Essen. An dem vielgelobten Beschäftigungsprogramm nehmen nur noch wenige Langzeitarbeitslose teil. Die Stadt Essen will es aber weiterfinanzieren.
Wohin führen „Essens neue Wege zum Wasser“? Das gleichnamige Vorzeigeprojekt zur Beschäftigungsförderung besteht seit nunmehr 15 Jahren. Die Stadt Essen ist fest entschlossen, es fortzusetzen – für 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Dabei finden sich kaum noch Langzeitarbeitslose, die mitanpacken.
Das war noch ganz anders, als die Stadt das Projekt aus der Taufe hob, um Grünzüge miteinander zu verbinden und neue Wege schaffen. Vor allem neue Radwege wurden seitdem angelegt: Die „Wasser-Route“ 2009, die Ruhr und Emscher miteinander verbindet, die „Natur-Route“ 2011 und im Jahr darauf die „Stadt-Route“, um nur einige zu nennen. Auch Die Promenade am Steeler Ruhrufer ist ebenso im Rahmen von „Neue Wege zum Wasser“ entstanden wie die Pavillons der Weißen Flotte am Baldeneysee.
255 Teilnehmer von „Neue Wege zum Wasser“ fanden dadurch eine Arbeit
Die Idee dahinter: Die Stadt Essen wird noch grüner, erhöht ihren Freizeit- und Erholungswert, und sie gibt Menschen ohne Arbeit eine Chance. Rund 5000 Langzeitarbeitslose haben das Projekt inzwischen durchlaufen, erfuhren jüngst die Mitglieder des städtischen Umweltausschusses. 255 Teilnehmer seien in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden. Dafür gab es anerkennende Worte. Die Stadt spricht von einer Erfolgsgeschichte.
Zu Spitzenzeiten beschäftigte „Neue Wege zum Wasser“ 200 Ein-Euro-Kräfte, berichtet Hartmut Kütemann-Busch, Geschäftsführer der Essener Arbeit- und Beschäftigungsgesellschaft (EABG). „Darunter waren Leute, denen man einiges zugetraut hat“, so der EABG-Chef. Weil sie die handwerklichen Vorkenntnisse mitbrachten oder gar eine Berufsausbildung.
Diese Zeiten seien vorbei. Denn die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich mittlerweile entspannt. „Wer Kenntnisse im Garten- und Landschaftsbau hat, der kann heute irgendwo anfangen, der braucht uns nicht mehr“, sagt Kütemann-Busch.
Das Job-Center weist „Neue Wege zum Wasser“ keine Ein-Euro-Kräfte mehr zu
Anders als in früheren Jahren weise das Job-Center dem Projekt keine Ein-Euro-Kräfte mehr zu. Wer einen Job ablehne, müsse keine Sanktionen fürchten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit von Leistungskürzungen eingeschränkt. Die Folge: „Wir werben im Moment um Menschen“, berichtet Kütemann-Busch.
„Neue Wege zum Wasser“ zählt nach Angaben des EABG-Chefs aktuell nur noch „eine Handvoll Teilnehmer“. Statistisch waren es zwischen März und Dezember vergangenen Jahres gerade noch zehn bis elf. Hinzu kommen „40 bis 50 Personen“, die über das Teilhabegesetz einen auf fünf Jahre befristeten Arbeitsvertrag bekommen haben.
Erklärtes Ziel des Projektes bleibt die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, was sich in der Praxis aber zunehmend als schwierig erweist. Wer freiwillig mitmache, sei zwar motiviert, betont Kütemann-Busch. Doch häufig seien es Suchterkrankungen oder psychische Probleme, die es Teilnehmern unmöglich machten, einer geregelten Arbeit nachzugehen. „Neue Wege zum Wasser“ sei für sie „eine Form der Teilhabe“.
Der Schwerpunkt von „Neue Wege zum Wasser“ liegt auf der Pflege und Instandhaltung
Auch inhaltlich sei der Schwerpunkt heute ein anderer. Statt auf dem Bau neuer Rad- und Spazierwege liege der Fokus auf Pflege und Instandhaltung. Unter dem Logo „Neue Wege zum Wasser“ werden Bäume gepflanzt und Sitzbänke aufgestellt.
Für die nächsten Jahre nennt die Stadt Essen zwar eine Reihe möglicher Vorhaben, darunter diverse neue Radwegeverbindungen, unter anderem am Rhein-Herne-Kanal. Inwieweit dies aber angesichts der dünnen Personaldecke realistisch ist, bliebe abzuwarten.
Die Stadt hat jedenfalls die feste Absicht, „Neue Wege zum Wasser“ fortzusetzen, perspektivisch bis 2026. Finanziert wird das Beschäftigungsprogramm derzeit mit 300.000 Euro pro Jahr durch Grün und Gruga, weitere 900.000 Euro kommen aus dem Sozialetat. Und zwar unabhängig davon, wie viele Langzeitarbeitslose an dem Programm teilnehmen, wie EABG-Chef Hartmut Kütemann-Busch auf Nachfrage erläutert.
Mit den finanziellen Mitteln könne der „erreichte Standard an Bauplanung, Bauleitung und Koordinierung noch sichergestellt werden“, heißt es in der Vorlage der Stadtverwaltung, über die der Rat der Stadt in seiner Sitzung Ende September entscheidet.
Niemand wisse, wie sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entwickelt, gibt Kütemann-Busch zu bedenken, räumt angesichts der Kosten für „Neue Wege zum Wasser“ ab ein: „Irgendwann muss man die Sinn-Frage stellen.“