Essen. Klimawandel, gestiegene Energiekosten – in vielen Essener Schulen wird das Thema „Ski-Freizeit“ so kontrovers diskutiert wie noch nie.
Viele Leiterinnen und Leiter von weiterführenden Schulen im Stadtgebiet halten Klassen- oder Kursreisen in Ski-Gebiete angesichts des Klimawandels zunehmend für nicht mehr zeitgemäß. Das ergab am Montag eine Umfrage der Redaktion unter leitenden Pädagogen.
Das Alfred-Krupp-Gymnasium (Holsterhausen) schickt seine Siebener traditionell zum Skifahren in die Berge, „weil Ski-Freizeiten zu den pädagogisch wertvollsten Fahrten zählen, die es gibt“, sagt Schulleiter Berthold Urch. Viele Kinder und Jugendliche an seiner Schule bekämen durch die Ski-Freizeit erstmals die Gelegenheit, Bergwelten zu erleben. Urch ist auch Schulformsprecher der Essener Gymnasien, steht also in regelmäßigem Austausch zu Kollegen, und weiß deshalb: „Es gibt aber berechtigte Diskussionen zum Thema, die irgendwann auch bei uns geführt werden müssen.“
Als „sehr problematisch“ werden Ski-Freizeiten bisweilen beurteilt
An der Bertha-von-Suttner-Realschule in Rüttenscheid hat es nach Auskunft von Schulleiter Niels von der Heyde noch nie Ski-Freizeiten gegeben; von der Heyde hält sie allerdings auch für „nicht mehr zeitgemäß“ wegen der Klima-Veränderungen. Seine Kollegin Jutta Reimann, Leiterin des Mädchengymnasiums Borbeck, sieht das ähnlich: „Sehr problematisch“ findet die Schulleiterin das Thema Ski-Freizeiten, weil es kaum mit jener Nachhaltigkeit in Verbindung zu bringen wäre, die die Schule sich mit Projekten und Aktionen selbst auf die Fahnen schreibt. „Da sind mir die Austausch-Fahrten nach Frankreich oder in andere europäische Länder wesentlich lieber.“ Jutta Reimann macht allerdings auch die Erfahrung, „dass Sportlehrerinnen und -lehrer Ski-Freizeiten regelmäßig vorschlagen.“
Am Burggymnasium (Innenstadt) sind Ski-Freizeiten vor einigen Jahren eingestellt worden – allerdings weniger aus Umweltgründen, sondern wegen der hohen Personal-Intensität, die eine solche Fahrt erfordert. „Ich hätte allerdings Bedenken wegen des Klimawandels und wegen der hohen Kosten“, sagt Schulleiterin Simone Reuen. Grundsätzlich steht sie außerdem Flugreisen, auch bei Kursfahrten in der Oberstufe, kritisch gegenüber. Die Corona-Jahre brachten es mit sich, dass Ziele der Fahrten in der Stufe Q2 (Stufe 12) in Deutschland gesucht werden sollten – entsprechend ging es im vergangenen Jahr nach Hamburg, Berlin und Weimar.
Viele Ziele von Kursfahrten wurden enger gesteckt
Auch Berthold Urch von der Alfred-Krupp-Schule steckt mit seinen Kollegen die Ziele der Kursfahrten mittlerweile enger – die Niederlande sind ein beliebtes Ziel, „wenn es denn überhaupt das Ausland sein muss“, und entscheidend sei, dass die Destinationen „etwas mit dem Unterricht zu tun haben.“ Immerhin: Der Englisch-Leistungskurs fährt noch nach Großbritannien, auch in Brexit-Zeiten, auch wenn das direkte Ziel London mittlerweile aus Kostengründen nicht mehr angesteuert, sondern auf das benachbarte Umland ausgewichen wird.
Am Maria-Wächtler-Gymnasium in Rüttenscheid, gehen die Siebener traditionell auf Ski-Freizeit, nur in den letzten beiden Jahren fiel die Fahrt wegen Corona aus – doch nach Angaben von Schulleiter Thorsten Korthaus hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die das komplette Fahrtenkonzept der Schule ergebnisoffen neu überarbeitet; auch Fragen des Umweltschutzes würden dabei erörtert.
Sport-Schulen diskutieren das Thema ebenfalls
An Schulen, die ein besonderes Sport-Profil haben, geht die Diskussion um Ski-Freizeiten ebenfalls nicht vorbei. „Wir werden das überdenken müssen“, sagt zum Beispiel Michael Wolf, Leiter der Elsa-Brändström-Realschule in Bergerhausen. Die Schule trägt den Titel „Eliteschule des Sports“. Wolf selbst ist passionierter Skifahrer, hat zwei Jahre als Skilehrer in Österreich gelebt und gearbeitet, und sagt trotzdem: „Die Diskussion um den Klimawandel und die gestiegenen Energiekosten stellen das Thema langfristig in Frage.“ Wie auch immer: Am kommenden Freitag, 13. Januar, fahren Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 7, 8 und 10 auf die traditionelle Ski-Freizeit – Teilnahme freiwillig.
Das Helmholtz-Gymnasium (Rüttenscheid), ebenfalls profilierte Sportschule, fahren die Siebener Ende Januar auf Ski-Freizeit – doch auch dort, wie am benachbarten Maria-Wächtler-Gymnasium, will man nach Angaben von Schulleiterin Nadine Lietzke-Schwerm das Fahrtenkonzept bald grundsätzlich überdenken – Anlass: Der Wechsel von „G8“ auf „G9“ im Schuljahr 2019/2020. Im kommenden Schuljahr gibt es erstmals wieder eine Stufe 10 in der Mittelstufe.