Essen. Museum Folkwang will „Kunst für alle“ zeigen: Im Anschluss ans 100-jährige Jubiläum bietet das Essener Haus erstmals eine Schau mit NFT-Kunst.
2022 war das Jahr der großen 100-Jahr-Feierlichkeiten, der publikumswirksamen Sonderschauen, und nicht zuletzt der Auftakt einer ganzen Dekade, die den Folkwang-Begriff noch tiefer im Bewusstsein der Bürger verankern soll. Die Kernbotschaft des Folkwang-Gedankens steht dabei auch 2023 im Zentrum der Ausstellungsaktivitäten: Folkwang wolle „Kunst für alle“ zeigen, sagt Museumschef Peter Gorschlüter.
Entsprechend breitgefächert ist im Jahr nach dem großen 100-Jahre-Jubiläum das Themenspektrum von der Druckgrafik bis zur Fotografie: Zudem wird das Essener Folkwang nach eigenen Angaben als erstes europäisches Museum überhaupt die monografische Ausstellung eines NFT-Künstlers zeigen und die digitale Kunst damit in den städtischen Ausstellungsraum holen. „Color, Code, Communication“ präsentiert vom 21. April bis 20. August 2023 die Arbeiten des in New York und Berlin lebenden Niederländers Rafael Rozendaal.
Museum Folkwang: Digitale Kunst wird in der Ausstellung physisch erfahrbar
NFT steht für „non fungible tokens“ und lässt Dateien zu fälschungssicheren Unikaten werden. Verbreitet werden sie über digitale Plattformen, sogenannten Blockchains. Auf dem Kunstmarkt sorgen NFTs gerade für ordentlichen Umsatz. Im Museum Folkwang präsentiert man die digitale Kunst nun in der großen Ausstellungshalle, wo das Publikum nicht mehr an Grafiken oder Gemälden, sondern an großen Bildschirmen vorbei flaniert und die Kunst als immersive Rauminstallation und Videoinstallation „physisch erleben“ soll. Zentrum der Ausstellung wird dabei die 1400 Quadratmeter umfassende Installation „81 Horizons“ sein.
Spannend dürfte nicht nur die Präsentationsform sein, sondern auch die Frage, wie man den Umgang mit dieser noch vergleichsweise jungen Technologie und deren künftige Nutzung im musealen Kontext diskutiert. Neben dem Vorteil einer leichteren Zugänglichkeit für ein breites Publikum und der möglichen Demokratisierung von Kunst durch digitale Vermittlung gilt es schließlich auch den Aspekt einer nicht sonderlich positiven Ökobilanz dieser recht energielastigen Kunstwerke zu erörtern.
Folkwang will auf dem Weg zum klimaneutralen Museum weiter vorankommen
Auch interessant
Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Museum sei man dabei schon weit vorangeschritten, will aber noch weiter kommen, betont Museumschef Peter Gorschlüter. Nicht zuletzt die Attacken junger Klima-Aktivisten auf Kunstwerke in zahlreichen europäischen Museen machen die Dringlichkeit des Themas deutlich. In Essen habe man auch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen wie Taschenkontrollen getroffen, erklärt Gorschlüter. Breit angelegte Kunst- und Gesellschaftsprojekte wie „Folkwang und die Stadt“ hätten den Austausch mit unterschiedlichen Gruppierungen von „Fridays for Future“ bis „Extinction Rebellion“ aber auch schon im Vorfeld vorangetrieben. Bislang habe es in Essen keine Zwischenfälle gegeben.
Folkwang kooperiert mit Clubbetreibern
Das Ausstellungsformat „6 ½ Wochen“, das junge internationale Künstlerinnen und Künstler vorstellt, wird um eine Kooperation mit dem Jungen Kunstring Folkwang und lokalen Clubbetreibern ausgebaut und soll das Museum noch weiter für ein jüngeres Publikum öffnen.
Geplant ist außerdem, in den Sommermonaten den Außenraum um das Museum herum zum erweiterten Ausstellungs- und Aktionsraum zu machen.
Und der freie Eintritt in die Sammlung bleibt auch weiterhin erhalten. Eintritt ist für die vorgestellten Ausstellungen zu entrichten.
Wie gut passt es deshalb, Ideen und Entwürfe für Formen des alternativen Zusammenlebens künstlerisch in den Blick zu nehmen – und zwar über die vergangenen 120 Jahre hinweg. „Neue Gemeinschaften“ (24. November ‘23 bis 17. März ‘24) blickt nicht nur auf die Lebensreformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts – wie die Aussteiger auf dem schweizerischen Monte Verità und ihre Suche nach einem Leben im Einklang mit der Natur jenseits von Industrialisierung und wachsenden Städten. Einzelne Ausstellungskapitel beschäftigen sich auch mit dem Hippie Modernism der 1960er bis 1980er Jahre und dem Afrofuturismus. Aber auch Gegenwart und Zukunft dieser von Klimakatastrophen bedrohten Welt werden künstlerisch in den Blick genommen und von einem breiten Begleitprogramm flankiert.
Die Schaulust kommt schließlich zum Jahresende mit „Chagall, Matisse, Miró. Made in Paris“ (1. September 2023 – 7. Januar 2024) ganz auf ihre Kosten. Die Ausstellung führt in die französische Hauptstadt, die im frühen 20. Jahrhundert als europäisches Zentrum der Druckkunst galt, und gewährt nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der Kunstproduktion. Zu sehen sind in Essen herausragende druckgrafische Original-Werke unter anderem von Marc Chagall, Henri Matisse, Joan Miró und Pablo Picasso, aus der eigenen Sammlung, aber auch internationale Leihgaben.
„Archive of Public Protests“ vereint Kunst und Aktivismus
Dass Essen nicht nur über eine der renommiertesten Fotografie-Sammlungen verfügt, sondern immer auch nah „am Puls fotografischer Entwicklungen“ ist, so Gorschlüter, sollen die Ausstellungs-Projekte der Fotografischen Sammlung beweisen. Daniela Comani beispielsweise, unternimmt mit „Planet Earth: 21st Century“ eine virtuelle Weltreise, indem sie 360 am Computer entdeckte Stadt-Ansichten als analoges Postkartenarchiv präsentiert (20. Januar bis 11. Juni ‘23). Während der Pole Rafael Milach mit seinem „Archive of Public Protests“ Kunst und Aktivismus vereint und Bilder von Bürgern präsentiert, die beispielsweise gegen das Abtreibungsgesetz oder den Angriffskrieg in der Ukraine auf die Straße gehen (22. September ‘23 bis 1. Januar ‘24).