Essen-Werden. Über das Gründerzeithaus Propsteistraße 39 in Essen-Werden wird diskutiert. Dieses Vorhaben möchte der Eigentümer als Herzensprojekt realisieren.
Seit einigen Monaten ist die Initiative „Propsteistraße 39 retten“ aktiv: Sie möchte ein rund 120 Jahre altes Haus im Herzen der Werdener Altstadt vor dem Abriss bewahren, weil es zum Ensemble des Straßenzuges gehöre. Banner und Plakate mit eindeutigen Statements hängen in der ganzen Straße; es läuft eine Online-Petition. Was Carsten Knauer, den Eigentümer der Immobilie, mehr als irritiert. Welches Anliegen er mit seinem Neubauprojekt verfolgt, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion.
„In der Propsteistraße 39 soll ein soziales Wohnprojekt für beeinträchtigte Menschen entstehen. Es ist kein klassisches Immobilienprojekt und wirft auch keine Rendite ab“, betont Carsten Knauer, der mit seiner Frau vor über zwölf Jahren die Stiftung Regenbogen gegründet hat: Diese ist bekannt durch den Carolinenhof in Kettwig-Laupendahl, der heilpädagogisches Reiten anbietet.
Großer Bedarf an Wohnraum für Menschen mit Beeinträchtigungen
„Wir haben durch unsere jahrelange Arbeit mit beeinträchtigten Menschen mitbekommen, dass es da einen sehr großen Bedarf an Wohnraum gibt.“ Wohnraum, der Individualität, aber auch Gemeinschaft erlaube, führt Knauer aus. Denn davon gebe es leider nur sehr wenig in Essen, vor allem für junge Menschen. Zumeist würden die Betroffenen in größeren Wohneinheiten leben. „Doch auch diese Leute brauchen eine Privatsphäre.“
Gemeinsam mit Gleichaltrigen den Alltag meistern, aber ein Appartement für sich haben – dieses Konzept möchte Projektentwickler Carsten Knauer im Stadtteil Werden verwirklichen. An zwei Standorten, gemeinsam mit der Lebenshilfe Essen als Partner. In der Heckstraße entsteht auf einem Grundstück bereits ein Neubau mit fünf Wohneinheiten und einer Übernachtbetreuung für einen Mitarbeitenden der Lebenshilfe. Neu gebaut werden soll auch in der Propsteistraße, ebenfalls fünf Wohneinheiten, ebenfalls mit Aufzug und Gemeinschaftsräumen.
Standort biete Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe
Das Haus Nummer 39 befinde sich bereits seit einigen Jahren in seinem Eigentum, sagt Knauer. „Es passt von der Lage her perfekt zum Standort Heckstraße.“ Denn die Übernachtbetreuung habe bei Bedarf einen kurzen Weg von einem zum anderen Standort. Darüber hinaus liegen beide Immobilien fußläufig zum Werdener Stadtkern. „Das ermöglicht die Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe“, bekräftigt Lothar Reuschel, Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Essen. Ein für den Verein sehr wichtiger Aspekt. „Deshalb sind wir Herrn Knauer als gemeinnützige Organisation auch sehr dankbar, dass er diese Wohnprojekte finanziert.“ So etwas sei keine Selbstverständlichkeit.
Online-Petition, Plakate, Kritik in Sozialen Medien: Mit dieser Art Gegenwind aus der Anwohnerschaft hat Carsten Knauer allerdings nicht gerechnet. „Das heutige Haus ist in einem unfassbar schlechten Zustand.“ Das betreffe sowohl die Bausubstanz als auch die ökologischen wie energetischen Aspekte. Dagegen reihe sich der geplante Neubau von der Fassade her „gut in den heutigen Straßenzug ein“, findet er.
Charme des Stadtteils Werden auch durch alte Häuser
Dass sich die Bürgerschaft für den Erhalt historischer Substanz einsetze, „kann ich absolut nachvollziehen“. Werden sei für ihn „der schönste Stadtteil Essens“, auch wenn er selbst dort nicht wohne. Aber gerade die Altstadt habe natürlich ihren Charme durch die alten Häuser. Auch dies habe eine Rolle bei der Auswahl des Wohnprojekt-Standorts gespielt.
Knauer betont: „Ich will keinen Streit mit der Bürgerinitiative.“ Mit der er aber erst vor kurzem – nach der Berichterstattung durch diese Redaktion – erstmals Kontakt aufgenommen habe. „Die haben sich aber auch nicht bei mir gemeldet. Andererseits sind meine ersten Ansprechpartner die Behörden.“ In dem Fall das Amt für Denkmalschutz. Und das habe das Haus Propsteistraße 39 bis Ende Januar unter vorläufigen Schutz gestellt.
Er sehe das Wohnprojekt ganz pragmatisch, sagt Carsten Knauer abschließend. Sollte das Haus ganz oder in Teilen unter Denkmalschutz gestellt werden, müsse über das Wohnprojekt noch einmal nachgedacht werden. „Die Planungen sind auf einen Neubau ausgelegt. Ob sich das bei Erhalt beispielsweise der Fassade noch so realisieren lässt wie gedacht, muss man sehen.“ Wenn es sich nicht vereinbaren ließe, müsse gegebenenfalls ein anderer Standort in Werden für sein „Herzensprojekt“ gesucht werden.