Essen-Altendorf. An 550 Samstagen haben sie in Parks den Dreck der anderen eingesammelt. Dafür bedankt sich Essens OB bei „Altendorfs Bürger engagieren sich“.

Sonst treffen sie sich in wetterfester Kleidung und mit solidem Schuhwerk, an diesem Mittwoch (8.2.) kamen sie ausgehfein zusammen: Im GOP-Varieté feierte die Gruppe „Altendorfs Bürger engagieren sich“ ihr zehnjähriges Bestehen. So lange schon sind sie Samstag für Samstag im Krupp-Park und am Niederfeldsee unterwegs, sammeln Müll ein und halten ihren Stadtteil sauber.

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Strenggenommen war der Jubiläumstag im Mai 2022, nun wird also nachgefeiert mit Menü und der Show „The Bookshop“. Zuvor bedankt sich Oberbürgermeister Thomas Kufen bei den Ehrenamtlichen und weist darauf hin, dass sich leider nicht jeder in Altendorf ein Beispiel an ihnen nehme. „Sie müssen manchem Schmutzbuckel hinterherräumen.“ Dass das nicht zu Motivationsproblemen führe, sei Johannes Hüttemann zu verdanken, der die Gruppe gegründet hat und bis heute betreut: „Johannes weiß alle immer wieder zu motivieren, und er verlangt von keinem etwas, das er nicht auch selbst tun würde.“

Startbereit (v.l.): David Huning, Clemens Baumann, Jürgen Mohr, Marion Schymura, Heinz Prothmann, Georg Breidenbach, Bernd Arnold und Johannes Hüttemann versammelten sich am Samstag, 14. Mai 2022 am Niederfeldsee in Essen. Dort und im Krupp-Park sammelt die Gruppe „Altendorfs Bürger engagieren sich“ wöchentlich Müll ein.
Startbereit (v.l.): David Huning, Clemens Baumann, Jürgen Mohr, Marion Schymura, Heinz Prothmann, Georg Breidenbach, Bernd Arnold und Johannes Hüttemann versammelten sich am Samstag, 14. Mai 2022 am Niederfeldsee in Essen. Dort und im Krupp-Park sammelt die Gruppe „Altendorfs Bürger engagieren sich“ wöchentlich Müll ein. © FUNKE Foto Services | Dana Pusch

Tatsächlich ist der 76-jährige Hüttemann jeden Samstagmorgen dabei, berücksichtigt bei seinen Einsatzplänen aber, dass der eine nur 14-tägig kommt, der andere jeden Sommer fünf Wochen verreist und der Dritte am nächsten Samstag eine Familienfeier hat. Jeweils acht Leute ziehen samstags los, im Winter reichen auch sechs: Anderthalb Stunden ist der Putztrupp unterwegs, bevor es auf Einladung Hüttemanns in die Radmosphäre geht.

Essener sammelten an 550 Tagen Müll auf

An 550 Tagen sind sie losgezogen, haben „gut 150 bis 200 Kubikmeter Dreck weggeschafft“, überschlägt Hüttemann. Dafür danke er Ehrenamtlichen und Ansprechpartnern in der Ortspolitik, bei Grün und Gruga, Entsorgungsbetrieben oder Stadtverwaltung. „Ich treffe überall auf offene Türen, offene Ohren.“

Heinz Prothmann, der in Hüttemanns Nachbarschaft lebt, musste erst gar nicht gefragt werden, ob er mitmachen will. Er ist fast seit der ersten Stunde bei „Altendorfs Bürger engagieren sich“ aktiv. „Ich war damals gerade im Vorruhestand und wollte mich gern nützlich machen, so kam ich dazu“, erzählt der 70-Jährige. Er hat auch das Logo – ein Männchen mit Abfallkorb in der Hand – entworfen.

Ein bisschen verrückt sein, hilft bei diesem Ehrenamt

Ob es ihn nicht ärgere, seit zehn Jahren den Müll anderer Leute einzusammeln, die ihre Plastikflaschen, Einweggrills oder Verpackungen doch selbst entsorgen könnten? Prothmann lächelt fein: „Ich sage immer: ,Man muss nicht verrückt sein, aber es hilft ungemein.’“ Es freue sich, etwas für seinen Stadtteil zu tun, im übrigen gebe es viel positive Resonanz: „Fußgänger und Radfahrer bedanken sich für unsere Arbeit.“

Auch für Dieter Bartsch, der am Mittwochabend ebenfalls im GOP sitzt, stellt sich die Sinnfrage nicht: 89 Jahre alt ist er und immer noch ehrenamtlich aktiv. Er war Vorlesepate im Kindergarten, half vor der Pandemie in der Suppenküche. Einige Jahre gehörte er auch zu Hüttemanns Truppe, doch nun braucht er zum Laufen einen Stock: „Die langen Strecken durch den Krupp-Park schaffe ich nicht mehr.“ Nach Programmende um 22 Uhr macht sich Bartsch auf den Heimweg: „Ich muss um halb fünf aufstehen: Ich helfe jetzt bei der Essener Tafel.“

„Mit meiner Denkweise und Disziplin bin ich ein Auslaufmodell. Viele schreien lieber nach Stadt und Politik, ich setze zuerst auf Eigenverantwortung“, sagt Johannes Hüttemann, der die Gruppe „Altendorfs Bürger engagieren sich“ gegründet hat.
„Mit meiner Denkweise und Disziplin bin ich ein Auslaufmodell. Viele schreien lieber nach Stadt und Politik, ich setze zuerst auf Eigenverantwortung“, sagt Johannes Hüttemann, der die Gruppe „Altendorfs Bürger engagieren sich“ gegründet hat. © FUNKE Foto Services | Dana Pusch

Andere lassen den Abend an der Bar ausklingen, wo Hüttemann zu Getränk und Gespräch einlädt. Der 76-Jährige würde gern einen jüngeren Nachfolger als Koordinator von „Altendorfs Bürger engagieren sich“ aufbauen; doch das sei fast unmöglich. „Mit meiner Denkweise und Disziplin bin ich ein Auslaufmodell“, sinniert er. „Viele schreien lieber nach Stadt und Politik, ich setze zuerst auf Eigenverantwortung.“ Ein Wesenszug, der auch Oberbürgermeister Kufen aufgefallen ist: Hüttemann habe zwar die Gabe, auch die Verantwortlichen von Bezirksvertretung bis Stadtspitze einzubinden, aber: „Mir imponiert, dass Du die Politik immer respektvoll ansprichst.“ In diesem Sinne wünsche er ihm und seinen Mitstreitern einen schönen Abend und bittet sie: „Nicht nachlassen!“