Essen. Erst vor wenigen Wochen verlängerte Helmut Schiffer seinen Vertrag um vier Jahre. Nun überrascht der Abgang eines Mannes, der in Essen nie ankam.
Dass sie einen passionierten Schachspieler als Vorstandschef haben, dass wissen sie bei der Sparkasse Essen schon lange, und dass man beim Spiel der Könige manchmal Opfer bringen muss, um das große Ganze zu retten, auch. In diesen Tagen aber greift ihr Frontmann zu einer Volte, die selbst manchen im Führungszirkel überrascht: Sparkassen-Chef Helmut Schiffer setzt sich selbst „schachmatt“, der Vorsitzende des dreiköpfigen Vorstands räumt Ende Juli kommenden Jahres überraschend das Feld.
Freiwillig. Und dies, obwohl er dem Vernehmen nach erst im September, fast auf den letzten Drücker, seinen Vertrag beim Platzhirschen unter den Essener Kreditinstituten um vier Jahre verlängert bekam. Er habe sich, so ließ Schiffer am vergangenen Montag der vergangenen Woche (12. Dezember) die Führungs-Crew im eigenen Hause wissen, dafür entschieden, seinem Privatleben den Vorzug zu geben. 45 Jahre Sparkassen-Leben seien einfach genug.
Alle fragen sich, warum der Gedanke ans Aufhören nicht drei Monate früher kam
Seither fragen sich die gut 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im eigenen Hause, warum dem 62-Jährige dieser naheliegende Gedanke nicht schon drei Monate vorher dämmerte, und ob hinter dem Abgang mit Ansage nicht vielleicht doch mehr steckt, Ärger mit dem Verwaltungsrat vielleicht?
Fachlich, so sagen Eingeweihte, habe man dem Sparkassen-Chef nicht viel vorzuwerfen, die Sparkasse kam gut durch die gewaltige Branchenkrise, was zweifelsohne auch an der Arbeit seiner Vorstandskollegen liege. Deutlich vernehmbar aber entzündet sich auf mehreren Seiten Kritik am Führungsstil Schiffers, von dem es zudem heißt, er sei in den knapp vier Jahren an der Essener Sparkassen-Spitze nie wirklich in der Stadt angekommen.
Der vorzeitige Abgang – nur der Versuch einer gesichtswahrenden Lösung?
Es sei aber unabdingbar, die eigene Belegschaft auf dem Kurs durch schwierige Gewässer mitzunehmen, zumal, wenn es viel „Anpassungsbedarf“ gibt, wie das auf Neudeutsch so schön heißt: ein Filialnetz mit deutlich größeren Maschen, personelle Umbesetzungen, Motivations-Bedarf allerorten. Schiffer, so sagen Kenner der Verhältnisse im Hause, habe erst gar nicht versucht, die Seinen für diesen Weg zu begeistern, „er ist“, so bringt es einer auf den Punkt, „weiß Gott kein Menschenfischer“.
Das brachte vor allem die Arbeitnehmer-Vertreter im Verwaltungsrat auf die Gegenspur, aber auch andere im 15-köpfigen Gremium hegten augenscheinlich Zweifel, ob es für den Mann, der 2018 aus Düsseldorf vom Rheinischen Sparkassen und Giroverband an die Ruhr kam, eine zweite Amtszeit geben sollte. Manche mutmaßen gar, die Vertragsverlängerung auf den letzten Drücker sei womöglich nur der Versuch einer gesichtswahrenden Lösung gewesen – verbunden mit der Absprache, vorzeitig das Handtuch zu werfen.
Bis zum 1. August einen neuen Vorstandschef zu finden, das wird knapp, heißt es
Oder war es am Ende die mit dem Hickhack um die Vertragsverlängerung verbundene Kränkung? Dass Schiffer anno 2023 volle 45 Jahre auf dem Sparkassen-Buckel hat und nur dies, romantisch verklärt, als Signal zum Aufhören begreift, glauben jedenfalls die wenigsten.
Eine Findungskommission soll sich jetzt mit der Frage befassen, wer die Nachfolge Schiffers antritt. Dass es schon zum 1. August kommenden Jahres eine Lösung gibt, wird allerdings weithin bezweifelt. Immerhin, es geht um einen Top-Job: Als Kreditinstitut mit einem Geschäftsvolumen von rund 9,6 Milliarden Euro rangiert die Sparkasse Essen unter den Top 30 der 370 bundesdeutschen Sparkassen. Und gut dotiert ist der Posten ja auch: 2021 erhielt Helmut Schiffer als Vorstandschef laut Jahresabschluss ein Salär von 652.800 Euro, davon 57.100 erfolgsabhängig.
Gute Partie.