Essen. Essen erlebt einen drastischen Geburtenrückgang, der sogar stärker ausfällt als im Landesschnitt. Dabei gab es 2021 noch einen Babyboom.
Die Zahl der Geburten ist im vergangenen Jahr in Essen um fast 900 zurückgegangen. Der Geburtenrückgang liegt damit bei gut 15 Prozent und folglich deutlich über dem Landesschnitt, den das Statistikamt IT.NRW mit rund 6 Prozent beziffert – allerdings auf der Basis einer Schätzung.
Im landesweiten Rekordjahr 2021 verzeichnete auch das Essener Standesamt mit 5622 sogenannten Erstbeurkundungen eine besonders hohe Geburtenzahl, 2022 waren es nur noch 4760. Nicht alle der Neugeborenen sind übrigens kleine Essener und Essenerinnen, erklärt Stadtsprecherin Silke Lenz: „Wir beurkunden nur Kinder, welche auch in Essen geboren wurden – unabhängig vom Wohnort der Kindeseltern.“ So sehe es das Personenstandsgesetz bundeseinheitlich vor.
Umgekehrt bringen auch Essenerinnen ihre Kinder in Nachbarstädten zur Welt, so dass diese Geburten, dort beurkundet und gezählt werden. Das jeweilige Standesamt meldet dann dem Essener Bürgeramt, dass die Stadt einen neuen Einwohner hat.
Essenerinnen mussten zur Geburt ihrer Kinder in Nachbarstädte ausweichen
Nach der Schließung der Frauenklinik im Alfried-Krupp-Krankenhaus Mitte 2022 hatte es Befürchtungen gegeben, dass Essenerinnen für die Geburt ihrer Kinder vermehrt in andere Städte ausweichen müssten. Die zwei verbleibenden Geburtskliniken Elisabeth-Krankenhaus und Uniklinik seien überlastet, sagte etwa die Rüttenscheider Gynäkologin Bettina Habedank. „Wir spüren die entstandene Lücke. Da werden Frauen praktisch an der Kreißsaaltür weggeschickt.“
So grundsätzlich treffe die Aussage nicht zu, widerspricht Dr. Daniela Reitz, Chefärztin der Frauenklinik am Elisabeth-Krankenhaus. Vielmehr habe es während der Sommerferien einen kleinen Zeitraum gegeben, in dem der Kreißsaal aufgrund von Urlaub und vieler (Corona)-Erkrankungen, nicht in voller Stärke besetzt war. „In der Zeit wurden einzelne Frauen nach Rücksprache an andere Kliniken verwiesen. Seit August 2022 wurden Frauen unsererseits nicht mehr an andere Kliniken verwiesen.“
Lage in den Geburtskliniken hat sich entspannt
Die Schließung der Kruppschen Geburtshilfe habe sich am Elisabeth-Krankenhaus nur kurzfristig mit einem deutlichen Anstieg der Geburtenzahlen bemerkbar gemacht. Seit August habe sich die Zahl etwa auf dem ohnehin hohen Niveau vergangener Jahre eingependelt. „Wir haben das im Team mit über 40 Hebammen sehr gut geschafft“, sagt die Chefärztin. „Aktuell sind ausreichend Kapazitäten vorhanden für die werdenden Mütter, die sich zur Geburt im ,Elli’ angemeldet haben.“ Im Jahr 2021 waren in Essens größter Geburtsklinik erstmals mehr als 3000 Kinder auf die Welt gekommen, diese Rekordmarke wurde im vergangenen Jahr knapp unterschritten: Bei 2922 Geburten kamen – dank Mehrlingsgeburten – 2968 Kinder zur Welt.
„Aufgrund personeller Engpässe und eines elfwöchigen Streiks hatten wir einen Rückgang der Geburten“, meldet die Uniklinik. Kamen dort 2021 noch 1375 Kinder bei 1333 Geburten zur Welt, waren es im vergangenen Jahr 1305 Kinder (1282 Geburten). Nach Schließung der Krupp-Kinderklinik und einer Verstärkung des geburtshilflichen Teams habe es in der zweiten Jahreshälfte einen Anstieg gegeben. Aktuell gebe es freie Ressourcen zur Versorgung der Schwangeren, heißt es aus der Uniklinik, die lange unter Hebammen-Mangel litt. Nun möchte man wieder an die Zeiten mit 1700 Geburten pro Jahr anschließen und sagt selbstbewusst: „Das Ausweichen von Schwangeren in anliegende Städte und Geburtskliniken ist aus unserer Sicht nicht notwendig.“