Katernberg. .

Gerd Löbbers beugt sich über einen Mixer. Das Gehäuse hat er bereits aufgeschraubt, jetzt nimmt er das Innenleben des Geräts in Augenschein. Die Besitzerin des Küchengeräts hatte ihm berichtet, dass sie schon nach wenigen Minuten des Betriebs einen beißenden Gestank von verbranntem Plastik vernehme. Der Mixer werde zudem sehr heiß, manchmal steige sogar Rauch auf. „Der Motor ist aber in Ordnung“, sagt Löbbers nach fachmännischer Überprüfung der Technik.

Gerd Löbbers ist einer von etwa 20 Menschen in der Stadt, die sich für das „Repair-Café“ engagieren. Sie sind eine bunt gemischte Gruppe, unter ihnen sind Schrauber, Bastler, Organisierer und Kuchenspender. Männer und Frauen, alt und jung. Jeweils am ersten Sonntag im Monat findet das „Repair-Café“ im Bürgerzentrum „Kon-Takt“ am Katernberger Markt statt. Zwei Wochen später, also immer am dritten Samstag im Monat, geht das Café in der Rüttenscheider Villa Rü über die Bühne.

Auftakt war im Spätsommer 2014

Auftakt für das Essener „Repair-Café“ war im Spätsommer 2014. Die Idee der Cafés - „Reparieren statt Wegwerfen“ - hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits in vielen europäischen Städten etabliert. Nun sollte auch Essen an der Reihe sein. Mitglieder der Initiative „Transition Town – Essen im Wandel“ kamen in der Volkshochschule zusammen, in der Gruppe erzählte jemand von den „Repair Cafés“, alle fanden den Gedanken gut – und machten sich an die Arbeit.

Zunächst gingen sie auf Raum-Suche, fragten bei Bürgerzentren an. Und schon nach kurzer Zeit lagen die Zusagen aus Katernberg und Rüttenscheid vor. Dann riefen sie bei der Zeitung an, erzählten der Redaktion von ihrer Idee – und schon bald verkündete ein Artikel, dass ehrenamtliche Helfer gesucht werden. So geriet die Sache in Bewegung.

„Wegwerfen ist mir persönlich zu billig“, sagt Regine Mmadujibeya (47). Sie ist „Repair-Café“-Ehrenamtlerin der ersten Stunde. „Ein Auto werfe ich ja auch nicht weg, nur weil ein Reifen kaputt ist.“

Regine Mmadujibeya gehört zum Organisations-Team. Sie begrüßt die Menschen, die mit ihren kaputten Gegenständen ins Café kommen. Pro Termin sind im Schnitt acht bis zehn Reparateure vor Ort, hinzu kommen bis zu drei Mitarbeiter am Empfang. „Alles läuft hier ganz freiwillig ab, es gibt für die Helfer keine Verpflichtungen. Wer Zeit hat, kommt. Und wer keine Zeit hat, kommt eben nicht“, sagt sie.

Am Repair-Café-Gedanken gefällt Regine Mmadujibeya besonders der Umweltschutzaspekt. Bei der Herstellung neuer Elektrogeräte würden schließlich viele Ressourcen verbraucht, etwa Erdöl und Wasser. Viel zu häufig würde weggeworfen, was eigentlich noch zu retten ist. „Ich möchte, dass Verbraucher selbst darüber entscheiden, wann sie etwas entsorgen.“

Defekter CD-Spieler im Gepäck

Auch Nadine Stanschewski wirft nicht gerne weg, was sie einmal gekauft hat. Heute hat sie einen defekten CD-Spieler dabei. In der Vergangenheit hatte sie auch schon einen Staubsauger und ein Handy im „Repair-Café“ reparieren lassen. Ihr gegenüber sitzt heute Willi Heinrichs (76). Und er bringt das kaputte Musikgerät wieder zum Laufen. „Ich hatte schon immer Spaß am Basteln und Tüfteln“, sagt er.

Oft hängen an Geräten viele Erinnerungen. Erika Schneider (77) ist heute zum „Repair-Café“ gekommen, um ein altes Polyphon reparieren zu lassen. Diesen selbstspielenden, mechanischen Musikautomaten hat sie als Kind von ihrer Großmutter geschenkt bekommen. Doch jetzt spielt das mehr als einhundert Jahre alte Gerät nicht mehr.

Tatkräftige Unterstützung

Dennis Hilterhaus (32) schraubt es auf, schaut sich das Innenleben an – und hat eine Idee, wie er es wieder ordentlich zum Laufen bringen kann. Bei der Reparatur bekommt er tatkräftige Unterstützung von Davit Mamikonyan, einem Flüchtling. Der Mann leidet an einer seltenen Muskelkrankheit. Mamikonyan sagt, er wäre mit Sicherheit gestorben, in seiner Heimat habe die Krankheit nicht behandelt werden können. Hier schon. „Deutschland hat für mich sehr viel getan“, sagt er. „Ich möchte dem Land jetzt etwas zurückgeben, deswegen helfe ich hier mit.“

Die Reparatur des Polyphons geht voran. „Ich hab’ schon als kleines Kind Papas Videorekorder auseinandergeschraubt“, sagt Hilterhaus. „Und seine Stereoanlage auch. Eigentlich alles, was ich in die Finger bekommen habe.“ Inzwischen arbeitet der gelernte Elektriker in einem Büro. Dort kann er seine Bastel-Leidenschaft eher selten ausleben. Deswegen, eben weil er „Spaß am Schrauben“ hat, kommt er ins „Repair-Café“.

Am Ende funktioniert das Polyphon wieder, der „Hohenfriedberger Marsch“ erklingt. Erika Schneider ist glücklich. Und das ist den Ehrenamtlern im „Repair-Café“ der Lohn für ihre Mühen.