Essen. Die Begriffe sind gewöhnungsbedürftig: Plötzlich nannte sich die einst so behäbig wirkende Essener Stadtverwaltung „Konzern Stadt", die Rathaus-Spitze bezeichnet sich „Verwaltungsvorstand", die Dezernenten sind „Geschäftsbereichsvorstände", die einen eigenen „Geschäftsbericht" vorlegen.

Eine Modewelle durchzog das Land in den 90er Jahren: Unter dem Druck der Finanzlage reformierten die Städte ihre Verwaltung unter dem Leitbild „Konzern" - selbstständige Einheiten wurden gebildet, Stadtämter ausgegliedert und zu privatrechtlichen GmbHs umgewandelt, blieben aber in öffentlicher Hand. Einzelne Stadtamtsleiter wurden über Nacht zu Geschäftsführern und Managern - was nicht nur schicker klingt, sondern in der Regel mehr Geld und Privilegien einbrachte.

Die Philosophie dahinter: Die öffentlichen Arbeiten fürs Gemeinwohl sollten in eigenen Gesellschaften effektiver, wirtschaftlicher und kundenfreundlicher erledigt werden, weil Verantwortlichkeiten klarer, Einheiten überschaubarer und die finanziellen Freiheiten größer waren.

66 privatrechtliche Gesellschaften

Zudem konnte die Bezahlung des neu eingestellten Personals günstiger erfolgen als bei den direkt bei der Stadt angestellten Beschäftigten. Aber auch steuerliche Gründe spielten eine wichtige Rolle - so konnten die Gewinne aus der Gas- und Wasserversorgung mit den Verlusten im Nahverkehr steuersparend verrechnet werden. Eine auf ihren Kern reduzierte Verwaltung sollte nur noch die Steuerung der Gesellschaften übernehmen.

Die Stadt Essen machte diesen Trend eifrig mit - und hat mittlerweile Anteile an 66 privatrechtlichen Gesellschaften und besitzt drei Eigenbetriebe.

Hamburg an der Spitze des Beteiligungs-Dschungels

600 Aufsichtsratsposten sind dabei zu vergeben, jede Gesellschaft hat bis zu sieben Geschäftsführer. Trotz der Fülle an Unternehmen steht Essen bundesweit nicht an der Spitze des Beteiligungs-Dschungels: Hamburg kommt nach einer Aufstellung des Deutschen Instituts für Urbanistik auf unglaubliche 404 Beteiligungen, im Schnitt besitzt jede deutsche Großstadt rund 84 Beteiligungen.

Essen selbst betreibt mit seinen Gesellschaften die „Weiße Flotte" auf dem Baldeneysee, bewirtschaftet mit der Allbau 18 000 Wohnungen, lässt über die Jugendhilfe gGmbH Grundschulkinder günstiger betreuen, wickelt Computerdienste über das „Essener Systemhaus" (ESH) ab, lässt sich Kantinen-Essen durch die RGE Servicegesellschaft liefern und hat sogar einen Versicherungsvermittlungsdienst.

Stadtämter wurden zu „Grün und Gruga", zu „Entsorgungsbetriebe Essen", zur Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG) oder zu Essen Marketing (EMG). Die Stadt hält zudem Anteile an den Energieriesen RWE, am Revierpark Nienhausen, an der Messe, an den Stadtwerken, am Nahverkehrsbetrieb Evag.

Stadtwerke als größter Gewinnbringer

Alle 27 Gesellschaften mit mehr als 50 Prozent städtischer Beteiligung machen zusammen laut Beteiligungsbericht 2008 der Stadt Essen mit 8000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp einer Milliarde Euro und einen jährlichen Verlust von 85 Millionen Euro, den die Stadt ausgleichen muss. Die addierte Bilanzsumme beträgt 4,1 Milliarden Euro, das Anlagevermögen 3,7 Milliarden Euro.

