Essen. Das Repaircafé der Arbeit & Bildung Essen GmbH ist neu in der Stadt. Was Nachhaltigkeit und berufliche Neuorientierung miteinander zu tun haben.

Wenn Staubsauger oder Toaster nicht mehr funktionieren, der CD-Player hakt oder an einer Jacke der Reißverschluss ausgerissen ist, lässt sich dies oft mit einer kleinen Reparatur beheben. In verschiedenen „Repaircafés“ im Essener Stadtgebiet hauchen versierte Experten auf diese Weise alten Gegenständen neues Leben ein: Das ist nachhaltig und schont den Geldbeutel. Im Repaircafé an der Karolingerstraße geht es noch um etwas anderes – nämlich um Perspektivwechsel.

Das Repaircafé ist im Haus 10 der Arbeit & Bildung Essen GmbH (ABEG) zu finden. Dies ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das sich die Begleitung und individuelle Förderung von Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen zur Ausgabe macht. So sind im Repaircafé keine Ehrenamtler, sondern Langzeitarbeitslose beschäftigt, die vom Jobcenter an die ABEG verwiesen werden. „Das Projekt gibt es seit April 2022“, berichtet Susanne Major, die als pädagogische Anleiterin fungiert.

Repaircafé der Arbeit & Bildung Essen: Defekte Geräte werden wieder flott gemacht

30 Teilnehmende mit ganz unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und Lebensläufen nehmen unter Anleitung verschiedene Aufgaben im Café wahr. „Wer uns ein defektes Gerät vorbeibringt, bekommt erst mal einen Auftragszettel mit den Angaben, was zu reparieren ist, Kontaktdaten des Kunden etc.“, erläutert Majors Kollege Frank Vollmann. „Für unsere Teilnehmer eine Aufgabe im Rahmen der Verwaltung. Dann wird der kaputte Gegenstand weitergereicht.“

Das Recherche-Team schaut nach Reparaturanleitungen und Ersatzteilen für die defekten Geräte.
Das Recherche-Team schaut nach Reparaturanleitungen und Ersatzteilen für die defekten Geräte. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Jeder bringe unterschiedliche Fähigkeiten mit, die im Repaircafé weiter gefördert würden. „Wir ermöglichen auch, neue Ideen einzubringen, wecken Neugier, Neues zu lernen. Es geht ja um einen Perspektivwechsel, um irgendwann Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu bekommen“, erklärt Major. Wobei ein fester Rhythmus im Tagesablauf wichtig sei, den hätten viele Menschen in der Langzeitarbeitslosigkeit nämlich verloren.

Eine Gruppe beschäftigt sich mit der Recherche am Computer: auf der Suche nach Reparaturanleitungen und Ersatzteilen. An einem anderen Tisch wird eine HiFi-Anlage wieder flott gemacht. Ein weiteres Team hat Bügeleisen und Toaster vor sich stehen. „Bei der Reparatur technischer Geräte gibt es natürlich eine Sicherheitskontrolle durch zertifizierte Betreuer“, betont Susanne Major.

Deko-Bäumchen ist ein Renner im „Werte Laden“

Aus alten Gegenständen Neues entstehen lassen: Wer Lust auf Upcycling hat, findet im Repaircafé Material, um etwas kreativ zu gestalten. Aus alten Milchtüten werden Blumengefäße, aus Draht, Nagellack und einem Stein entstehen dekorative Bäumchen. „Letzteres ist übrigens eine Idee, die eine Teilnehmerin im Internet entdeckt hat“, erzählt Major. Diese habe sie weitergegeben und gleich mehrere Frauen fürs Mitmachen begeistert. Mittlerweile würden die Dekoteile, die im „Werte Laden Manufaktur“, den die ABEG in Steele betreibt, stark nachgefragt.

Fatima Zahrae Lassgaa (32) arbeitet an dekorativen Gegenständen. Diese werden anschließend im „Werte Laden Manufaktur“, den die ABEG in Steele betreibt, verkauft.
Fatima Zahrae Lassgaa (32) arbeitet an dekorativen Gegenständen. Diese werden anschließend im „Werte Laden Manufaktur“, den die ABEG in Steele betreibt, verkauft. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Ich fühle mich hier wohl, es ist schön, eine Aufgabe zu haben“, sagt eine 52-jährige Teilnehmerin, die seit dem Start des Projektes dabei ist. Die gelernte Hauswirtschafterin hatte mehrere Jobs in der Altenpflege und im Verkauf, möchte beruflich wieder Fuß fassen. Im Repaircafé hat sie ihre kreativen Fertigkeiten entdeckt. Ein Perspektivwechsel von vielen.

ABEG bietet auch einen Begleitdienst an

„Im Schnitt sind die Menschen hier seit acht Jahren arbeitslos“, berichtet Geschäftsführer Hartmut Kütemann-Busch. Die Corona-Zeit habe die Betroffenen noch mehr isoliert. Umso wichtiger sei es, sie in einer Maßnahme wie dem Repaircafé zu motivieren, sich um ihren Lebensunterhalt zu kümmern.

Anderen Menschen zu helfen, sei dabei ebenfalls eine Möglichkeit für Langzeitarbeitslose, sich beruflich neu zu orientieren. Die ABEG habe deshalb einen Begleitdienst initiiert: Dieser bietet Hilfe beim Arztbesuch oder beim Einkaufen an, so Hartmut Kütemann-Busch. Frank Vollmann ergänzt: „Wir haben gemerkt, dass der Begleitdienst für viele Ältere eine wichtige soziale Komponente hat. Sie leiden seit Corona verstärkt unter Einsamkeit.“

Zurück zum Repaircafé: Um das Projekt bekannter zu machen, wird derzeit ein Flyer erstellt – mit Fotos zum Thema „Perspektivwechsel“. Die haben die Teilnehmenden natürlich selbst gemacht – und kreieren nun das Produkt am PC.

>>> Öffnungszeiten und Infos

Das Repaircafé ist erreichbar: persönlich immer mittwochs von 9 bis 15 Uhr in Haus 10 der ABEG, Karolingerstraße 96, telefonisch montags bis freitags von 9 bis 14 Uhr unter 0201 88 72 457, sowie per E-Mail an Repaircafe@esh.essen.de. Weitere Infos auf: www.abeg.essen.de

Im Manufaktur Werte Laden, Kaiser-Otto-Platz 20, gibt es die Kreativprodukte des Repaircafés zu kaufen: geöffnet Montag bis Donnerstag von 10 bis 16 Uhr, Freitag von 10 bis 14 Uhr, 0201 89 09 76 10, manufaktur@werte-laden.de