altenessen-Konferenz geredet. Ein Teilnehmer: „Die vergangenen Jahre waren verlorene Jahre.“
- Rund 100 Teilnehmer diskutierten bei der Altenessen-Konferenz, wie man das Image des Essener Nordens verbessern kann.
- Die Essen Marketing GmbH will zusammen mit der FOM eine Befragung durchführen, die Ende des Jahres in eine Imagekampagne münden soll.
- Manche sagen: „Altenessen ist ein Musterbeispiel für einen Sanierungsfall“, andere finden: „Es nervt, dass sich die Leute im Essener Norden immer rechtfertigen müssen.“
Kann man den Hamburger Stadtteil St. Pauli mit dem Essener Norden vergleichen? Einen Versuch unternahmen rund 100 Akteure der Altenessen-Konferenz am Sonntag in der Zeche Carl. Wie auch schon bei der ersten Ausgabe dieses Formats vor zehn Jahren ging es um das Image des Essener Nordens.
Verdienst, Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Zuwanderung: Der durchschnittliche sozioökonomische Status der Altenessener und ihrer Nachbarn ist damals wie heute im orangenen Bereich. Schlimmer geht immer, das gilt auch hier. Beispielsweise bei der Einkommensstatistik sind Altendorf und das Nordviertel nicht im orangenen, sondern im roten Bereich. Zurück nach Altenessen: Dort gibt es auch die, die dort gerne leben, zum Teil seit Jahrzehnten. Und dass der Norden mehr zu bieten hat, als eben jene Statistiken, wollen sie jetzt allen zeigen: Mit Identität statt Image und jeder Menge Ideen, die sie an die Essen Marketing GmbH weitergeben, die daraus eine Kampagne für den Stadtteil gießen soll.
Bewohner sollen sich mit Altenessen identifizieren und das nach außen tragen
Hilfe versprechen sie sich von der Quartiersmanagerin von St. Pauli, Julia Staron. Die erklärte, dass man sich nicht hinter den Problemen verstecken darf. In St. Pauli habe es beispielsweise große Probleme mit Wildpinklern gegeben, also startete die Interessensgemeinschaft die Kampagne „St. Pauli pinkelt zurück“ und bestrich Wände mit einem wasserabweisenden Speziallack, der den Urin abspritzen lässt.
Das Video dazu ging viral, wurde weltweit in den sozialen Medien geteilt, auch der Guardian berichtete über die Wildpinkel-Kampagne von St. Pauli. Auch ein Imagefilm half laut Julia Staron, das schmuddelige Rotlicht-Image von St. Pauli zu relativieren. Wichtig sei, dass die Bewohner sich mit ihrem Stadtteil identifizieren und das nach außen tragen.
Altenessener findet, die letzten zehn Jahre waren für Stadtteil verloren
Hilft diese Medizin auch dem Essener Norden auf dem Weg zu einem positiven Image? „Ich musste zwischendurch mit den Tränen kämpfen bei den Worten der Hamburgerin“, sagt Thomas Sterner nach der Konferenz im Gespräch mit der Redaktion. Sterner wohnt seit Jahrzehnten in Altenessen. Dass ein Imagefilm die Kehrtwende bringt, glaubt er aber nicht, er könne lediglich ein Mosaikstein sein. „Wegen des Films kommt keiner vom Essener Süden in den Norden, aber jede Aktion ist einen Versuch wert.“ Wichtiger sei jedoch, dass sich auch die Essener Politik verstärkt dem Norden widme und beispielsweise den Milchhof Kutel nach vorne bringe oder die Bauruine am Bahnhof angehe.
Auch Karlheinz Endruschat, ehemals stellvertretender SPD-Parteivorsitzender in Essen erklärte nach der Altenessen-Konferenz auf Facebook: „In zehn Jahren Altenessen-Konferenz hat sich nichts verbessert, dass ist allerdings nicht die Schuld der Akteure, sondern einer Politik, die nach Süden ausgerichtet ist.“ Altenessen sei inzwischen an Hochschulen in der gesamten Republik zum Musterbeispiel der Entwicklung eines einst gewachsenen Stadtteils zum Sanierungsfall geworden.
Altenessenerin plädiert für mehr Selbstbewusstsein
Endruschat wird noch deutlicher und sagt: „Die vergangenen zehn Jahre waren wieder verlorene Jahre für Altenessen.“ In den Jahren 2015/2016, als die Flüchtlingswelle in die schon benachteiligten Stadtteile geschwappt sei, hätten Politik und Verwaltung geschworen, man werde diese Stadtteile strukturell stärken. „Geschehen ist nichts“, so der Altenessener. Dem Stadtteil gehe es von Jahr zu Jahr schlechter.
Das sieht Dagmar Barkhofen anders. Auch sie wohnt seit Jahrzehnten gerne in Altenessen und sagt: „Wir werden von der Politik schon mehr wahrgenommen als noch vor ein paar Jahren.“ Die Altenessener müssten mehr Selbstbewusstsein zeigen, nicht nur die Missstände, sondern auch positiven Seiten hervorheben. Das ist auch die Meinung von Annegret Böckenholt aus dem Vorbereitungskreis der Altenessen-Konferenz: „Wir müssen die negativen Aspekte des Essener Nordens annehmen und nicht wegdiskutieren.“ Die Hilfsbereitschaft sei riesig im Essener Norden, ebenso die Vielfalt, weiß Dagmar Barkhofen aus Erfahrung. Und damit meint sie nicht nur die verschiedenen Nationalitäten, sondern auch die Lebensmittelauswahl im türkischen Supermarkt um die Ecke.
Die Altenessenerin weiß aber auch: „Die Menschen sind genervt davon, sich ständig für ihren Stadtteil rechtfertigen zu müssen.“ Das geht nun schon seit vielen Jahren so. Die Imagekampagne sei ein guter Auftakt für eine Kehrtwende, es müsse aber bei den Menschen im Kopf viel passieren. Sie müssten sich mehr mit ihrem Stadtteil identifizieren und das auch nach außen tragen.
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