Größter Gewinnbringer sind die Stadtwerke mit 23,3 Millionen Euro, die Entsorger Ebe mit 4,7 Millionen und die Allbau mit 3,2 Millionen.

Größte Verlustbringer sind die Theater und Philharmonie (TuP) mit 44 Millionen Euro, der Nahverkehr mit 36 Millionen und die Sport- und Bäderbetriebe mit 24,42 Milllionen.

Essen macht Beamte zu Managern

Die Allbau AG: Zweck der Gesellschaft Allbau AG ist vorrangig die Bereitstellung von Wohnraum für breite Bevölkerungskreise zu tragbaren Mietkonditionen. Die Gesellschaft errichtet, betreut und bewirtschaftet Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen, darunter Wohnhäuser, Geschäftshäuser, Eigenheime und Eigentumswohnungen. Die Allbau AG weist einen Jahresgewinn von 3,2 Millionen Euro aus. Sie ist mit 18 000 Wohnungen in Essen der größte Mietwohnungsanbieter. Foto: Arnold Rennemeyer
Die Allbau AG: Zweck der Gesellschaft Allbau AG ist vorrangig die Bereitstellung von Wohnraum für breite Bevölkerungskreise zu tragbaren Mietkonditionen. Die Gesellschaft errichtet, betreut und bewirtschaftet Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen, darunter Wohnhäuser, Geschäftshäuser, Eigenheime und Eigentumswohnungen. Die Allbau AG weist einen Jahresgewinn von 3,2 Millionen Euro aus. Sie ist mit 18 000 Wohnungen in Essen der größte Mietwohnungsanbieter. Foto: Arnold Rennemeyer © WAZ
Essener Verkehrs AG: Gegenstand des Unternehmens Essener Verkehrs-AG (Evag) ist die entgeltliche und geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Schienenbahnen, U-/Stadtbahnen, sonstigen Bahnen, Kraft- und O-Busverkehren, die Errichtung, der Erwerb und der Betrieb von Verkehrsunternehmen aller Art. Die Evag macht mit 1652 Mitarbeitern bei einem Umsatz 147 Millionen Euro einen Verlust von 36 Millionen Euro. 2004 bis 2006 betrug der Verlust sogar jährlich knapp 60 Millionen Euro. Foto: EVAG
Essener Verkehrs AG: Gegenstand des Unternehmens Essener Verkehrs-AG (Evag) ist die entgeltliche und geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Schienenbahnen, U-/Stadtbahnen, sonstigen Bahnen, Kraft- und O-Busverkehren, die Errichtung, der Erwerb und der Betrieb von Verkehrsunternehmen aller Art. Die Evag macht mit 1652 Mitarbeitern bei einem Umsatz 147 Millionen Euro einen Verlust von 36 Millionen Euro. 2004 bis 2006 betrug der Verlust sogar jährlich knapp 60 Millionen Euro. Foto: EVAG © NRZ
RGE Servicegesellschaft: Gegenstand des Unternehmens sind Service-Dienstleistungen in und um Immobilien, wie Gebäudereinigung, Sicherheitsdienste, Hausmeisterservice, Post- und Botendienste, Catering für die Stadt Essen und deren Beteiligungsgesellschaften. Mit 800 Mitarbeitern machte die RGE 2007 einen Umsatz von 19 Millionen Euro - und einen Gewinn von 1,29 Millionen. Gegründet wurde die Firma, damit Reinigungsfrauen nicht mehr teurer bei der Stadt angestellt werden müssen. Foto: Prengel
RGE Servicegesellschaft: Gegenstand des Unternehmens sind Service-Dienstleistungen in und um Immobilien, wie Gebäudereinigung, Sicherheitsdienste, Hausmeisterservice, Post- und Botendienste, Catering für die Stadt Essen und deren Beteiligungsgesellschaften. Mit 800 Mitarbeitern machte die RGE 2007 einen Umsatz von 19 Millionen Euro - und einen Gewinn von 1,29 Millionen. Gegründet wurde die Firma, damit Reinigungsfrauen nicht mehr teurer bei der Stadt angestellt werden müssen. Foto: Prengel © Stadt Essen
