Essen. Sparkassen-Beschäftigte gehen aus Protest auf die Straße. Sie sollen schlechter gestellt werden als der restliche öffentliche Dienst.
Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sparkasse ist der Frust groß. Denn wenn es nach den Arbeitgebervertretern in der laufenden Tarifrunde des öffentlichen Dienstes geht, sollen sie schlechter gestellt werden, als der große Rest der Beschäftigten. Verdi lehnt ein solches „Sonderopfer“ für die Sparkassen ab.
Die Mitarbeitenden treibt der Arbeitgebervorstoß auf die Straße. Auch in Essen: Bereits am Donnerstag trafen sich mehrere hundert Sparkassen-Beschäftigte zu einer Kundgebung, unterstützt von Kollegen aus Mülheim und Duisburg. Am Freitag gingen die Proteste weiter: Mit einer langen Menschenkette „umstellten“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittags die Sparkassen-Hauptstelle in der Essener Innenstadt. Kunden spürten die Auswirkungen des Warnstreiks an beiden Tagen: Der Großteil der Filialen im Essener Stadtgebiet musste geschlossen bleiben. Am Donnerstag waren 23 der 30 Zweigstellen betroffen, am Freitag 24.
Öffentlicher Dienst: Für Sparkassen soll Erhöhung später kommen
Auf dem Verhandlungstisch in Potsdam liegt derzeit Folgendes: Verdi fordert 10,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 500 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Das bisherige Angebot der Arbeitgeber ist davon deutlich entfernt. Sie bieten insgesamt fünf Prozent in zwei Stufen an bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Außerdem wollen sie als Inflationsausgleich 2500 Euro zahlen.
Was Verdi als Sonderopfer der Sparkassen bezeichnet, betrifft diesen Punkt: Während die Beschäftigten im öffentlichen Dienst am 1. Oktober die erste Erhöhung bekommen sollen, soll sie für Sparkassen-Mitarbeiter erst ab dem 1. Januar 2024 gezahlt werden und die zweite Stufe sogar erst mit acht Monaten Verspätung. Für einen Sparkassenbeschäftigten würde das je nach Entgeltgruppe 850 Euro bis 1000 Euro weniger bedeuten, rechnet der Oberhausener Personalrat Thomas Zimmermann vor.
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Für die Gewerkschaft Verdi ist das „Sonderopfer“ nicht nur ungerecht, sondern schlicht eine „Frechheit“. Auch die Personalräte mehrerer Sparkassen im Ruhrgebiet schlagen angesichts dieses „unakzeptablen Angebots“ der Arbeitgeberseite Alarm. „Wir machen uns Sorgen um die Zukunft der Sparkassen“, sagt die Personalratsvorsitzende aus Duisburg, Kirsten Heinrich, am Freitag auf einer Pressekonferenz, zu der sich Arbeitnehmervertreter aus Essen, Duisburg, Oberhausen und Mülheim gemeinsam zusammengefunden haben – ein nicht alltägliches Vorgehen der eigentlich eigenständigen Häuser.
Mit drastischeren Worten warnt David Wandt, Personalratsvorsitzender der Essener Sparkasse, vor den Folgen: „Ich sehe das Geschäftsmodell der Sparkassen in Gefahr und fürchte, dass wir unseren öffentlichen Auftrag nicht mehr erfüllen können.“
Personalräte: Sparkassen sind gut durch Krise gekommen
Aus Sicht der Personalräte gibt es wirtschaftlich keinen Grund, dass ihre Kollegen schlechter als der Rest der Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst gestellt werden sollen. Die Sparkassen hätten durch die Bank weg ein erfolgreiches Jahr 2022 hinter sich, berichten sie. Die Zinsentwicklung spiele ihnen dabei in die Karten. Die Betriebsergebnisse seien gestiegen. 2022 sei auch für das Essener Institut ein wirtschaftlich starkes, ertragreiches Jahr gewesen, unterstreicht David Wandt. Zahlen wird die Sparkasse erst in einigen Tagen veröffentlichen.
Die Personalräte warnen davor, auf Kosten der Mitarbeiter zu sparen. Schon jetzt gebe es große Personalprobleme in den Instituten. „Wir finden selbst für einfache Tätigkeiten kein Personal mehr“, berichtet Thomas Zimmermann. Auch an Nachwuchs fehle es. Wenn in einigen Jahren viele Mitarbeiter altersbedingt ausscheiden, sei diese Lücke nicht zu füllen. In den Sparkassen Duisburg, Mülheim und Essen ist die Lage nicht besser.
Personalnöte in den Sparkassen wachsen
Für die Sparkassen müsse es deshalb umso mehr darum gehen, attraktive Arbeitgeber zu bleiben, fordern die Personalräte. Sie erleben jedoch, dass die Häuser schon heute Mitarbeiter oder Bewerber an andere Bereiche im öffentlichen Dienst verlieren. Wenn sich nun die Sparkassen bei der Bezahlung schlechter stellten, verstärke das diesen Trend, glaubt David Wandt.
Schließlich weisen die Personalräte auf die Arbeitsbelastung der Beschäftigten hin. Schon die hohen Krankenstände während der Corona-Pandemie hätten die Sparkassen-Mitarbeiter gefordert. Nun komme die Flüchtlingswelle aus der Ukraine mit vielen Ratsuchenden dazu. „Die Leute gehen auf dem Zahnfleisch“, sagt Sabine Ponto, Personalrätin aus Mülheim. Eine Anerkennung für die geleistete Arbeit sei aus dem Arbeitgeber-Angebot nicht herauszulesen.
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