Essen. Am fünften Tag nach dem Hacker-Angriff auf die Uni Duisburg-Essen läuft der Vorlesebetrieb normal. Doch sonst ist wenig normal derzeit.

Es ist Donnerstag um kurz vor elf, Tag fünf des verheerenden Cyber-Angriffs auf die Universität Duisburg-Essen: Carlotta, Pia und Madeleine, drei angehende Grundschullehrerinnen, sollten oben im Seminarraum jetzt eigentlich ihr Referat zum Thema „Biografische Perspektiven im Sachunterricht“ halten. Doch die Mitteilung, dass der Kurs wegen einer Erkrankung des Dozenten ausfällt, konnte den Studierenden nicht zugemailt werden – als Folge des Hackerangriffs ist der gesamte E-Mail-Verkehr zum Erliegen gekommen.

Der gesamte Kurs war gekommen, nun sitzen die drei Studierenden in der „Roten Cafete“ nahe der Gladbecker Straße und überbrücken die Zeit bis zur nächsten Lehrveranstaltung. „Das ist ein bisschen ärgerlich, weil wir noch bis gestern Abend an unserem Referat gearbeitet haben“, sagen die drei.

Rein äußerlich deutet auf dem Campus Essen nichts auf den Hackerangriff hin, der die Hochschule im Innersten so heftig erschüttert. Vorlesungen und Seminare laufen zwar weiterhin nach Plan. aber in Wirklichkeit ist jetzt mächtig Sand im Getriebe.

Studierende beschleicht die diffuse Angst, die Scheine könnten futsch sein

Philosophie-Student Moritz Wimmer (25) sagt über den Cyber-Angriff: „Kein Zugriff auf Prüfungsunterlagen, kein Zugriff auf die Cloud.“
Philosophie-Student Moritz Wimmer (25) sagt über den Cyber-Angriff: „Kein Zugriff auf Prüfungsunterlagen, kein Zugriff auf die Cloud.“ © Niewerth | Gerd Niewerth

Moritz Wimmer (25), studiert im zweiten Mastersemester Philosophie und Sozialwissenschaften, außerdem arbeitet er als studentische Hilfskraft am Institut. „Alles ist down und wir können auf keine einzige Seite der Universität öffnen.“ Die Hacker sind am vergangenen Wochenende in das IT-System der Revier-Hochschule eingedrungen und haben weite Teile verschlüsselt. Nun verlangen die Erpresser Lösegeld – eine Forderung, auf die die Universität jedoch nicht eingehen wird.

Für Studierende wie Moritz Wimmer bedeutet dies: „Kein Zugriff auf Prüfungsunterlagen, kein Zugriff auf die Cloud, in der alle meine Unterlagen sind.“ Auch die neue Webseite des Instituts, für die der Philosophie-Student mitverantwortlich ist, ist unerreichbar. Und Wimmer beschleicht allmählich die diffuse Angst, dass sogar bereits benotete Hausaufgaben und Scheine futsch sein könnten.

Ähnlich wie die drei Lehramtsstudentinnen nervt ihn, dass der E-Mail-Verkehr komplett ruht. Elektronische Post mit der Anschrift @stud.uni-due.de wird seit Tagen nicht mehr zugestellt. „Die Uni hat keine Chance, die Studierenden zu erreichen, weil ja alle Daten auf dem Server geladen sind“, sagt der 25 Jahre alte Essener.

Zusammenhalt in der Not: Man hilft sich und improvisiert

Wie immer in Momenten der Not gibt es auch an der Uni Lichtblicke. Der Cyberangriff schweißt die Studierenden und die Lehrenden enger zusammen, man hilft sich und improvisiert. Bei den Philosophen sind Professoren dabei, ein privates Netzwerk aufzubauen. Und bei den Bildungswissenschaftlern hat die Fachschaft in aller Schnelle ein digitales Schwarzes Brett gezimmert, das den Informationsfluss freigeben soll. Parallel entstehen Whatsapp-Gruppen, damit Kursunterlagen verschickt werden können.

Lukas Baumgarten (23) aus Frohnhausen, der im dritten Mastersemester Philosophie, Geschichte und Physik studiert, vermisst das so genannte „Moodle“, die digitale Seele der Hochschule. Eine Plattform, über die fast der gesamte Lehrbetrieb läuft. Texte, Skripte und Tafelanschriften - das alles lässt sich damit herunterladen. „Meine Prüfungsvorbereitung wird ziemlich erschwert“, sagt der Essener.

Während die Verwaltung der Uni am Boden liegt, kehrt in den Mensen und Cafeterien allmählich schon wieder Normalität zurück. Tagelang war es nicht möglich, mit EC- oder Kreditkarte zu zahlen, die Plastikkarten ließen sich nur mit Bargeld aufladen. „Seit Donnerstag läuft am Campus Essen wieder alles normal“, sagt Achim Herrmann, im Studierendenwerk Abteilungsleiter der Hochschulgastronomie.

Studierendenwerk: In Essen kann in der Mensa wieder mit EC-Karte bezahlt werden

Achim Herrmann, beim Studierendenwerk Abteilungsleiter der Hochschulgastronomie, lobt den unermüdlichen Einsatz des IT-Teams
Achim Herrmann, beim Studierendenwerk Abteilungsleiter der Hochschulgastronomie, lobt den unermüdlichen Einsatz des IT-Teams © Gerd Niewerth

Formal ist das Studierendenwerk unabhängig von der Uni, aber digital hängen beide eng zusammen. „Die Uni ist unser Provider“, sagt Herrmann. Die gute Nachricht für den Campus Duisburg: Hier kann in den Mensen ab Freitag wieder mit EC- oder Kreditkarte bezahlt werden. Das IT-Team, das seit dem Hackerangriff jetzt Überstunden ohne Unterlass kloppt, lobt der Mensa-Chef in den höchsten Tönen. „Die sind Bombe.“