Theater und Philharmonie Essen GmbH: Gegenstand des Unternehmens ist ausschließlich Pflege und Förderung der Kunst, der Kunstteilhabe und der kulturellen Breitenarbeit durch Einrichtung eines Musiktheaters, Balletts, Schauspiels und Konzerthauses. Die Firma ist mit 44 Millionen Euro (2006/2007) bei einem Umsatz von 9,3 Millionen Euro und knapp 700 Mitarbeitern derzeit der größte Verlustbringer aller städtischen Beteiligungen. 2004 lag der Verlust noch bei 38,4 Millionen Euro. Foto: Frank Vinken
Theater und Philharmonie Essen GmbH: Gegenstand des Unternehmens ist ausschließlich Pflege und Förderung der Kunst, der Kunstteilhabe und der kulturellen Breitenarbeit durch Einrichtung eines Musiktheaters, Balletts, Schauspiels und Konzerthauses. Die Firma ist mit 44 Millionen Euro (2006/2007) bei einem Umsatz von 9,3 Millionen Euro und knapp 700 Mitarbeitern derzeit der größte Verlustbringer aller städtischen Beteiligungen. 2004 lag der Verlust noch bei 38,4 Millionen Euro. Foto: Frank Vinken © waz / Frank Vinken
Essener Arbeit EABG: Gegenstand des Unternehmens ist die Förderung und Durchführung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - durch zeitlich befristete Angebote von Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, Fortbildung und Beschäftigung. Zielgruppen sind vornehmlich benachteiligte Gruppen des Arbeitsmarktes. Die Gesellschaft machte 2007 mit 89 Mitarbeitern bei einem Umsatz von 7,3 Millionen Euro einen Verlust von 646 000 Euro. 2004 betrug der Verlust noch 2,1 Millionen. Foto: Walter Buchholz
Essener Arbeit EABG: Gegenstand des Unternehmens ist die Förderung und Durchführung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - durch zeitlich befristete Angebote von Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, Fortbildung und Beschäftigung. Zielgruppen sind vornehmlich benachteiligte Gruppen des Arbeitsmarktes. Die Gesellschaft machte 2007 mit 89 Mitarbeitern bei einem Umsatz von 7,3 Millionen Euro einen Verlust von 646 000 Euro. 2004 betrug der Verlust noch 2,1 Millionen. Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Messe Essen: Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung von Messen, Ausstellungen und Veranstaltungen sowie von Kongressen, Tagungen, Versammlungen auf dem von der Stadt der Gesellschaft überlassenen Gelände an der Norbertstraße, in den Ausstellungshallen und in der Grugahalle. Die Messe machte mit ihren 200 Personalstellen 2007 bei einem Umsatz von 40 Millionen Euro einen Verlust von 11,7 Millionen Euro. In den Jahren davor lage der Verlust mit 500 000 bis 2,7 Millionen Euro deutlich niedriger. Foto: Hans Blossey
Messe Essen: Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung von Messen, Ausstellungen und Veranstaltungen sowie von Kongressen, Tagungen, Versammlungen auf dem von der Stadt der Gesellschaft überlassenen Gelände an der Norbertstraße, in den Ausstellungshallen und in der Grugahalle. Die Messe machte mit ihren 200 Personalstellen 2007 bei einem Umsatz von 40 Millionen Euro einen Verlust von 11,7 Millionen Euro. In den Jahren davor lage der Verlust mit 500 000 bis 2,7 Millionen Euro deutlich niedriger. Foto: Hans Blossey © foto@luftbild-blossey.de
