Essen. Gleich drei Firmen wollen ein Glasfasernetz bauen. Vielen Bürgern bleibt damit zwar Wahlfreiheit, aber Straßen werden wohl mehrfach aufgebuddelt.

Erst kam der Glasfaser-Ausbau in Essen jahrelang gar nicht in Gang, jetzt buhlen gleich mehrere Anbieter um Kunden und Kundinnen: Die Deutsche Telekom will in Essen bis zum Jahr 2026 rund 250.000 Haushalte an das ultraschnelle Internet anschließen. Das regionale Unternehmen Ruhrfibre, das mit Vodafone kooperiert, hat 150.000 Haushalte bis Ende 2025 im Visier. Und neu dazu gekommen ist seit Jahresbeginn die Breitbandversorgung Deutschland GmbH, die zusammen mit Giga Access zumindest für 18.000 Essener Haushalte Glasfaser verspricht.

Gut ist: Vielen Bürgern bleibt damit eine Wahl. Aber klar ist auch: Die Anbieter dürften sich beim Netzausbau in einigen Stadtteilen in die Quere kommen. Mit einem so genannten Überbau von Leitungen sei zu rechnen, bestätigte die Stadtverwaltung. Denn anders als bei Strom oder Gas ist der freie Zugang zu den Glasfasernetzen für Konkurrenten gesetzlich nicht reguliert. Der Wettbewerb beim Netzausbau ist von der Politik gewollt. Und Absprachen zwischen den Netzbetreibern sind aus kartellrechtlichen Gründen verboten. Die Stadt Essen hat somit keine Handhabe, wenn ein zweiter Anbieter seine Glasfaser in eine Straße legt, wo kurz zuvor schon ein anderer gegraben hat.

Glasfaser: Stadt Essen will Baustellen möglichst koordinieren

Für die betroffenen Anwohner würde damit freilich die Belastung durch Baustellen steigen, wenn die Straße oder der Gehweg mehrmals aufgerissen wird. Auch deren Zustand dürfte sich damit nicht verbessern. Die Stadt will zwar versuchen, die Bauaktivitäten zu koordinieren und unter den Anbietern zu vermitteln. Doch wie die Erfahrung in anderen Städten zeigt, ist das eher schwierig.

Welche Straßen von einem Überbau konkret betroffen sind, wird sich zeigen. Zumindest aber die Stadtteile, wo das in nächster Zeit passieren könnte, stehen fest. So will die Telekom in diesem Jahr mit dem Ausbau in Katernberg, Stoppenberg, Schonnebeck, Kray (Rotthauser Straße), Heisingen, Kupferdreh, Burgaltendorf, Überruhr, Werden, Fischlaken, Heidhausen und Borbeck beginnen. Das Unternehmen Ruhrfibre, an dem die Stadt Essen mitbeteiligt ist, kündigte den Baustart für dieses Jahr in 13 Stadtteilen an: Burgaltendorf, Byfang, Fischlaken, Heidhausen, Katernberg, Kray, Kupferdreh, Rellinghausen, Schonnebeck, Stadtwald, Überruhr-Hinsel, Überruhr-Holthausen und Werden. Damit gibt es allein zwischen Telekom und Ruhrfibre acht Überschneidungen.

Die Deutsche Breitbandversorgung/Giga Access hat die Stadtteile Stadtwald, Rellinghausen, Fischlaken, Werden und Heidhausen im Visier. Sie wirbt damit im gleichen Gebiet wie Ruhrfibre um Kunden und überlagert sich mit der Telekom immerhin in drei Ausbaugebieten.

Telekom und Ruhrfibre bauen Netz ohne Vorbedingungen

Für die Haushalte heißt das, dass sie derzeit Angebote gleich von mehreren Telekommunikationsunternehmen im Briefkasten haben oder deren Werber vor der Haustür stehen. Die Verbraucherzentrale rät, zunächst die Unterlagen zu prüfen und sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Wer meint, doch allzu schnell einen Vertrag an der Haustür abgeschlossen zu haben, dem bleibe ein 14-tägiges Widerrufsrecht.

Ob am Ende alle drei Wettbewerber in Essen tatsächlich so ausbauen, wie geplant, ist offen. Während Telekom und Ruhrfibre es nicht davon abhängig machen wollen, wie viele Interessenten es im Vorfeld gibt, hat sich die Deutsche Breitbandversorgung/Giga Access eine Vorvermarktungsquote von mindestens 40 Prozent gesetzt. Dieser Anteil an Haushalten muss zusammenkommen, bevor überhaupt gebaut wird.

Verband kritisiert bundesweiten Netzüberbau

Der im Grunde irrsinnige Überbau von Glasfaser-Leitungen wäre einfach zu lösen, wenn es ein so genanntes Open-Access-Netz geben würde, das einer baut und das die Konkurrenz gegen eine angemessene Gebühr nutzen könnte. Dann gäbe es zwar den Wettbewerb unter den Telekommunikationsanbietern, aber eben nicht beim Netzausbau.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Der Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas), der rund 160 Unternehmen vertritt, beobachtet in jedem vierten Postleitzahlenbereich das Phänomen des Überbaus und spricht von einem volkswirtschaftlichen Irrsinn. Der Überbau binde Ressourcen und sorge für unnötige Emissionen. Vor allem aber befürchtet der Verband, dass damit das politische Ziel, superschnelles Internet bis 2030 allen Haushalten zur Verfügung zu stellen, verfehlt wird. Denn wenn an einer Stelle doppelt gebaut werde, blieben an anderer Stelle weiße Flecken.

Ruhrfibre schießt gegen Telekom

Eine Ursache für den Überbau von Leitungen scheint zu sein, dass die Telekom lieber ihr eigenes Netz vorantreiben und damit den Markt besetzen will. In Essen forcierte sie just per Ankündigung den Glasfaserausbau, als sich Ruhrfibre und die Stadt vergangenes Jahr zusammentaten, um ihr gemeinsames Projekt anzugehen.

Für den Geschäftsführer von Ruhrfibre, Christopher Rautenberg, zeigt das: „Es geht der Telekom nicht um den Glasfaser-Ausbau an sich, und schon gar nicht um den flächendeckenden Ausbau in Essen, sondern vielmehr darum, Wettbewerb zu verhindern. Das zeigte auch die Ankündigung der Telekom am Tag vor der entscheidenden Ratssitzung im März letzten Jahres, Essen plötzlich zu einer ihrer „Glasfaser-Metropolen“ zu machen, nachdem jahrelang nichts passiert war.“

Das Telekom-Netz steht zwar auch in Essen der Konkurrenz offen. Aber das scheint für diese wiederum nicht attraktiv zu sein. So setzt Vodafone in Essen auf Ruhrfibre. Was bedeutet: Wer einen Vertrag mit dem Netzbetreiber Ruhrfibre abschließt, kann dessen Netz zum Start nur mit Diensten von Vodafone nutzen. Perspektivisch sei aber geplant, dieses als Open Access weiterzuführen. „Wir werden mittelfristig weitere Anbieter auf unserem Netz sehen, so viel ist sicher“, meint Ruhrfibre-Chef Rautenberg.

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