Essen-Werden. Die Werdener „Tuchmacher Stuben“ gehören zu den urigsten Kneipen in Essen. Seit 33 Jahren stehen Irmgard und Wolfgang Werk hinterm Tresen.
Werden war mal ein Kneipen-Paradies. Nach Recherchen des Heimatforschers Karl Püttmann gab es zum Höhepunkt der Ruhr-Schifffahrt um 1860 nur rund 300 Wohnhäuser im Stadtkern. Dafür aber sage und schreibe 60 Wirtschaften: „Wodurch die Neigung des hier wohnenden Volksstammes zur Geselligkeit und nicht übermäßig schweren Lebensauffassung sehr genährt wurde.“
Das Kneipensterben nimmt aber auch hier seinen Gang, von diesen einst 60 Gasthäusern ist keine Handvoll mehr übriggeblieben. Eine der letzten Traditions-Pinten des Abteistädtchens sind die „Tuchmacher Stuben“ in der Heckstraße.
Tuchmacher Stuben – ein lokalpatriotischer Name
Als Irmgard und Wolfgang Werk im März 1990 die Gaststätte „Kaufmann“ übernahmen, wählten sie einen lokalpatriotischen Namen. Er rührt noch aus alten Zeiten, als Werden ein Zentrum der Tuchmacher und Feintuchwerke war. Die Gaststätte verströmt eine urige Beständigkeit, wie man sie kaum noch findet. Ohne großes Schnickschnack, aber mit viel Herzlichkeit.
Hier gibt es ihn noch, den etwas knorrigen Wirt mit dem goldenen Herzen. Der gelernte Kraftfahrzeug-Mechaniker Wolfgang Werk war in jungen Jahren ein richtig guter Kicker und stürmte für den Bonner SV in der Regionalliga West. Für echte Hausmannskost der lecker-rustikalen Art steht die handfeste und schlagfertige Wirtin. Sie lockte den Rheinländer ins Ruhrgebiet.
Irmgard Werk ist glühender Schalke-Fan: Im Gang Richtung Küche sind die Wände liebevoll geschmückt mit Fanutensilien, Bildern und anderen Devotionalien des Vereins.
Gäste bezeichnen die Wirte als „sympathisch und bodenständig“
Der donnerstägliche Stammtisch „Die Werdener Tafel“ setzt sich aus Kickern und Skatspielern zusammen. Einhellige Meinung: Die Werks und ihre „Tuchmacher Stuben“ müsste man erfinden, gäbe es sie nicht schon. Besucher Wolfgang Steinberg: „Die beiden sind einfach sympathisch und bodenständig.“
„Der Wolfgang hat für jeden Zeit und ein gutes Wort“, bemerkt Stammgast Andreas (53). Auch Uli (72) weist auf die höchst kommunikative Ader des Patrons hin: „Der Wolfgang ist eines der letzten analogen Medien. Nicht auf Bildschirm oder Handy. Sondern in echt, zum Anfassen.“ Egon Hildenbrandt skizziert die einladende Atmosphäre mit einem Wort: „Unkompliziert.“
Am Tresen steht Peter Allmang. Er liebe es, in „einer der letzten schönen Stadtteilkneipen“ dem Volk „aufs Maul zu schauen“. Hier gebe es für jeden einen Gesprächspartner: „Jung und Alt philosophieren über die Dinge des Lebens.“ Man treffe hier viele alteingesessene „Waddische“ und Neu-Werdener, die sofort Anschluss finden. Dazu gebe es bezahlbares Bier und „allerbeste Hausmannskost zu unschlagbaren Preisen“.
Frisch zubereitete Mettbrötchen für den kleinen Hunger
Die „irgendwas über 80 Jahre“ junge Wirtin wuchs in Gelsenkirchen auf. Das prägte. Irmgards Küche ist gutbürgerlich. Da kommen Koteletts, Wirsingrouladen oder Grünkohl auf den Tisch. Nicht fehlen dürfen natürlich für den kleinen (Bier)-Hunger mehrfach täglich frisch zubereitete Mettbrötchen und Frikadellen.
Regelmäßig kehren Stammtische ein
Zu den 33 Jahren „Tuchmacher Stuben“ kommen noch fünf Jahre in der „Halben Höhe“ am Viehauser Berg, dort hatten die Werks das Geschäft von Wirt Arnold Fleckhaus übernommen. Nach Adam Riese sind sie also seit 38 Jahren Gastgeber.
Am Donnerstag, 9. März, wollen „Irmchen und Wolfgang“ ab 18 Uhr mit ihren Gästen das Schnapszahl-Jubiläum feiern. Skat- und Doppelkopfrunden, Knobler, Familien und Fußballfans, alle sollen sich wohlfühlen im traditionsreichen Wirtshaus.
Dazu kommen regelmäßige Stammtische: Metzger, Ritter der Samtkragen, ETUF-Golfer, Sänger, EWRC-Ruderer, Bollerwagenjecken und Jedermänner.
Wie lange die beiden noch hinterm Tresen und am Herd stehen werden, steht in den Sternen. Aber man darf durchaus zuversichtlich sein, dass es noch ein paar Jährchen werden. Brauereichef Thomas Stauder hofft jedenfalls: „Die Tuchmacher Stuben in der Werdener Altstadt sind eine Institution. Wir möchten unsere erfolgreiche Partnerschaft auch in Zukunft gerne fortführen.“
Das Paar nutzte den Lockdown, um sich orthopädisch operieren zu lassen und wirkt seitdem frischer denn je. Doch wenn man es sich auch wünschen täte, die Zeit bleibe ja nicht wirklich stehen, meint Wolfgang Werk. Er zähle jetzt schon 74 Lenze. Aber: „Die Gastronomie ist unser Leben. Wir werden auch in Zukunft für unsere Gäste da sein.“
Irmgard Werk verspricht: „Solange es gesundheitlich geht, werde ich nicht aufhören. Meine Gäste geben mir immer wieder die Kraft und die Freude, weiterzumachen.“