Essen. Beschwerden über aggressive Bettler insbesondere an der Lichtburg haben Behörden und Politik alarmiert. Die Kino-Chefin sieht’s weniger dramatisch.
Mit Streifen kennen sie sich eigentlich gut aus in der Lichtburg. Doch als am Montag zwei Polizisten vor dem Innenstadt-Kino aufliefen, um zu erklären, künftig vier bis fünf Mal am Tag nach dem Rechten schauen zu wollen, wähnte sich Hausherrin Marianne Menze dann doch ein wenig im falschen Film. Berichte und Beschwerden von Besuchern über angeblich aggressive Bettler haben die Behörden alarmiert und inzwischen auch die Politik auf den Plan gerufen. Da wolle man wohl genauer hinsehen, „ob das wirklich so extrem ist“, erklärte Polizeisprecher Peter Elke den eher ungewöhnlichen „Objektschutz“ für das Lichtspielhaus.
Marianne Menze kennt die Antwort bereits – lange vor dem Abspann von Amts wegen: Man schätze die gute bisherige Zusammenarbeit mit der Polizei zwar sehr. „Aber wir brauchen keine besonderen Kontrollen.“ Etwaige Probleme mit Bettlern, „die kriegen wir selber in den Griff.“ Wie in der Vergangenheit auch schon.
Kein Problem mit Bettlern
Es gebe einige wenige, vor allem Verkäufer einer Berliner Wohnungslosenzeitung, die treten gegenüber den Kinobesuchern schon mal aggressiver auf, räumt Menze ein. Doch die seien in der Minderzahl. Dass die sozusagen „einheimische Obdachlosen“ die Warteschlangen vor Premieren oder ausverkauften Vorstellungen als „den größten Markt für Bettler in Essen“ für sich entdeckt haben, sei bekannt, aber alles andere als ein neues oder aus dem Ruder laufendes Phänomen, sagt Menze, die gestern gegenüber der NRZ ihre Beobachtungen nach dem Rether-Auftritt schilderte: Da habe ein „netter junger Mann“ die Besucher freundlich nach Kleingeld gefragt.
Er sei in keiner Weise aggressiv aufgetreten, habe auch niemanden angefasst, dafür aber nach der Vorstellung gefragt, ob er noch mit aufräumen solle – was Menze dankend ablehnte: „Ich gehe immer davon aus, dass es denen, die betteln, schlechter geht als uns.“ Und deshalb gelte in der Lichtburg die Devise: „Solange sich die Bettler benehmen, haben wir kein Problem damit.“ Um Bewachung hat man dort nicht gebeten und noch weniger gebettelt.
Betteln gehört zum Straßenbild
So entspannt scheinen große Teile der Politik die Situation in der Innenstadt nicht mehr zu sehen: Den unverzüglichen Ausbau der Doppelstreife um die vom Rat der Stadt beschlossenen zusätzlichen zwölf Kräfte forderten gestern die Fraktionen von SPD und CDU. Die gestärkte Doppelstreife müsse für ein höheres Sicherheitsgefühl gerade auch in der Innenstadt sorgen, hieß es. „Die CDU-Fraktion erwartet, dass Sicherheit an allen 365 Tagen des Jahres gewährleistet wird“, fordert Fabian Schrumpf, ordnungspolitischer Sprecher.
Sein Pendant von der SPD, Hans-Ulrich Krause, räumt zwar ein, dass Betteln zum normalen Straßenbild einer Großstadt gehöre, es aber im Rahmen der Spielregeln ablaufen müsse. „Wenn Passanten aggressiv angegangen werden, ist der Bogen überspannt.“ So etwas, da wird dem Ordnungspolitiker niemand widersprechen, müsse konsequent angegangen werden.
800 Platzverweise im vergangenen Winter
Dann allerdings auf Kosten anderer wohl weitaus neuralgischerer Orte in der Stadt: Die zwölf neuen Mitarbeiter, die die Politik einfordert, sind noch in weiter Ferne. Unklar ist auch, wo die Stellen herkommen sollen bei der gleichzeitigen Vorgabe, stadtweit 690 einzusparen. Weniger als das Dutzend Ordnungskräfte fehlen den Linken im Rat der Stadt Hilfsangebote für die Menschen. „Normales Betteln ist nicht verboten“, sagt Fraktions-Chefin Gabriele Giesecke, die davor warnt, Feindbilder aufzubauen: „Bevor der Ruf nach mehr Repression ertönt, sollte darüber nachgedacht werden, wie die Stadt bessere Hilfestellung leisten kann.“
Ordnungsrecht allein ist jedenfalls nicht nachhaltig: Der Beleg dafür sind 800 Platzverweise im vergangenen Winter, die in der City nichts verändert haben.