Essen-Rüttenscheid. Essener Oberstufenschüler hatten Landtagskandidaten zur Diskussion eingeladen. Ergebnis: eine überraschend faktenreiche und geordnete Debatte.

Zu einer Podiumsdiskussion hatten Schüler des Helmholtz- und Maria-Wächtler-Gymnasiums die Vertreter der politischen Parteien anlässlich der kommenden Landtagswahl eingeladen – das Ergebnis war eine erstaunlich faktenreiche und gut strukturierte Debatte, die vor allem eins zuließ: Dass sich kommende Wähler eine Meinung bilden können.

„Die Diskussion ist vom Leistungskurs Sozialwissenschaften der Stufe Q1 lange vorbereitet worden“, berichtet Lehrerin Annika Heek vom Helmholtz-Gymnasium. Der Leistungskurs wird sowohl von Schülerinnen und Schülern des Helmholtz besucht als auch vom benachbarten Maria-Wächtler-Gymnasium.

Jeder Kandidat durfte immer nur eine Minute lang reden

Die lange und gründliche Vorbereitung merkte man der Debatte an: Vor allem die strikte Regel, dass jeder Kandidat immer nur eine Minute lang reden darf, tat dem Vormittag in der Aula des Helmholtz-Gymnasiums ausgesprochen gut. Klar strukturiert waren auch die Themen, zu der sich die Politiker äußern sollten: Beispielsweise zum Klimawandel konkret – siehe Flutkatastrophe im Sommer ‘21 –, zur Digitalisierung der Schulen, zu politischem Extremismus.

Nur beim Extremismus wurde einmal rhetorisch scharf geschossen – CDU-Landtagskandidat Fabian Schrumpf kritisierte die AfD-Vertreterin Stefanie Brecklinghaus massiv für ihre Einlassung, sowohl Links- als auch Rechtsextremismus seien schädlich für die Demokratie. „Unsere Demokratie steht auch von innen unter Druck“, entgegnete Fabian Schrumpf da, und als AfD nicht differenzieren zu wollen, obwohl die AfD ein Propaganda-Medium wie „Russia Today“ benutze, sei nicht redlich. Tosender Applaus des Publikums – doch ansonsten bot Stefanie Brecklinghaus wenig Angriffsflächen.

Konsens – und zwischendurch Hiebe auf die ehemaligen Landesregierungen

Der Debatte tat das gut: So lernten die Schülerinnen und Schüler, dass man durchaus aus gutem Grund unterschiedlicher Meinung sein kann, was ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen und Lehrer angeht. Und dass die Frage, ob es sich um ein privat-religiöses Statement oder eine politische Aussage handelt, schwer in den Griff zu bekommen ist.

Dass sich alle politischen Vertreter mehr Polizei auf unseren Straßen und mehr Anwärter für den Polizeidienst wünschen – geschenkt. Julia Kahle-Hausmann (SPD) erinnerte daran, dass auf Essens Straßen heute etwa 60 Polizisten weniger als noch vor Jahren unterwegs sind, Grund sei die letzte Pensionierungswelle.

Konsens gab es ansonsten darüber, dass es in Fragen der Digitalisierung von Schulen nicht reiche, alle Beteiligten mit Endgeräten auszustatten – die Lehrerinnen und Lehrer müssten auch entsprechend fortgebildet werden. Es gab, und das gilt für die gesamte Veranstaltung: Hier mal, von schwarz-gelber Seite, einige Stiche gegen die frühere rot-grüne Landesregierung, die die Versorgung der Schulen mit schnellem Internet versäumt hätte. Es gab: Da mal, von links, einige Hiebe gegen die damalige schwarz-gelbe Landesregierung, die 2007 das verkürzte Abi einführte (was später wieder zurückgenommen wurde). So gesehen: Die politischen Lager schenkten sich nichts, gingen aber einigermaßen zivilisiert miteinander um.

Interessieren sich Jugendliche für Politik? Nur ein Vertreter schätzte die richtige Zahl

Einigermaßen daneben lagen die politischen Vertreter allerdings, als es darum ging, Jugendliche einzuschätzen: Laut Shell-Jugendstudie interessieren sich derzeit nur 41 Prozent der jungen Deutschen für Politik. Fabian Schrumpf schätzte zuvor diesen Wert auf rund 80 Prozent ein, Inga Marie Sponheuer von den Grünen ging von 75 Prozent aus . . . doch einzig Cornelia Swillus-Knöchel, die angab, längst Oma von zwei Enkeln zu sein, schätzte die Lage richtig ein – und vermutete 40 Prozent.

Man kann davon ausgehen, dass nach dieser gelungenen Veranstaltung diese Quote zumindest in Rüttenscheid jetzt höher ausfällt.