Essen-Rüttenscheid. Das Maria-Wächtler-Gymnasium in Essen-Rüttenscheid wird jetzt 125 Jahre alt. Im Jubiläumsjahr vermeldet die Schule einen neuen Rekord.
Es war ein Novum für das Maria-Wächtler-Gymnasiums: Zum ersten Mal konnte es in diesem Frühjahr nicht mehr alle Schüler aufnehmen, die sich für das neue Schuljahr angemeldet hatten. Man kann es sicherlich als Beleg werten, wie gefragt - auch über die Stadtteilgrenzen hinweg - das Rüttenscheider Gymnasium ist, das auf eine lange Geschichte zurückblickt, genau genommen 125 Jahre. Zeit für ein Jubiläum.
Für das Jubiläum hat ein Filmteam ein Gratulationsvideo produziert
Feiern sind zwar keine geplant, auch wenn die Inzidenzzahlen mittlerweile den Sinkflug angetreten haben. Feste wollen schließlich auch vorbereitet werden und bis vor kurzem hätte wohl noch niemand damit gerechnet, „dass wir jetzt schon wieder Präsenzunterricht haben“, sagt Schulleiter Thorsten Korthaus. Da es aber schon seit Gründung am 18. Juni 1896 zum Kern des Gymnasiums gehört, ungewohnte Wege einzuschlagen und Neues auszuprobieren, gab es auch dieses Mal eine Idee, wie man auf die eingeschränkten Möglichkeiten reagieren kann. Ein Team aus Schülern und Lehrern hat ein Video mit einem Mix aus Glückwünschen und Informationen über das MWG produziert, das in Kürze online geht.
Zu den Gratulanten, die dabei auftreten, gehören ehemalige und jetzige Schüler. Per Mundpropaganda habe sich herumgesprochen, dass ein Film entstehen soll, berichtet Schülersprecher Franz Fox, der zu dem Filmteam gehört. Inzwischen seien per Mail und App so viele Beiträgen eingesandt worden, dass sich daraus ein abendfüllendes Programm bestreiten ließe. Nun gebe es einen Zusammenschnitt, der aber dennoch allen gerecht werden solle. Über die Gratulationscours hinaus will das Video aber auch auf die Entwicklung der Schule eingehen und auf die Frau, der das Gymnasium seine Existenz zu verdanken hat: Maria Wächtler. Die Essenerin lebte von 1853 bis 1915.
Schwieger Weg, um die Erlaubnis für eine Schule zu bekommen
Dass es der studierten Erzieherin und Tochter eines evangelischen Pfarrers gelang, bereits zu Zeiten des Kaiserreichs eine privat geführte Schule, die allein Mädchen vorbehalten war, aus der Taufe zu heben, hat sowohl mit Pioniergeist als auch mit einer Portion Raffinesse zu tun. Sie schaffte es den damals eigentlich recht eng gesetzten rechtlichen Rahmen für Schulzulassungen soweit auszudehnen, dass die Behörden ihr die Erlaubnis erteilten, eine so genannte Privat-Töchterschule zu errichten - mit zwei Klassen. Gut fünfzehn Jahre sollte sie die Einrichtung auch selbst leiten, bevor sie in den Ruhestand ging und Nachfolgerinnen Platz machte.
Aus dem Zusammenspiel, Chancen zu nutzen und aktuelle Trends aufzugreifen, ergab sich Anfang der 70er Jahre eine Neuerung, mit der das Gymnasium eine Vorreiterrolle einnahm. Es startete mit dem bilingualen, also dem zweisprachigen Unterricht, in Fächern wie Biologie oder Erdkunde. „Engagierte Lehrkräfte haben in den Anfangsjahren das Material selbst erarbeitet“, so Korthaus. Sie folgten einer damals angesagten Bildungsoffensive, nämlich Fremdsprachen zu fördern. Heute wählt die Hälfte der Schüler, mitunter sogar zwei Drittel von ihnen, den „Bili-Zweig“, wie er in Kurzform genannt wird. Das bedeutet etwas mehr Englisch-Unterricht und in einigen Fächern sind sowohl Deutsch als auch Englisch selbstverständlich. Wer möchte, kann auch ein entsprechendes Abitur absolvieren. Dass auf der Internetseite des MWG gleich hinter dem Stichwort bilingual der Begriff Europa folgt, verwundert da wohl kaum. Die Schule blickt über Ländergrenzen hinweg, pflegt enge Kontakte mit Schulen in den Niederlanden, Schweden und Frankreich und hat sich inzwischen auch nach China vorgetastet.
Neue Herausforderungen nach der langen Zeit des Distanzunterrichts
Corona hat alle diese Beziehungen zwar nicht einschlafen lassen, wohl aber gebremst. „Wir nutzen weiterhin digitale Wege, aber das hat nun mal auch Grenzen“, sagt Lehrerin Anka Kohns. Apropos Digitalisierung: Wie an vielen anderen Schulen hat die Pandemie auch dem MWG gezeigt, dass es noch recht viel Luft nach oben gab und gibt. Demnächst soll erstmals ein I-Pad-Jahrgang loslegen. Die Klassen sollen nicht nur mit den Endgeräten ausgestattet, sondern Unterrichtskonzepte daran ausgerichtet werden.
Aktuell stehe erst einmal im Vordergrund, die Stimmung der Schülerinnen und Schüler nach den langen Monaten des Lockdowns im Blick zu haben, unterstreicht Korthaus. So sehr Distanzunterricht bei vielen auch gut funktioniert habe, hätten andere die Zeit eher als Isolation und belastend erlebt. Auch für solche Fragen und Themen müsse im Schulalltag Raum sein.
Zahlreiche Kooperationspartner mit ins Boot geholt
Gemeinschaft und Hilfsbereitschaft sind Begriffe, die auch in den Beiträgen für den Film häufig auftauchen würden, sagt Lehrerin Julia Schäfer, die sich ebenfalls für das Jubiläumsprojekt engagiert. Dass das Gymnasium schon seit langem Ganztagsschule ist, nachmittags neben Unterricht auch eine Fülle an AGs (von Kultur bis Sport) angeboten wird, stärke sicherlich den Zusammenhalt. Zudem bieten, so Schäfer, gerade die Arbeitsgemeinschaften, bei denen Kooperationspartner mit im Boot sind, einen Blick über den Tellerrand hinaus, seien es nun Sportvereine oder die Johanniter mit Erste-Hilfe-Kursen.
Verschweigen lasse sich natürlich keineswegs, dass es bei allem guten Klima durchaus auch Meinungsverschiedenheiten gebe, so Korthaus, wie eben auch in jeder Familie. Es komme am Ende darauf an, wie solche Differenzen gelöst würden. Im Übrigen gehört schon seit langem eine AG zum Standardprogramm, die Streitschlichter ausbildet.