Essen. Bei der Versteigerung kamen nur 7 von 28 angebotenen Objekten unter den Hammer. Ein Spiegelbild, wie sich der Immobilienmarkt verändert hat.

Als Auktionator Jens Hendrik Zerres den Hammer zum dritten Mal auf den Block fallen lässt, ballt der junge Mann im kleinen Festsaal der Philharmonie Essen triumphierend beide Fäuste. Soeben hat er den Zuschlag für die 80 Quadratmeter große Eigentumswohnung in der Philippinenstraße, in Rüttenscheid bekommen. Er wird die Wohnung sanieren, um sie danach gewinnbringend weiterzuverkaufen. „Der Weg nach Essen hat sich für mich gelohnt“, sagt der Bottroper strahlend.

Nur wenige Sitzreihen weiter links ist die Enttäuschung dagegen greifbar. Das junge Paar, das in den vergangenen Minuten eifrig mitgeboten hat, musste beim Stand von 181.000 Euro passen. Gleich, nachdem der Bieterwettkampf entschieden ist, verlassen die beiden schulterzuckend den Saal. Sie wollten die Wohnung gern selbst nutzen.

Rüttenscheider Wohnung ist das gefragteste Objekt

Auktionator Zerres vom Auktionshaus Grundstücksbörse Rhein-Ruhr AG ist mit dem erzielten Preis zufrieden. Bei 137.000 Euro lag das Mindestgebot für die Drei-Zimmer-Wohnung, Baujahr 1960. Ein Plus von über 30 Prozent, was auch dem Auktionshaus entsprechend mehr Aufgeld in die Kasse spült.

Die Eigentumswohnung in der Philippinenstraße ist bei der Versteigerung an diesem Dienstagvormittag das mit Abstand umkämpfteste Objekt. Ansonsten muss das Auktionshaus Rhein-Ruhr nüchtern feststellen: Der Ansturm auf Immobilien hat deutlich nachgelassen. Von 28 Häusern, die im aktuellen Versteigerungskatalog aufgeführt waren, gab es gerade einmal für sieben Objekte Interessenten. Noch vor einem Jahr wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass weder die Doppelhaushälfte in Bedingrade – Mindestgebot 395.000 Euro – noch das „liebevoll gepflegte Einfamilienhaus“ in Gerschede für 450.000 Euro keinen einzigen Bieter findet.

Interessenten habe es für beide Häuser zwar einige gegeben, berichtet Makler Gordon Brandt vom Auktionshaus. Jedoch scheitere ein Immobilienkauf bei immer mehr potenziellen Käufern an der Finanzierung oder sie würden vor unkalkulierbaren Kosten der Sanierung zurückschrecken.

Immobilien bringen kaum mehr als das Mindestgebot

Bei vorangegangenen Versteigerungen des Auktionshauses kamen zuletzt schnell über fünf Millionen Euro Erlös zustande. Diesmal sind es für die sieben Objekte gerade einmal zwei Millionen Euro. Die teuerste versteigerte Immobilie ist mit 1,18 Millionen Euro ein Mehrfamilienhaus in Mülheim, das wie die meisten bei dieser Auktion nur zum Mindestgebot den Besitzer wechselt. Die Rüttenscheider Wohnung, die die große Ausnahme bildet, wäre vor Monaten noch das Normal gewesen. Käufer mussten bei früheren Auktionen im Durchschnitt rund 28 Prozent mehr als den Mindestpreis hinlegen.

Doch nicht nur die Objekte und die erzielte Versteigerungssumme sind an diesem Dienstag überschaubar. Auch die Zahl der Bieter ist es. Rund 40 Personen sitzen im Saal und verfolgen die Auktion. Nicht alle bieten mit, manche scheinen nur Beobachter zu sein. Allerdings gibt es auch mehrere Teilnehmer, die übers Telefon oder das Internet ihre Gebote abgeben. Dennoch: Die vorangegangenen Auktionen lockten deutlich mehr Bieter, räumt Klaus-Peter Großmann, Mitgründer des Auktionshauses, ein.

Auktionator Jens Hendrik Zerres vom „Auktionshaus Grundstücksbörse Rhein-Ruhr AG“ in der Philharmonie Essen.
Auktionator Jens Hendrik Zerres vom „Auktionshaus Grundstücksbörse Rhein-Ruhr AG“ in der Philharmonie Essen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Er bringt es nüchtern auf den Punkt: „Eine Auktion ist das Spiegelbild des Marktes.“ Und der habe sich in den vergangenen Monaten deutlich verändert. Käufer seien verunsichert – sei es wegen ihrer eigenen wirtschaftlichen Lage oder der Sorge um den Arbeitsplatz. Andere hingegen fragen sich: Kaufe ich jetzt zu teuer? Fallen die Preise weiter? Großmann rechnet damit, dass diese Verunsicherung angesichts der politischen und wirtschaftlichen Großwetterlage auch noch einige Zeit so bleiben wird.

Geschäftsmann ersteigert gleich drei Immobilien

Gerald Schiffmann dagegen gehört offenbar zu den Käufern, die antizyklisch denken. Er ersteigerte an diesem Vormittag gleich drei Immobilien: eine kleine Eigentumswohnung in einer Seniorenresidenz in Essen-Stadtwald, ein Mietshaus in Mönchengladbach und eine Eigentumswohnung in Essen-Frintrop. Wegen Letzterer war er eigentlich zur Auktion gekommen. Der Unternehmer suchte eine Wohnung für einen ukrainischen Mitarbeiter und will sie nun an ihn vermieten.

Hausbesitzer in Essen entrüstet über GrundsteuerbescheidAuf die beiden anderen Immobilien sei er erst während der Auktion aufmerksam geworden. Besichtigt hat er die Objekte vorab zwar nicht, aber er konnte sie jeweils nur wenig über dem Mindestgebot ersteigern. Während die deutlich gestiegenen Bauzinsen in diesem Jahr mehr und mehr Käufer abschrecken, sagt Schiffmann klar: „Die Zinsen sind zwar hochgegangen, aber historisch betrachtet sind sie immer noch relativ normal.“ Auch Makler Großmann meint: Wer jetzt entsprechend viel Eigenkapital im Rücken habe, für den dürften gute Zeiten am Immobilienmarkt anbrechen. Denn das Angebot steigt und die Preise sinken.

Nächste Immobilienauktion in Essen im Juni 2023

In den nächsten Wochen könnte sich das Ergebnis der jüngsten Immobilien-Versteigerung für das Auktionshaus doch noch verbessern. Denn alle nicht ersteigerten Objekte gehen in die Nachvermarktung, wobei aber die Mindestgebote bestehen bleiben. Der Termin für die nächste Auktion steht unterdessen auch bereits fest: Sie findet am 17. Juni 2023 in der Philharmonie statt.