Essen-Werden. Auf drei temporär umgewidmeten Stellplätzen wurde in Werden für einen klimagerechten Altstadtring geworben. Wie der „Parking Day“ ankam.
Den „roten Teppich“ hatte die Aktionsgruppe „Klimagerecht mobil.Werden“ der Initiative „Gemeinsam für Stadtwandel Werden“ am Samstag in der Heckstraße ausgerollt. Sechs Stunden lang standen drei Stellplätze nicht wie sonst Kraftfahrzeugen zur Verfügung. Die eigens gegründeten „Tiny Park Pipers“ musizierten, Kinder spielten auf Flöte oder Geige. Vor allem gab es aber angeregte Diskussionen im mit etlichen Topfpflanzen verschönerten „kleinsten Park der Stadt“.
Gespräche mit Aktivisten auf der abgesperrten Parkfläche
Viele Werdener wollen sich an diesem Tag ein Bild machen, kommen ins Gespräch mit den Aktivisten, die für einen klimagerechten Altstadtring Werden werben. Anwohnerin Britta Giese ist aufgebracht: „Das Kind als Fußgänger ist hier das schwächste Glied. Auch kommen seit Corona mehr Schüler mit dem Rad. Aber sie konkurrieren mit den Elterntaxis. Die lassen ihre Kinder an der Ecke Joseph-Breuer-Straße heraus.“
Die 52-Jährige versteht die Eltern nicht: „Selbst ein Brief des Teams der Schulpflegschaft hat nicht gefruchtet.“ Alle der 1400 Schüler des Gymnasiums Essen-Werden hätten das Recht auf einen sicheren Schulweg, auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad: „Das gefällt mir am Parking Day so gut, dass endlich mal an alle Verkehrsteilnehmer gedacht wird.“
Kritik und Verständnis für die Klima-Aktion
Peter Funk ist erzürnt. Der 72-Jährige wohnt in der Nachbarschaft und beklagt Doppelmoral: „Grundsätzlich bin ich ja sogar dafür. Ich persönlich habe zum Beispiel überhaupt kein Auto. Was ich aber extrem schwach finde, ist die Durchführung dieser Aktion. Vier, fünf Leute sind mit Autos vorgefahren, teils Diesel, und haben Materialien für den Parking Day abgeladen.“ Da hätte er schon erwartet, dass die Klimaaktivisten alles mit dem Handkarren anlieferten. „So sind die Aktivisten keine Vorbilder.“
Christiane Gregor von der Initiative „Gemeinsam für Stadtwandel Werden“ ist an praktikablen Lösungen gelegen. „Viele Ältere sorgen sich, dass ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird. Aber gerade für gehbehinderte Mitmenschen muss Platz sein im Straßenraum. Die Geschäfte müssen flexibel reagieren und Einkaufs- und Bringdienste einführen“, sagt die 52-Jährige mit Nachdruck.
Freddy Kleinfeldt, im Werdener Bürger- und Heimatverein (WBHV) aktiv, findet, Werden sei in Verkehrsdingen ohnehin gebranntes Kind: „Bitte nicht von Anfang an Maximalforderungen stellen. Wir alle sollten gemeinsam eine tragbare Lösung finden.“ Wenn Meinungen heftig aufeinander prallten, gingen Dinge kaputt, „so wie beim Verkehrskonzept“. Der 81-Jährige hält fest: „Ich selbst bin Radfahrer. Es ist schon schwer, sich mit dem Rad durch die engen Straßen Werdens zu bewegen.“
Umsetzung des angestrebten Modal Split
Auch Politiker aus der Bezirksvertretung IX und dem Essener Stadtrat schauten bei der Aktion „Parking Day“ an der Heckstraße vorbei.
Wie könnte eine Werdener Lösung aussehen? Wie den von der Stadt Essen angestrebten Modal Split umsetzen? Wie Gleichstellung von Autofahrern, Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV-Nutzern erreichen?
Eine der Antworten: Die zur sehr auf das Auto zugeschnittene Verkehrsfläche im Stadtteil Werden müsste reduziert werden. Auch zugunsten von Flächenentsiegelung.
Die Diskussion wird weitergehen im vom Verkehr gebeutelten Abteistädtchen. Ein zweiter „Parking Day“ sei bereits ins Auge gefasst, teilen die Klimaaktivisten mit.
Das sieht Doris Korpiun auch so. Wobei der 74-Jährigen in letzter Zeit positiv aufgefallen sei, sagt sie, dass Autofahrer mehr Rücksicht nähmen, wenn sie mit den Rad unterwegs sei. Ob das jetzt wirkliches Umdenken sei? Und Bernhard Kahmann (WBHV) ergänzt, der Plan solch eines Altstadtrings sei ohne bauseitige Lösungen nicht durchführbar: „Nicht ohne Parkraum wegzunehmen. Und da sehe ich durchaus Schwierigkeiten.“
Die Sicht der Geschäftsleute im Stadtteil
Vom direkt gegenüberliegenden Laden „Einzigartig“ beobachtet Inhaberin Daniela Reimus-Wittig die Aktion mit Stirnrunzeln: „Natürlich wären reduzierte Parkmöglichkeiten hier in der Heckstraße für uns Geschäftsleute nach Corona und Rezession ein großes Problem. Obwohl wir in Werden große Kaufkraft und sehr loyale Kunden haben.“ Ihr Laden habe auch viele Kunden aus Düsseldorf, Mülheim, Velbert: „Die bräuchten alternativ eine zentrale Parkmöglichkeit. Die sehe ich jedoch nicht.“
Die 49-Jährige betont, die Geschäftsleute würden ihren Beitrag leisten: „Wir gießen die Beete und die Bäume, hier kann es im Sommer extrem heiß werden.“ Änderungen des Verkehrsraums müssten sehr gut reflektiert und von allen Seiten betrachtet werden: „Für uns Gewerbetreibende muss es eine realistische Perspektive geben. Und ich wünsche mir respektvollen Umgang miteinander.“
Den sieht Günter Korpiun gegeben. Für den 75-Jährigen ist der „Parking Day“ ein guter Ansatz: „Ich finde die Kommunikation hier toll. Eine lebendige und informative Veranstaltung, aber eben nicht polemisch. Viele Altersgruppen werden angesprochen, ich sehe hier ein wohltuend gemischtes Publikum. Für mich ist das alles sehr positiv.“