Eigenbetriebe: Sind eine Sonderform kommunaler Firmen: Sie unterliegen der Entscheidung des Rates.  Grün und Gruga: Erhalt öffentlicher Grünflächen; 544 Leute, Umsatz: 14,7 Millionen, Verlust: 15,3 Millionen. 
Sport und Bäderbetriebe: Bau, Unterhalt, Betrieb von Sportstätten und Bädern. 241 Mitarbeiter, Umsatz: 2,7 Millionen, Verlust: 24,4 Millionen Euro. Essener Systemhaus: erbringt konzernweit Dienstleistungen im IT-Bereich. 135 Mitarbeiter, Umsatz 30,4 Millionen Euro, Gewinn 2007: 18 000 Euro
Eigenbetriebe: Sind eine Sonderform kommunaler Firmen: Sie unterliegen der Entscheidung des Rates. Grün und Gruga: Erhalt öffentlicher Grünflächen; 544 Leute, Umsatz: 14,7 Millionen, Verlust: 15,3 Millionen. Sport und Bäderbetriebe: Bau, Unterhalt, Betrieb von Sportstätten und Bädern. 241 Mitarbeiter, Umsatz: 2,7 Millionen, Verlust: 24,4 Millionen Euro. Essener Systemhaus: erbringt konzernweit Dienstleistungen im IT-Bereich. 135 Mitarbeiter, Umsatz 30,4 Millionen Euro, Gewinn 2007: 18 000 Euro © Remo Bodo Tietz NRZ
Stadtwerke Essen: Unternehmensgegenstand der Gesellschaft sind die sichere, preiswürdige und umweltschonende Versorgung ihrer Kunden mit Energie, insbesondere Gas und Wärme, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie der Betrieb des Hafens. Das Unternehmen kann in unternehmensnahen Bereichen der kommunalen Infrastruktur tätig werden. Die Stadtwerke machen mit 818 Mitarbeitern und einem Umsatz von 281 Millionen Euro 2007 ein Gewinn von 23,3 Millionen Euro
Stadtwerke Essen: Unternehmensgegenstand der Gesellschaft sind die sichere, preiswürdige und umweltschonende Versorgung ihrer Kunden mit Energie, insbesondere Gas und Wärme, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie der Betrieb des Hafens. Das Unternehmen kann in unternehmensnahen Bereichen der kommunalen Infrastruktur tätig werden. Die Stadtwerke machen mit 818 Mitarbeitern und einem Umsatz von 281 Millionen Euro 2007 ein Gewinn von 23,3 Millionen Euro © Remo Bodo Tietz; NRZ
Sparkasse Essen: Die Sparkasse ist eine Anstalt öffentlichen Rechts. Bei einem Verkauf würde der Erlös zwar der Stadt zufließen, sie darf aber nicht als städtisches Vermögen ausgewiesen werden, da die Stadt auf Sparkassen-Gelder nicht zugreifen darf. Traditionell schüttet die Sparkasse in Essen ihren Gewinn von im Schnitt 5 bis 17 Millionen Euro nicht an die Stadt aus, sondern stärkt ihr Eigenkapital. Zuvor zweigt sie aber jährlich rund zehn Millionen Euro für Gemeinwohl-Zwecke in der Stadt ab.  Foto: H.W.Rieck
Sparkasse Essen: Die Sparkasse ist eine Anstalt öffentlichen Rechts. Bei einem Verkauf würde der Erlös zwar der Stadt zufließen, sie darf aber nicht als städtisches Vermögen ausgewiesen werden, da die Stadt auf Sparkassen-Gelder nicht zugreifen darf. Traditionell schüttet die Sparkasse in Essen ihren Gewinn von im Schnitt 5 bis 17 Millionen Euro nicht an die Stadt aus, sondern stärkt ihr Eigenkapital. Zuvor zweigt sie aber jährlich rund zehn Millionen Euro für Gemeinwohl-Zwecke in der Stadt ab. Foto: H.W.Rieck © WAZ FotoPool
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