Essen. An einem Glühweinstand auf dem Essener Weihnachtsmarkt ist das Betteln verboten. Warum Markthändler Benjamin Vogel das entschieden hat.

Der Essener Markthändler Benjamin Vogel verfolgt an seinem Glühweinstand auf dem Essener Weihnachtsmarkt eine konsequente Null-Toleranz-Strategie in Sachen Bettelei. Schon seit sechs Jahren weist ein Schild an seiner Bude darauf hin, dass er das Betteln hier partout nicht duldet.

Um die Wirkung zu erhöhen, hat er die Warnung auch in Englisch und Arabisch verfasst. Dem Schausteller ist bewusst, dass das Schild umstritten ist und ihm als Hartherzigkeit ausgelegt werden kann. Doch Vogel hält selbstbewusst dagegen: „Meine Gäste sollen in Ruhe ihren Glühwein trinken können, das Schild wirkt.“

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Sein Stand steht am Markt nur wenige Schritte von der Marktkirche und dem Krupp-Denkmal entfernt zwischen Kennedyplatz und Rathaus-Galerie. Es ist einer der belebtesten Orte der Innenstadt, der nicht nur Weihnachtsmarkt-Besucher und Shopping-Touristen anzieht, sondern eben auch Bettler.

Stadt: Gegen das „Betteln verboten“-Schild ist kein Einwand zu erheben

Markthändler Benjamin Vogel sagt: „Meine Gäste sollen in Ruhe ihren Glühwein trinken.“ Das „Betteln verboten“-Schild sei wirksam.
Markthändler Benjamin Vogel sagt: „Meine Gäste sollen in Ruhe ihren Glühwein trinken.“ Das „Betteln verboten“-Schild sei wirksam. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Die rechtliche Bewertung des „Betteln verboten“-Schildes auf dem Weihnachtsmarkt ist eindeutig. „Standbetreiber können, genauso wie jedes andere Geschäft, Hausrecht auf ihren Sondernutzungsflächen geltend machen. Daher ist gegen das Schild ‘Betteln verboten’ kein Einwand zu erheben“, stellt die Stadt Essen klar. Platzverweise hingegen dürften Standbetreiber nicht aussprechen und erst recht nicht durchsetzen. Zur Wahrnehmung ihres Hausrechtes müssten sie dann die Polizei hinzuziehen.

“Betteln verboten“ heißt es in mehreren Sprachen auf der Hinweistafel am Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt.
“Betteln verboten“ heißt es in mehreren Sprachen auf der Hinweistafel am Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt. © privat | privat

Benjamin Vogel beobachtet das Geschehen im Bereich Markt – Porschekanzel – Kettwiger Straße – Kennedyplatz schon seit Jahren mit gemischten Gefühlen. Für ihn steht fest: „Bei den allermeisten Bettlern handelt es sich um Drogenabhängige, die dringend Geld für den nächsten Schuss brauchen.“ Dazu passt: Drogenfahnder der Polizei haben, wie berichtet, unlängst bei der Festnahme eines guineischen Rauschgifthändlers neben harten Drogen und Geldscheinen auch eine Tasche mit mehr als 40 Kilogramm Münzgeld beschlagnahmt: Münzen, die sich Junkies anscheinend zuvor im Umfeld der Rathaus-Galerie erbettelt hatten. „Wirklich Bedürftige, die betteln, um sich dafür was zu Essen kaufen zu können, sind in der Innenstadt die absolute Minderheit“, behauptet Benjamin Vogel.

Ordnungsdezernat: Bettelei hat in den letzten Jahren eher abgenommen

Grundsätzlich wird Betteln in der Essener Innenstadt wie in allen deutschen Großstädten geduldet. Lediglich aggressives Betteln ist verboten: Etwa wenn Passanten mehrfach und hartnäckig angesprochen oder gar verfolgt werden. Wer sich mit einem Pappschild „Ich habe Hunger“ auf die Kettwiger Straße setzt oder unaufdringlich nach einem Euro fragt, hat mit den Ordnungskräften keinen Ärger.

Auf dem Internationalen Weihnachtsmarkt, einer so genannten Sondernutzungsfläche, ist das Betteln nicht erlaubt. Trotzdem fühlen sich Besucher immer wieder durch Bettler gestört. So berichten zwei Schönebeckerinnen, dass sie am Donnerstagabend (15. Dezember) in zwei Stunden fast zwanzig Mal und bisweilen auf schwer erträgliche Weise auf dem Weihnachtsmarkt von Bettlern angesprochen worden seien.

Hat die Bettelei in der Innenstadt nicht nur in der Weihnachtszeit in letzter Zeit möglicherweise zugenommen? Das Ordnungsdezernat der Stadt Essen tritt diesem Eindruck energisch entgegen. „Ein Anstieg ist in den letzten fünf Jahren nicht zu beobachten, das Aufkommen hat sich eher in den letzten Jahren reduziert“, erklärt eine Stadtsprecherin.

Obdachlosenhilfe Fairsorger rät dazu, bettelnde Personen gezielt anzusprechen

Auf dem Essener Weihnachtsmarkt ist das Betteln verboten. Die Stadt setzt deshalb den Kommunalen Ordnungsdienst ein. Trotzdem fühlen sich Besucher durch aufdringliche Bettler genervt.
Auf dem Essener Weihnachtsmarkt ist das Betteln verboten. Die Stadt setzt deshalb den Kommunalen Ordnungsdienst ein. Trotzdem fühlen sich Besucher durch aufdringliche Bettler genervt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Stadt führt dies auf die Präsenz des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) und der damit einhergehenden Kontrolldichte zurück. Es sei festzustellen, dass insbesondere „auswärtige Bettler und Bettlerbanden“ Essen in der Weihnachtszeit mieden.

Neben der gemeinsamen Streife von Ordnungsamt und Polizei würden gegenwärtig eine weitere Doppelstreife und temporär eine Zivilstreife auf dem Weihnachtsmarkt eingesetzt. „Daher ist die Aufklärungsquote sehr hoch“, sagt die Stadtsprecherin.

Da nicht jeder Bettler gesehen und erwischt werde, bleibt in Teilen auf der Veranstaltungsfläche ein gewisses Maß an „Störung“ bestehen. Angetroffene bettelnde Personen erhielten einen Platzverweis und würden mit einem Verwarngeld oder im Wiederholungsfall mit einer Ordnungswidrigkeitenanzeige belegt.

Passanten, die unsicher sind, ob sie einen wirklich hilfsbedürftigen Bettler vor sich haben oder ein Mitglied der „Bettel-Mafia“, raten Experten aus der Obdachlosenhilfe dazu, die Person gezielt anzusprechen. Man sollte sich mit Namen vorstellen und fragen, welche Hilfe konkret benötigt werde. Junkies würden häufig nach Geld für einen Schlafplatz oder eine Bahnfahrkarte fragen. Jeder Passant müsse selbst entscheiden, ob er einem Junkie helfen wolle. Letztenendes handele sich um kranke Menschen.

„Die fünfte Bratwurst oder der zehnte Kaffee bringt ihnen nichts“, sagt eine Sprecherin der Essener Obdachlosen-Initiative Fairsorger und fügt dann noch hinzu: „Die meisten unserer obdachlosen Gäste sind nicht drogenabhängig.“