Essen. Zum Welttag der Armen rücken Suppenküche und Bahnhofsmission Essen Menschen ins Licht, die auf der Straße leben. Doppelt hart in Coronazeiten.

„Bleibt zu Hause“, heißt der Slogan der Pandemie. Suppenküche und Bahnhofsmission Essen erinnern zum Zum Welttag der Armen an diesem Sonntag (15. September) daran, dass für manche Menschen ist die Straße das Zuhause ist.

Sie kommen Tag für Tag zur Suppenküche der Caritas an der Lindenallee 55, wo es für den symbolischen Preis von 1,10 Euro nicht etwa nur eine Suppe gibt, sondern zum Beispiel Gulasch mit Püree, dazu Nachtisch und Getränk. Es ist das Menü, das auch die Bewohner im Caritas-Stift Lambertus bekommen. Zwischen 25 und 50 Essen würden täglich ausgegeben, schätzt Sozialarbeiter Stephan Knorr. Am Monatsanfang, wenn das Geld vom Sozialamt noch nicht ausgegeben sei, kämen weniger Gäste, ab dem 5. nehme der Andrang zu. „Gerade bei Menschen mit Suchtproblematik ist das Geld dann schon weg.“

Die Gemeinschaft ist ähnlich wichtig wie die warme Mahlzeit

„Es bleibt nie etwas übrig“, sagt Stephan Knorr von der Suppenküche der Caritas Essen.
„Es bleibt nie etwas übrig“, sagt Stephan Knorr von der Suppenküche der Caritas Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Auf die Frage, was denn mit den übrig gebliebenen Portionen geschehe, lächelt Knorr: „Es bleibt nie etwas übrig.“ Nicht mal jetzt, wo die Menschen das Essen an einem Ausgabefenster abholen müssen und sich nicht an den langen Tisch im Sozialzentrum setzen können. Vor Corona war für manchen die Gemeinschaft ähnlich wichtig wie die warme Mahlzeit. Nicht jeder, der herkommt, ist wohnungslos, manche haben ein Zuhause, können sich aber nicht gut selbst versorgen. Die Stadt Dortmund stellt übrigens jetzt ein Zelt mit 70 Einzeltischen auf, damit Obdachlose im Corona-Winter gemeinsam und doch mit Abstand essen können.

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In Essen hat man die Verzweiflung erlebt, als beim ersten Lockdown im Frühjahr zunächst praktisch alle Anlaufstellen zumachten: „Viele fragten uns: ,Wo sollen wir hingehen. Uns will ja niemand’“, erzählt Streetworkerin Mari Alishah. Was blieb, waren die Plätze und Einkaufsstraßen in der City. „Da wurden wir von vielen Menschen gefragt, wo denn plötzlich all die Obdachlosen herkämen“, erinnert sich Knorr. „Dabei sind die nur viel sichtbarer gewesen.“ Weil die Innenstadt angesichts geschlossener Geschäfte ansonsten ziemlich verwaist war, weil die Menschen – wie auch jetzt wieder gefordert – zu Hause blieben.

Es gibt auch eine Bedürftigkeit nach menschlicher Nähe

„Nur: Wohnungslose können nicht zu Hause bleiben“, sagt Alishah. Und für andere, die es können, sei es eine Qual: „Ich arbeite mit Menschen, die psychisch krank oder suchtkrank sind, die leben jetzt in totaler Isolation.“ Wer arbeitslos sei und den Kontakt zur Familie verloren habe, der brauche die Tagesaufenthalte, um andere Menschen zu treffen. „Das ist auch eine Bedürftigkeit – nach menschlicher Nähe“, sagt Knorr.

„Viele fragten uns: ,Wo sollen wir hingehen. Uns will ja niemand’“, erzählt Streetworkerin Mari Alishah.
„Viele fragten uns: ,Wo sollen wir hingehen. Uns will ja niemand’“, erzählt Streetworkerin Mari Alishah. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Bloß gilt menschliche Nähe im Wortsinn inzwischen als Gefahr: Beim ersten Lockdown seien Ordnungsgelder gegen einige ihrer Klienten ausgesprochen worden, erzählt Streetworkerin Alishah: „Weil sie zusammenstanden: zu eng, zu viele, zu laut.“ Jeden Tag kläre sie die Leute auf, lieber Abstand zu halten, um sich nicht zu gefährden, und um den Securitys im Bahnhof nicht aufzufallen, sagt die Leiterin der Bahnhofsmission , Sandra Dausend. „Aber am nächsten Tag stehen wieder Gruppen zusammen.“

Im Angebot: Masken und belegte Brötchen

Immerhin seien die allermeisten bereit, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Masken, Desinfektionsmittel und belegte Brötchen – das war das erste Angebot, mit dem sich die Bahnhofsmission nach der coronabedingten Zwangspause zurückmeldete. Es werde noch immer gern angenommen. Inzwischen steht auch die Tür wieder offen, doch Sandra Dausend könnte nun weitere Ehrenamtliche gebrauchen, die mithelfen.

Es sei wichtig, dass die Beratungsangebote offen bleiben, sind sich Dausend und Knorr einig. Die Sozialstation an der Lindenallee, verteilt ja nicht nur Essen. Hier werden Dokumente gescannt, Mails an Behörden geschrieben, Online-Termine vereinbart. Hier helfen sie Betroffenen, überhaupt Sozialleistungen zu bekommen. Und in der Kleiderkammer decken sich die Menschen mit warmen Sachen ein.

Noch zeigt der Winter seine milde Seite, doch die Saison, in der sich Obdachlose am Kanal oder am Baldeneysee treffen, ist vorbei. Die Notunterkunft an der Lichtstraße sei noch nicht ausgebucht, obwohl sie coronabedingt weniger Plätze anbiete, sagt Stephan Knorr. „Manche haben so große Angst vor Nähe, dass sie nicht mit anderen Menschen in einem Raum schlafen wollen.“ Den Newsletter aus Essen bekommen Sie hier: https://www.waz.de/staedte/essen/essen-mit-dem-waz-newsletter-keine-nachrichten-verpassen-id228082203.html

Anlaufstellen in Notlagen: Bahnhofsmission und Suppenküche

Die Suppenküche der Caritas Essen liegt im Sozialzentrum an der Lindenallee 55 in der Essener Innenstadt. Coronabedingt müssen Essen und Getränke dort derzeit am Ausgabefenster abgeholt werden. Ein warmes Essen inklusive Getränk und Dessert gibt es wochentags von 11.30 Uhr bis 13 Uhr für einen Beitrag von 1,10 Euro oder gegen Essensgutscheine. Das Essen wird durch Spenden finanziert und im Caritas-Stift-St. Lambertus zubereitet. Ansprechpartner: Stephan Knorr, 0201-2664295-202 oder

Die Essener Bahnhofsmission (Am Hauptbahnhof 5) wird von Diakoniewerk Essen und Caritas Essen gemeinsam getragen. Die Bahnhofsmission ist für Menschen in Notlagen da. Die Ehrenamtlichen helfen auch Reisenden, denen zum Beispiel das Portemonnaie gestohlen wurde, oder Kindern, die ohne Eltern unterwegs sind (Kids on Tour). Erreichbar ist die von Sandra Dausend geleitete Einrichtung unter 0201 230723. Hier kann sich auch melden, wer gern ehrenamtlich helfen möchte.

„Wir brauchen noch ehrenamtliche Mitarbeiter“, sagt Sandra Dausend, Leiterin der Bahnhofsmission.
„Wir brauchen noch ehrenamtliche Mitarbeiter“, sagt Sandra Dausend, Leiterin der Bahnhofsmission. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos