Essen/Duisburg. Nach der Cyber-Attacke: Barbara Albert, Rektorin der Uni Duisburg-Essen, über die Mühen der Reparaturarbeiten und die Sorgen der Studierenden.

Ende November ist die Universität Duisburg-Essen von kriminellen Cyber-Erpressern heimgesucht worden. Die gesamten Computersysteme der Hochschule wurden lahmgelegt, auch Festnetz-Telefon und Mails funktionieren seitdem nicht. Über die Höhe der Lösegeldforderung spricht Uni-Rektorin Barbara Albert nicht. Sie berichtet aber, wie ärgerlich sie den Angriff findet und wie viel wertvolle Zeit es kostet, die Reparaturarbeiten zu koordinieren.

Frau Albert, wie geht es Ihnen?

Stress und Verantwortung ist man als Hochschulleitung gewohnt. Seit dem Hacker-Angriff arbeiten wir jedoch jetzt täglich bis an die Grenze der Belastung. 50 bis 100 Prozent eines Arbeitstages im Rektorat und in vielen anderen Stellen an der Hochschule werden derzeit dafür benötigt, den alten Zustand wieder herzustellen. Das ist insofern ärgerlich, als dass ich lieber Arbeit erledige, die in die Zukunft weist.

Fragen Sie sich manchmal, warum es ausgerechnet Ihre Universität erwischt hat?

Digitale Sicherheit ist seit Jahren an den Hochschulen ein großes Thema, das Priorität hat. Wir wussten, dass es jederzeit passieren kann.

Heißt das, Sie wussten, dass Sie Sicherheitslücken haben?

Nein. Die Universität Duisburg-Essen war vor dem Angriff auf einem sehr hohen Niveau, was die Sicherheit der IT angeht. Lücken waren uns nicht bewusst. Wir hatten schon in den vergangenen Jahren regelmäßig Hinweise erhalten, dass Hacker versucht hatten, uns anzugreifen – bis Ende November immer ohne Erfolg.

„Digitale Sicherheit ist seit Jahren ein großes Thema“

Ziehen Sie aus diesem Angriff persönliche Lehren?

Wir können diesen Angriff nur nutzen, um in der Sicherheit noch besser zu werden, also besser als der zeitgemäße Standard. Wir wollen den digitalen Sektor der Universität an die Spitze der Zeit bringen.

Ist die Hochschule derzeit lahmgelegt?

Nein. Die Uni Duisburg-Essen ist arbeitsfähig, sie ist und bleibt stark. Der Lehrbetrieb läuft in Präsenz zu 100 Prozent. Täglich gehen mehrere Systeme wieder an den Start. Derzeit hat oberste Priorität, dass die Studierenden wieder auf ihre digitalen Materialien zugreifen können.

In der letzten Woche hat die Hochschulleitung verkündet, dass kein Studierender Angst haben muss, dass Noten und erbrachte Leistungen unwiederbringlich verschwunden sind. Was macht Sie da so sicher?

Wir wissen, dass wir über diese Daten verfügen. Außerdem wollen wir gewährleisten, dass unsere Studierenden keine Nachteile auf dem Arbeitsmarkt haben, weil sie wegen des Hacker-Angriffs eine Bescheinigung erst später nachreichen können. Dafür stellen wir Übergangsbescheinigungen aus.

„Die Uni ist arbeitsfähig, sie ist und bleibt stark“

Wann wird die Uni wieder im 100-Prozent-Betrieb laufen?

Das ist derzeit schwer zu sagen und kann Monate in Anspruch nehmen. Das Schwierigste wird werden, die internen mit den externen Systemen zu verknüpfen. Seit dieser Woche kommen die Studierenden auch wieder auf die wichtige Lernplattform „Moodle“, wenn sie sich vom Uni-Netzwerk aus einloggen.

Die Abgabetermine für Abschluss- und andere schriftliche Arbeiten wurden, wie angekündigt, pauschal um vier Wochen nach hinten verschoben. Wird das reichen?

Wir hoffen das. Wir haben die Fristverlängerung ausführlich diskutiert und versuchen, dass alle Studierenden damit ihre Prüfungen abgeben können. Wir können nicht garantieren, dass das klappt. Zur Not müssen wir nachjustieren.

Sind weitere Maßnahmen geplant, um Studierenden bei Prüfungen unter diesen schwierigen Bedingungen zu helfen? Freiversuche wie zur Corona-Zeit zum Beispiel?

Freiversuche sind zurzeit noch kein Thema. Die Klausuren der Mercator School of Management wurden verschoben. Ansonsten sind wir aktuell in keiner Prüfungsphase. Über Regelungen wie Freiversuche denken wir erst nach, wenn eine Prüfungsphase belastet ist.

Welche Stimmung erleben Sie an der Hochschule?

Einen starken Pragmatismus und Zusammenhalt. Ich erlebe nicht, dass Studierende sagen: „Hätte ich mich mal besser anderswo eingeschrieben.“ Übrigens hat für uns auch Priorität, die Prüfungsphasen wie geplant durchführen zu können. Dafür muss zum Beispiel das digitale Raum-Vergabesystem funktionieren.

„Dies ist kein verlorenes Semester“

Studierende klagen unter anderem darüber, dass Kontrolleure im Nahverkehr keine Rücksicht darauf nehmen, dass das elektronische Semesterticket nicht mehr funktioniert. Was können Sie tun?

Wir haben davon gehört und wenn es sich nicht bessert, werde ich in dieser Woche erneut das Gespräch mit dem VRR suchen. Tatsächlich funktioniert die Rücksicht der Kontrolleure in unterschiedlichen Städten unterschiedlich gut.

Ist dies ein verlorenes Semester?

Auf keinen Fall. Der Vorlesungsbetrieb findet ja statt. Dass wir schon Anfang April und zum Beginn des laufenden Semesters Anfang Oktober voll in die Präsenz zurückgekehrt sind, erweist sich jetzt als Glücksfall. Im Übrigen erleben wir eine enorme Solidarität aus den Städten und der Region. Ganz von der enormen Solidarität anderer Hochschulen abgesehen, die uns laufend ihre Unterstützung anbieten.

Und persönlich?

Unsere Studierenden und Beschäftigten müssen uns vertrauen, dass wir alles dafür tun werden, um den Uni-Betrieb so schnell wie möglich zum Laufen zu bringen. Und sie können uns vertrauen.